„Nur wer die Vergangenheit buchstabieren kann,

kann in der Zukunft lesen.“

André Malraux – Französischer Schriftsteller

  

 

Das Leben des

 

JOHANN-GEORG SCHEFFKNECHT

 

„Rüt(t)ibures Jörg“

Schreibweise bei Anton-Josef Scheffknecht 1776-1839 noch mit zwei t geschrieben,

                               Johann-Georg Scheffknecht 1813 – 1888 mit einem t geschrieben

                               (gem.Pfarrbücher-Aufzeichnungen)

 

Bauer – Geometer – Tiefbauunternehmer - Strommeister

 

geb.   26. März 1813

gest.  30. September 1888

 

und seiner Gattin

MAGDALENA ALGE „Nannis-Seppars“

 

geb.  16. November 1814

gest.  14. März 1894

 

Heirat am 30. September 1839

 

Vorbemerkungen

Diese kleine Abhandlung ist keine vollständige und abgerundete Geschichte über das Leben unseres Vorfahrs Johann-Georg Scheffknecht. Sie verdankt die Entstehung einem Interesse an der Geschichte Lustenaus und vor allem auch seiner Bewohner. Mein persönliches Bestreben war, das Leben unseres Vorfahren in das Geschehen des 19. Jahrhunderts in unserer Gemeinde Lustenau einzubetten. Auf Grund der Erstellung eines vollständigen Stammbaumes aller Nachkommen nach  Johann-Georg Scheffknecht ist das Interesse geweckt worden, möglichst viel über Johann-Georg Scheffknecht zu erfahren. Wenn in allen vorhandenen Quellen und Archiven gesucht wird, so ist immer wieder auch unser Vorfahr aufgetaucht. Er muß also eine besondere Persönlichkeit des damaligen Dorfes Lustenau gewesen sein. In einer Zeit, in der der Sinn für alles Bodenständige und Herkömmliche, insbesondere bei unserer Jugend, immer mehr schwindet, ja sogar schon teilweise völlig verloren gegangen ist, möchte ich das ganz persönliche  Leben des  Johann-Georg Scheffknecht darstellen.

 

Er ist unser aller Großvater, allerdings mit einer verschiedenen  Zahl von Ur-, oder Ur-Ur oder Ur-Ur-Ur- oder noch mehr Ur. Jedenfalls war er ein Mensch mit Familie, mit seinem Berufe, mit seiner Arbeit für die Gemeinschaft als Strommeister, Gemeinderat und Ausschussmann.

Sogar in den Vlbg. Landtag in Bregenz (Landesausschuss-Mitglied von 1867-1869) wurde er in den Gründerzeiten der Demokratie bestellt. Im 19. Jahrhundert hat dies glaube ich kein Lustenauer mehr geschafft.

 

In weniger als einem Jahrhundert hat der technische Fortschritt in allen Bereichen die Umwandlung Lustenaus von einer reinen Agrargemeinde in eine Industriegemeinde bewirkt. Die Maschinenstickerei spielte in dieser Entwicklung eine bedeutende Rolle. Nicht nur das äußere Bild der Gemeinde, sondern auch die ganze soziale Struktur der Bevölkerung wurde von Grund auf verändert. Von der Armut und Not, die vor dieser Zeit im Dorf am Rhein wohl schon immer geherrscht hat, kann man sich heute nur noch schwer eine Vorstellung machen. Das wenige, das darüber in dürftigen Zahlen aufgezeichnet wurde, vermag kein wahres Bild von der Trostlosigkeit der damaligen Verhältnisse geben. Wer aber von uns Älteren sich noch an Erzählungen unserer Großeltern erinnert, weiß davon, wie es hierzulande ausgesehen haben mag. Es gab keinen Stoffladen, nicht einmal eine eigene Metzgerei in Lustenau, das Weben in feuchten Kellern und die Hafnerei warfen fast nichts ab. Es gab kaum eine andere Erwerbsmöglichkeit, nur der Boden mit seinen Früchten und Ernten bildeten die Lebensgrundlage der immer kräftiger wachsenden Gemeinde Lustenau. Es gab Notzeiten in denen der Mangel an Lebensmittel so groß war, daß die ärmsten Familien, um das Anbrennen des Riebels zu verhindern, die Pfanne mit einem Kerzenstumpen ausreiben mußten.

Die ständigen Überschwemmungen des Rheins, Mißernten, Seuchen und kriegerische Ereignisse nahmen von Zeit zu Zeit den Leuten auch noch das wenige weg, das sie besaßen. So war durch Jahrhunderte hindurch der Kampf mit einem widrigen Schicksal das dauernde Los der Lustenauer, dieses damals in zahlreiche Weiler (Wiesenrain,Weiler,Grindel, Holz, Stalden, Rheindorf und Hag) noch völlig zersplitterten Gemeinwesens. Der Negrelli-Ortsplan von 1825/26 zeigt dies sehr deutlich auf.

Als vom bekannten Ing. Negrelli dieser Ortsplan

„Lustenauer Gemeindegebiet  Negrellikarte   1825/1826 „

gezeichnet wurde, war unser Johann-Georg schon 13 Jahre alt.

 

 

* * * *

In welche Zeit hinein Johann Georg geboren wurde, sollen einige begleitende Informationen zeigen. Bereits 22 Jahre vorher, im Jahre 1791 kam es im fernen Wien zur Uraufführung von W.A.Mozarts  (* 27.1.1756 + 5.12.1791) „Zauberflöte“. Ob das in Lustenau schon bekannt war ?

Kaiser Joseph II. ( 1765-1790), als Sohn Maria-Theresias, baute den Staate Österreich radikal um. Alle Klöster z.B. die nicht der Erziehung oder der Caritas dienten, wurden einfach aufgehoben, viele kirchliche Güter wurden vom Staat eingezogen. Der sogenannte „Josefinismus“ zog gewaltige Spuren und Veränderungen in die Habsburger-Monarchie. Aber auch viele politische und soziale Ideen wurden eingeführt, z.B. Aufhebung der Leibeigenschaft, Einführung der Religionsfreiheit u.ä.

Die Nachwirkungen, auch  20-30 Jahre später, bei der Geburt Johann-Georgs waren sicherlich spürbar und sichtbar. Allerdings gehörte Lustenau in dieser Zeit noch nicht zum Habsburgischen Österreich. Diese Übergabe geschah erst im Jahre 1830. Am 23.September 1792, also nur rund 20 Jahre vor der Geburt von Johann-Georg, fand die Rückkehr unter die gräfliche Herrschaft Hohenems statt. Unter feierlichem Gepränge huldigten die Lustenauer ihrer Herrin Gräfin Maria Rebekka. Zwei Jahre später schafft die Gräfin für immer die Leibeigenschaft ab und entließ die letzen Eigenleute von Lustenau, im ganzen 102 Personen, aus der Hörigkeit.

Diese Gräfin zu Ems war eine Frau mit ungewöhnlich hoher Bildung, dabei eine Freundin der Jugend und der Armen. Im Jahre 1813, dem Geburtsjahr von Johnn-Georg, verkaufte sie den emsischen Palast und die Güter zu Hohenems sowie die Herrschaftsrechte über den Hof Lustenau an ihren Gemahl. Von diesem lebte sie allerdings geschieden, meistens in Kummwald.

 

Unsere Vorfahren Johann-Georg und August lebten in einer ungeheuer bewegten Zeit. Dies war natürlich nicht nur im technischen Bereiche, Thomas Alfa Edison 1847-1931 erfand die Glühlampe und das Telephon, 1867 wurde von einem Herrn Draisin das erste Fahrrad erfunden, der Fall. Besonders auch im kulturellen Leben entstanden heute noch weltberühmte Kompositionen und Dichtungen. Georges Bizet (1839-1875) komponierte seine weltberühmte „Carmen“, der deutsche Komponist Albert Lortzing (1801-1851) komponierte „Zar und Zimmermann“, der Walzerkönig Johann Strauß (1825-1899) schuf die noch heute gültigen  „Welthits No.1“ den Donauwalzer und den Radetzkymarsch, der Italiener Giuseppe Verdi (1813-1901) komponierte seine unvergänglichen Opernwerke wie „Aida“, „Nabucco“, „La Traviata“ und noch viele andere.  Bei Verdi konnte man sogar von einem Jahrgänger von Johann-Georg Scheffknecht sprechen.

Ob allerdings diese großen kulturellen Ereignisse auch in Lustenau noch zu Lebzeiten von Joahnn-Georg bekannt wurden, mag zu bezweifeln sein!

 

Bei der Erstellung des gesamten Stammbaumes, also aller Vor- und Nachfahren nach Georg Scheffknecht ist die jahrhundertelange Geschlossenheit, oder auch Isolierung von Lustenau deutlich ablesbar. In 400 Jahren Familiengeschichte unserer Sippe bis herauf zum Anfang des 2o. Jahrhunderts gibt es praktisch keine Verehelichungen mit Frauen oder Männern die außerhalb Lustenaus geboren wurden. Da kann man schon sagen, es handelt sich wirklich um eine uralte Lustenauer Sippe. Auffallend ist auch die Tatsache, daß in allen singenden und klingenden Vereinen in den Führungsgremien und Vorständen keine „Scheffknechtler“ auftauchen. Mit Singen und Musizieren hatten sie offensichtlich nicht „viel am Hut“.

 

1813

Am Samstag den 13.März 1813 kommt Johann Georg als 9. Kind des Anton Josef Scheffknecht und der Maria Katharina Hämmerle zur Welt. Seine Mutter und sein Vater sind im Alter von 37 Jahren. Beide sind im Jahre 1776 geboren.

In den pfarrlichen Aufzeichnung ist beachtenswert, daß bei der Berufsbezeichnung von Vater Anton-Josef steht:  „Bauer  - Uhrmacher „

Anton-Josef muß ein besonders technisch begabter Mann gewesen sein, denn Uhrmacher konnte damals in Lustenau nicht gelernt werden. Es war sicherlich ein sogenannter „Autodidakt“, also jemand der sich alles Wissen und Können selbst beigebracht hat.

Dieses technische Wissen und Talent dürften dann wohl auch sein Sohn Johann-Georg und sein Enkel August geerbt haben. Waren doch beide als Geometer und Bauleiter führend und herausragend tätig.

 

Bei seiner Geburt gibt es im Hause Scheffknecht noch 6 Geschwister: Zwei Buben Anton im Alter von 10 Jahren und Bruder Sinesius im Alter von 3 Jahren, sowie 4 Mädchen, Maria-Anna, Anna-Maria, Maria-Kreszenzia und Maria-Josefa im Alter von 4,6,8 und 9 Jahren.

Zwei Kinder in der Familie Scheffknecht sind bereits im Kleinkindesalter gestorben. Bereits das erste Kind, der Bube Franz Anton starb im Alter von 89 Tagen, am 8. Juli 18o2. Im Jahre 1808 wurde das 6. Kind, die Tochter Maria-Josefa geboren, die auch nach nur 139 Tagen gestorben ist.   (Stammbaum-Blatt  U-1 und U-2)

 

 

 

            Altes Lustenauer  „ TATSCHHAUS“

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Typisches Alt-Lustenauer Haus. Könnte so das Geburtshaus von Johann-Georg Scheffknecht ausgesehen haben ?

Obiges Bild zeigt das Heimathaus der „Desser“ in der Holzmühlestrasse

 

Das Geburtshaus von JOHANN-GEORG SCHEFFKNECHT ist das Haus No. 52, bzw.später mit H.No. 252 und 387 bezeichnet.

Im Gemeindearchiv konnte dieses Haus nicht an eine heutige Strasse mit Hausnummer zugeordnet werden. Es ist aber aus verschiedenen anderen Quellen anzunehmen, dass dieses Haus in der heutigen Rheindorferstrasse gestanden ist. In früherer Zeit war dieses Gebiet als ein „Rüttibürlar-Viertel“ bezeichnet worden. Nachzuweisen ist jedenfalls, dass die Eltern von Johann-Georg, Anton Scheffknecht (1776-1839) und seine Gattin Maria Katharina Hämmerle

(1776-1817) am 22.1. 1801 in ein Haus No. 52 eingeheiratet haben. Bestätigt wird dies durch die Eintragung im Häuserverzeichnis der Gemeinde Lustenau von 1808: „Besitzer Anton Scheffknecht“.

In diesem Hause wohnte auch noch Johann-Georg mit seiner Gattin Magdalena Alge nach seiner Verheiratung am 3o.9.1839. In der Pfarrmatrikel ist jedenfalls als Wohnhaus des jungen Paares H.No. 252, 387 und 52 angegeben. Nachdem Johann-Georg  im Jahre 1856 das Haus No. 521 (später Rheinstrasse No.15) gekauft hat, kam es im Jahre 1859 zum Verkauf des Heimathauses von Johann-Georg wie folgt:

Kauf des Hauses am 18.3.1859 durch Johann Hagen, Zimmermann und

Kauf/Übernahme des Hauses am 22.1.1886 durch Wttw.Hagen und Kinder.

Im ersten Strassennamenverzeichnis Lustenaus, Anfang des 20.Jahrhunderts, ist dieses Haus nicht mehr aufgeführt. Es ist anzunehmen, dass es abgebrochen wurde. Das Haus war sicherlich weit über 100 Jahre alt und wahrscheinlich auch ein ärmliches „Tatschhaus“.

Nach persönlichen Erzählungen (Emilie Böhler-Enkelin von August Scheffknecht) stand dieses Haus auf dem Platze des heutigen „Gasthof zum Sticker“, dem damaligen „Iskerbühel“

 

*  *  *  *

Alle seine 6 noch lebenden Geschwister gründeten später eigene Familien mit Nachkommen. Ich werde darauf dann später noch im Detail  eingehen. In der Familie wurden zwei Töchter mit Namen Maria-Josefa geboren. Die erste Tochter erblickte am 12.3.1808 das Licht der Welt. Nach einer nur sehr kurzen Lebenszeit von 23 Tagen ist diese Tochter dann bereits am 29.7.1808 gestorben. Bereits im nächsten Jahr am 21.7.1809 kam wieder eine Tochter zu Welt, die wiederum auf den Namen Maria-Josefa getauft wurde. Diese Schwester von Johann-Georg, die im Jahre 1809 geborene Maria-Josefa starb im jugendlichen Alter von 23 Jahren.

 

Die Eltern von Johann Georg hatten  am Montag den 22. November 1801, beide im Alter von 25 Jahren, geheiratet. Bei der Geburt des kleinen Johann Georg sind die Eheleute 11 ½ Jahre verheiratet.

 

Die Geburt wird sicherlich im Wohnhaus des Anton Josef mit einer Hebamme stattgefunden haben. Einen Arzt hat es zu dieser Zeit und noch längere Zeit später in Lustenau nicht gegeben.

Im Lustenauer Archiv ist nachzuweisen, daß in Lustenau im Jahr 1822 zwei geprüfte Hebammen Dienst machten. Jede erhielt einen jährlichen Lohn von 82 Gulden, konnte aber bei jeder Geburt den gewöhnlichen Lohn fordern „mehr oder weniger“. Die k.k.Hofkanzlei hatte in diesem Jahre verordnet, daß nur noch geprüfte Hebammen zugelassen werden dürfen.

Johann-Georg wurde in einer sicherlich ärmlichen Welt geboren. Das ländliche und abgelegene Bauerndorf Lustenau bestand aus einigen hundert sehr bescheidenen Häusern. Im Jahre 1806, sieben Jahre vor der Geburt von Johann-Georg, gab es im Lustenau gezählte 395 sehr bescheidene Häuser. Die Einwohnerzahl dürfte damals bei etwa 2300 gewesen sein. Jedenfalls im Jahre 1823 zählte Lustenau ca. 2500 Seelen.

 

1813-1816

Die nächsten drei Jahre im Hause des Anton-Josef und der Maria-Katharina waren von traurigen Ereignissen überschattet. 15 Monate nach der Geburt von Johann-Georg, am 3. Juli 1804 kam wieder ein Mädchen, Maria-Rosalia zur Welt. Aber bereits nach 24 Tagen, am   27. Juli stirbt das kleine Kind. Wieder Zwölf Monate später kommt der Bub Josef-Andreas-Daniel zur Welt. Aber auch er stirbt wieder nach nur 5o Tagen, am 9. September 1815. Wieder gute 12 Monate später, am 8.August 1816 kommt der kleine Lorenz zur Welt, der aber bereits nach einem Tag stirbt. (Stammbaum –Blatt U-1)

 

 

* * * *

Zur Zeit der Geburt Johann-Georgs war Lustenau noch ein kleines Dorf. Es gibt in den alten Archiven eine genaue Einwohnerzahl aus dem Jahre 1816, also als Johann-Georg drei Jahre alt war:

Lustenau hatte im Jahre 1816 2257 Seelen (damals wurde noch nach Seelen gezählt) und ganz Vorarlberg eine Einwohnerzahl von 82660. (Heute schon an die 350.000)

 

 

* * * *

Im Jahre 1815 war die Herrschaft Napoleons über Europa zu Ende. In der Schlacht von Waterloo gingen seine Heere unter. Er selber wurde bekannterweise auf die Insel St. Helena verbannt. Auch in Lustenau gab es Anhänger und Gegner Napoleons. Berichtet wird von einer heftigen Auseinandersetzung  im „Tavern“ zwischen einem Georg Sartori aus Höchst und dem Lustenauer Winkeladvokaten Viktor Kremmel. Die Auseinandersetzung hatte auch ein gerichtliches Nachspiel.

 

 

1817

Drei traurige Jahre liegen nun hinter der Familie des Anton-Josef Scheffknecht. Aber mit noch einem weit  schwereren und verhängnisvolleren Schicksalsschlag muß diese Familie im Dezember 1817 fertig werden. Der Herbst ist vorübergegangen und die Weihnachtszeit kommt heran. Mutter Maria-Katharina ist zum Dreizehnten Male schwanger. Wie die folgenden Ereignisse zeigen, muß sie in einem schlechten gesundheitlichen Zustande gewesen sein. Gab es damals doch eigentlich kaum eine ärztliche Betreuung oder Hilfe, geschweige denn eine Schwangerschaftsbegleitung in irgendeiner Form. Am Weihnachtsvortag, den      23. Dezember 1817 kam es jedenfalls zur großen Tragödie im Hause Scheffknecht. Die Mutter Maria-Katharine stirbt bei der Geburt des 13. Kindes, Josef Gebhard. Aber auch das Kind stirbt bei der Geburt.  Mutter Maria-Katharina ist im Alter von 41 Jahren und hinterläßt einen Witwer mit 7 Kleinkindern.

 

Was müssen das für schrecklich, traurige Weihnachten 1817 gewesen sein ! Eine tote Mutter mit Ihrem toten Kinde, aufgebahrt in der Stube am Weihnachtsfesttag. Unser Johann-Georg ist das jüngste der lebenen Kinder und steht im Alter von 4 Jahren. Er wird sicherlich nur mit ratlosen, großen Augen das Geschehen verfolgt haben und noch nicht verstanden haben, daß seine Mutter nicht mehr da ist. Beim Tode der Mutter stehen seine vier Schwestern im Alter von 8,10,12 und 13 Jahren, seine beiden Brüder im Alter von 14 und 7 Jahren. Vater Anton-Josef Scheffknecht steht nun im Alter von ebenfalls 41 Jahren als Wittwer mit sechs Schulkindern und dem kleinen Johann-Georg in der kargen Welt eines armen Bauerndorfes Lustenau.

 

* * * *

Viel zum frühen Tode der Mutter Scheffknecht dürfte auch das allgemeine Notjahr 1817 beigetragen haben. Das Jahr 1817 war in ganz Vorarlberg ein ganz besonderes Notjahr. 1817 kam der Frühling mit heftiger Kälte und schweren Regengüssen. Zwei Nachtfröste hatten den Feldfrüchten unnennbaren Schaden zugefügt. Kälte, Regen und schauerliche Gewitter mit Hagelschlag waren für den Sommer charakteristisch. Schon im März waren fast alle Vorräte aufgebraucht. Der Preis des Getreides stieg auf das Fünffache des Wertes. Es muß wohl von einer Hungersnot gesprochen werden. Um die Eßgier zu stillen, verzehrten die Leute Gras und Wurzeln. Ansteckende Krankheiten brachen aus. Manche Leute starben vor Mattigkeit, ohne eigentliche Krankheit.

Am 29. Juni trat auch noch der Rhein aus seinen Ufern und überschwemmte die meisten Rheingemeinden. Die Türken- und Erdäpfelernte war vollständig vernichtet. Nicht umsonst wurde von den Behörden, das Branntweinbrennen mit Erdäpfeln streng verboten. Sehr früh kam mit ungeheuren Schneefällen der Herbst und Winter.

Die Not war sehr groß! Woher sollte Hilfe kommen? Auch in den Nachbarländern herrschten schlimme Zeiten. Da kann es nicht verwundern, daß auch Lustenau schwerstens getroffen wurde.

So muß es nicht verwundern, daß die schwangere Mutter Scheffknecht dieses Notjahr nicht überlebte und bei der Geburt ihres dreizehnten Kindes zu Weihnachten verstarb.

 

Ein Brief Pfarrer Rosenlächers an das „Kaiserlich-Königlich, Gräflich von Waldburg-Zeilsche Patrimonialgericht“ ist ein sprechendes Zeugnis der damaligen Not in unserer Gemeinde:

            „Wohldasselbe wird von hiesiger Gemeindevorstehung gehorsamst ersucht, dem wohllöblichen Kreisamt in Bregenz auf das Verehrliche vom 23. Juni l.J., den Bau eines neuen Schulhauses im Rheindorf betreffend, im Namen der untertänig Unterfertigten dringendst und angelegenst vorzustellen, daß auch bei der heurigen traurigsten Rheinüberschwemmung und bei der herrschenden so schrecklichen Not, Teuerung und Hunger, welchem beinahe alle Bürger der hiesigen Gemeinde preisgegeben sind, um wo man jeden Gulden und Kreuzer höchstnotwendig nur dazu verwenden muß, daß die Leute nicht vor Hunger sterben, nicht nur den Bau des Schulhauses für 1817 wieder ganz unmöglich sei, sondern daß für diesesmal auch sogar der abgeforderte und durch einen Baumeister zu machenden Bau- und Kostenüberschlag gnädigst möchte nachgesehen werden.        Lustenau, den 1. Juli 1817“

Aus dieser großen Not heraus konnte in der Gemeinde Lustenau in diesem Jahr nicht einmal eine Baukostenplanung gemacht werden. Der Schulhaus-Neubau im Rheindorf aber wäre dringend notwendig gewesen.

 

                                                           * * * *

Unsere Ahnen feierten Weihnachten einfacher und schlichter als wir. Den Christbaum kannten sie nicht. Es dauerte bis etwa zum Jahre 1890 bis auch in Lustenau in den Häusern einiger besserer Bürger die ersten Weihnachtsbäume strahlten. Dagegen war die Weihnachtskrippe, die viel weiter zurückreicht, in fast allen Stuben zu finden. Die Weihnachtsbescherung wurde in unserem Dorf erst ab ca. 1900 Brauch. Bis dahin wir der Hl. Nikolaus der alleinige Gabenbringen. Hingegen war es üblich, dass auf Weihnachten und Neujahr „Moltscheoro“ und Gugelhupf gebacken wurden.

 

                                                            * * * *

In der Rosenlächer-Kirchenchronik ist vermerkt: „ Im November 1817 ging man endlich daran, Schanzen und Wuhrungen gegen die Rheinüberschwemmungen zu errichten, was man schon längst hätte tun sollen.“ Es waren also bis zu diesem Jahr praktisch keine Wuhr-bauten oder gar Dämme gegen Rheinüberschwemmungen errichtet worden. Aber erst 2o Jahre später wurden diese Verbauungen wesentlich vorangetrieben. Mit der Ernennung von Johann-Georg SCHEFFKNECHT zum 1.k.k.Strommeister im Jahre 1847 leisteten unsere Vorfahren entscheidende Arbeit im Kampf gegen den Rhein.

 

* * * *

Das Feuerwehrwesen war zu dieser Zeit noch in keiner Weise organisiert. Es gab natürlich auch noch keine Feuerwehr im heutigen Sinne. Es gab aber bereits Feuerbeschauen. Im Jahr 1811 wurden z.B. einem Paul Holzer und einem Herrn Johann Bösch für die Untersuchung von Feuerstätten 3 Gulden ausbezahlt. Die Gemeinde hatte auch schon verschiedene Geräte zur Feuerbekämpfung angeschafft.

Aus der Pfarrchronik sei Pfarrer Rosenlächer zitiert:

29.Mai 1818. Bisher hatte die Gemeinde noch gar keine Feuerspritze und verließ sich auf ihre weit auseinanderliegenden Dörfchen und Wohnungen, obwohl auch schon seit meinem Hiersein einige Häuser abgebrannt sind. Nun setzte ich mit Zureden an die hiesige Vorstehung nicht aus, bis am 3. August d.J. zuerst eine kleine Feuerspritze um 15o Gulden, dann im September um 800 Gulden eine große gekauft und angeschafft wurde.“

Die zuerst angeschaffte kleine Feuerspritze wird heute noch im Gerätehaus aufbewahrt und liebevoll gepflegt. Verfertigt wurde sie von Joh. Kaspar Denz am Schwarzenberg 1818.

  

1818

Das schönste Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht, wurde von dem jungen Salzburger Pfarrer Mohr im Gebirgsdörflein Oberndorf gedichtet und von dem Schullehrer Franz Xaver Gruber aus Arnsdorf vertont und am Weihnachtsfest 1818 in der kleinen Dorfkirche in Oberndorf zum erstenmal gesungen. Es wird wohl noch viele Jahre gedauert haben, bis auch in Lustenau dieses Lied bekannt und beliebt wurde.

Niemand konnte ahnen, dass die einfache, liebliche und doch so weihevolle Melodie einmal die Welt erobern würde.

 

1819

Der Ortspfarrer von Lustenau und spätere Dekan Franz Joseph Rosenlächer gab nicht nur den Anstoß zur Pflege der Kirchenmusik, sondern auch zur weltlichen Musik, zumindest zur Pflege der Blasmusik in Lustenau. Das Vorarlberger Blasmusikwesen hatte seine Vorbilder in der Schweiz und im Bodenseeraum und empfing von seinen Nachbarn Anregungen, die zur Nachahmung führten.

Von Pfarrer Rosenlächer wird in die Pfarrchronik folgende Eintragung gemacht:

„Im September 1819 munterte ich mehrere hiesige Jünglinge auf, bei einem dafür angetragenen Musikmeister den kommenden Winter über Musik zu erlernen, was von diesen gern angenommen wurde. “Zwei Jahre später lesen wir in der Pfarrchronik:

Den 21. Juni 1821, am Fest Corpus Christi, hat die hiesige Musik- und Schützengesellschaft sich zum ersten Mal mit Türkischer Musik produziert.“

 

                                                           * * * *

Aus der Rosenlächer-Kirchenchronik werden immer wieder die Zahl der Geborenen, der Gestorbenen und die Zahl der Hochzeitspaare genannt. Heute ist es erschreckend zu sehen, welch ungeheuer große Zahl von Kindern gestorben sind. In den Folgejahren sind einige dieser Jahresbilanzen angeführt. „Die gute alte Zeit ??!!“

Rosenlächer schreibt 1819: „ In diesem Jahre wurden 86 Kinder geboren; gestorben sind 13 Erwachsene und 41 Kinder; getraut wurden 17 Paare.“

 

1820-1827

Schulbesuche – Schulen

Damals, von 1810 bis 1821, unterrichtete Florian König die Kinder des Rheindorfs noch in seiner Wohnstube. Die Behörden drängten auf den Bau eines eigenen Schulhauses auch im Rheindorf, das dann tatsächlich drei Jahre später unter großen Opfern 1820/21 um 1300 Gulden erbaut werden konnte. Die Schule bestand aus zwei Klassenzimmern.

Dieses erste Rheindorfer Schulhaus steht heute noch an seinem Platze. (Schulgasse No.3)

Es ist sicher anzunehmen, dass auch Johann Georg mit 7-8 Jahren, ab dem Jahre 1820/1821 diese Volksschule besucht hat. Es kann doch angenommen werden, dass Johann Georg während 6-7 Jahren die Grundschule besuchte. Nach seinem späteren Berufsleben zu schließen, muß Johann Georg doch noch eine andere Schulausbildung genossen haben. Ein Leumundszeugnis aus dem Jahre 1871 weist darauf hin.

Der Unterhalt der Schulen war damals nicht Sache der Gemeinde, sondern es war ein eigener Schulfond vorhanden. Die Einnahmen kamen aus verschiedenen Zinserträgen (Acker- und Wiesennutzungen) und aus Beiträgen der gräflichen Herrschaft, sowie verschiedene Legate reicherer Lustenauer Bürger.Wie ärmlich aber die meisten Gemeindekinder gewesen sein müssen, weist eine Schulfondrechung aus 1817 aus. Aus einer Spende der gräflichen Herrschaft von 17o Gulden (fl) wurden Schuhe und Strümpfe für arme Kinder gekauft unter anderem auch 139 Paar Holzschuhe. Die Schule wurde mit Schollen beheizt, die der Schulwart für das unentgeltliche Wohnen in der Schule besorgen mußte.

 

Am 22. Oktober 1774 hatte das kaiserlich-königliche Oberamt der Graf- und Herrschaften Bregenz, Hohenegg und Hohenems ein Dekret zur Einführung der Normalschulart erlassen. Die Schule sollte vom 6. bis zum 14. Lebensjahr besucht werden. Bei Nachlässigkeiten wurden Strafen angedroht. Die Behörde war sich allerdings bewußt, daß es auf dem Lande Schwierigkeiten geben werde. (Vorurteile etc.) Es wurde daher mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß den Kindern besonders die Religions- und Glaubenslehre eingeprägt werde. Der Pfarrer wurde verhalten, den Kindern den Katechismus gehörig zu erklären. Sonst aber wurden Lesen, Handschrift und Rechnen als Fächer vorgesehen.

Die heutige Volksschule Rheindorf  wurde im Jahr 1899 erbaut und durch einen Zubau West im Jahre 1912 erweitert.  Die allererste Volksschule (Schulgasse 3) ist bis zum heutigen Tage erhalten geblieben.

 

Im Jahre 1779 wurde in Lustenau das 1. Schulhaus im heutigen Kirchdorf gebaut. Der Bau entstand unter großen Opfern der Bürger. Eine Spende des Grafen Xaver von Harrach in Hohenems sah dann so aus: Der Graf leistete einen Beitrag von 50 Stumpen Holz am Stück. Die Lustenauer mußten es nun selbst fällen und holen. Daraufhin beschloss das Hofgericht, daß jeder, der ein Roß und einen Wagen habe einen Gulden zum neuen Schulhaus zu bezahlen habe.

Diese erste Schule stand genau 200 Jahre in Lustenau. Im Jahre 1855 wurde das Gebäude erweitert und aufgestockt. Später war darin das Rathaus bis zum Jahr 1958 untergebracht. Kurzfristig bis 1979 war dann auch noch die Musikschule einquartiert. Mit dem Bau des neuen jetzigen Rathauses wurde im Jahre 1979 das  „1. Lustenauer Schulhaus“ abgebrochen.

Die heutige Volksschule Kirchdorf wurde 1883 gebaut und eingeweiht. Im Jahre 1913 erfolgte ein Zubau.

 

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Der sicher umsichtige und fürsorgliche geistliche Begleiter in jener schweren Zeit war sicherlich Pfarrer Rosenlächer. Dankenswerter Weise wurde später auch eine kleine Straße in Lustenau nach ihm benannt. Damit bleibt er zumindest dem Namen nach, noch in der Zukunft in Erinnerung.

Bereits seit der Jahrhundertwende, ab 1801 war der noch heute bekannte Pfarrer Rosenlächer in Lustenau tätig. Dieser für die geistige Entwicklung Lustenaus zu jener Zeit ungeheuer bedeutende Seelsorger war der führende Motor für Bildung in geistiger, seelischer aber auch wirtschaftlicher Art. Geboren war er am 8. Juli 1763 in Konstanz, kam im Jahr 1801 nach Lustenau und blieb bis zu seinem Tode, am 9.6.1835 Pfarrer in Lustenau.

Die hohe Bildung von Pfarrer Rosenlächer und seine guten Beziehungen zum gräfl. Haus und sein besonderes Interesse an der Volksbildung waren für die Gemeinde über Jahrzehnte äußerst vorteilhaft. Pfarrer Rosenlächer war auch Schuldistriktsinspektor geworden.

 

1821

Im November 1821 trat der Musikverein „Harmonie“ laut Pfarrchronik beim Besuch des neuen Patronatsherren, des Grafen Maximilian von Hohenems, wieder in Erscheinung:

Nachdem die hiesige Vorstehung und ich (Pfarrer Rosenlächer) alle Vorbereitungen auf den heutigen feierlichen Empfang gemacht hatten und die hohen Gäste bestimmt bis 3 Uhr zur allgemeinen Freude erwartet wurden, so wurden Hochselbe an der Grenze zuerst von 7 Gemeindebürgern zu Pferd und in militärischer Uniform empfangen. ....Als die Chaisen nun bei der Tafern vorbei allgemach durch den Ort weiterfuhren, stellte sich bei Johann Vogel, Gemeindeschreiber, die hiesige Türkische Musik in Parade auf und ging der Zug ganz feierlich in die Pfarrkirche.“

Während des Abendessens im Pfarrhause spielte dann die neue Musik nochmals. Auf jeden Fall muss der Musikverein auf die Bevölkerung einen gewaltigen Eindruck hinterlassen haben.

 

1817-1822

Vater Anton-Josef aber muß ein doch sehr entschlossener Mann gewesen sein. Während der nachfolgenden 5 Jahren bleibt er Witwer und seine Kinder wachsen zu Jugendlichen heran. Die Pubertätserscheinungen hat es natürlich auch damals gegeben, aber jedenfalls hat der Wittwer mit seinen Töchtern und Buben den Haushalt während 5 Jahren allein geschaukelt.  Es ist allerdings anzunehmen, daß  er verwandschaftliche Hilfen, wie es zu diesen Zeiten eine Selbstverständlichkeit war, erfahren durfte. Die Eltern von Johann-Georg, Vater Anton-Josef und Mutter Maria-Katharina hatten zahlreiche Geschwister, die dem Wittwer mit 7 Kindern wohl zur Hand gegangen sein werden.

 

 

1822

Nach 5 Jahren Witwerstand heiratete Anton-Josef Scheffknecht, er stand im Alter von 46 Jahren  in II.Ehe mit der 44-jährigen ledigen Maria-Josefa Alge. Die 7 Kinder des Wittwers sind schon prächtig herangewachsen. Man kann sich vorstellen, daß der Hochzeiter doch etwas stolz auf die große Kinderschar war, die ihn zur Hochzeit in die Kirche begleitete. Die Kinder waren im Alter von 19,18,17,15,13,12 und dem Jüngsten unserem 9-jährigen Johann-Georg.  Die Stiefmutter blieb selbst aber kinderlos, sorgte aber noch weitere 19 Jahre, bis zu Ihrem Tode am 25. Oktober 1841, für die neue Familie. Erst nach 8 Jahren gab es die erste Hochzeit im Hause Scheffknecht und erst 17 Jahre nach der II.Heirat des Vaters zog das letzte Kind, der jüngste Johann-Georg aus dem Hause aus und gründete durch Heirat eine eigene Familie.

 

 

* * * *

Engstirnige österreichische Zollschikanen erschwerten 1822-1847 den als Schwärzern verschrienen Lustenauern den lebenswichtigen, einträglichen Stickereiveredlungsverkehr mit der Nordostschweiz. Dazu noch einige Details:

Am 19.3.1822 wird dem hiesigen Kreisamte wie folgt über Lustenau berichtet:

 

 

Im ganzen hiesigen Bezirk bestehen keine Fabriken. Der Anfänger in Baumwoll-Fabrikanten Gebhard Fitz, Löwenwirt, läßt auf ungefähr 40 Stühlen in Lustenau durchgehends von Lustenauern weiße und gefärbte Stücke arbeiten und hat mit niemand, am wenigsten mit Ausländern eine Verbindung, besorgt alles allein und hat keinen Wahn einer Schwärzung gegen sich.“

Am 19.11.1825 berichtet das gräfliche Landgericht an das Kreisamt, „in Lustenau sei die Strohhut-Fabrikation erst im Beginnen. Weberei und Stickerei würden, solange sie in Mittelpreisen bestünden, stets die Oberhand behalten. Seit einem Jahr habe sich wesentlich Ignaz Fitz, Altamanns Sohn, damit abgegeben und 3oo Stück über Feldkirch nach Tirol ausgeführt.“

 

Wie aus einem Berichte des gräflichen Landrichters Seewald an das Kreisamt vom 1.8.1822 hervorgeht, haben sich „schon früher mehrere sogenannte „Fergger“(Fertiger,Vermittler)aus der wohlhabenden Klasse hervorgetan, von denen jeder von Zeit zu Zeit ein Quantum von ungestickter Ware einführt und nach der Ausstickung zurückstellt, damit die Stickereiverdienste für die „diesfalls kündigen Personen“ nicht beschränkt würden, und damit nicht jede Person einzeln ihre Stückel mit Zeitverlust und Zehrungsauslagen in der Schweiz selbst holen müsse. Beim Zollamt geschah „her und hin die gehörige Vormerkung“. Jeder Fergger hatte bei seinem Zollamt das gerichtlich ausgefertigte Kautionsinstrument eingestellt.

 

 

* * * *

Es ist aus heutiger Sicht wohl sicher interessant, was unsere Vorfahren denn eigentlich zu ihrer Zeit gegessen haben. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die Ernährung der Lustenauer sehr einfach. An Feldfrüchten wurden angebaut: Vesen, Gerste, Haber, Bohnen und Kraut und Rüben. Erst nach der Einführung der Kartoffel und des „Türken“ verbesserte sich die Situation. Besonders diese beiden Ackerfrüchte bildeten für über ein Jahrhundert die Ernährungsgrundlage. Das Korn, also Vesen (eine Art Dinkel) wurde meist als Saatgut verkauft, um aus dem Erlös die Steuern und Zinsen zu bezahlen.

Auch im Hause Anton-Josef Scheffknechts wird es die damals übliche Kost gegeben haben. In der Früh gab es meist Türkensuppe mit gebratenen Kartoffeln, „Brotora“. Brot aß man sehr wenig, es war zu teuer. Mittags gab es die gebrannte Türkensuppe, „Brennsuppe“, gedämpfte oder gebratene Erdäpfel, „Grumbiera“, oder Sauerkraut, grüne Bohnen oder Rüben. Abends meist wieder Suppe und gesottene Erdäpfel und vielleicht etwas Milch dazu. Arme Leute leisteten sich nur an Festtagen etwas Fleisch. Nicht zu vergessen ist selbstverständlich der „Riebel“, der zu leichtem Milchkaffe oder mit Holdermus oder Apfelmus gegessen wurde. Die reicheren Bauern schlachteten jedes Jahr ein Schwein.

Nachdem es früher natürlich noch keine Tiefkühltruhen gab, musste beim Schlachten eines Schweines möglichst vieles rasch verzehrt werden. Verwandte und Nachbarn wurden wechselseitig zu einer „Gaschti“ eingeladen. Manche erhielten auch noch eine „Mexat.“

 

 

 

1823

In diesem Jahre äußerte Lustenau den Wunsch, zwei junge Hebammen ausbilden zu lassen. Es waren dies Franziska Hämmerle und Rosalie Hollenstein. Die Gemeinde trug die Kosten für die Reise nach Innsbruck (12 Kreuzer pro Meile), den Unterhalt (30 Kreuzer pro Tag), die Taxen für die Prüfung, für das Diplom und die Gerätschaften. Im Gemeindearchiv befindet sich noch die Abschrift des Zeugnisses der Franziska Hämmerle, in dem ihr bestätigt wird, daß sie am k.k.Lyzeum in Innsbruck die Vorlesungen über die theoretische und praktische Geburtshilfe fleißig besucht und die Prüfung mit Vorzug bestanden habe.

 

 

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Schwabenkinder

Seit Menschengedenken war es üblich, den Sommer über Kinder als Hütebuben ins Schwabenland zu verdingen. Man hatte einen oder mehrere Esser vom Tisch und im Herbst brachten diese Kinder neben neuen Schuhen oder einem neuen Gewand auch noch im besten Falle einige Gulden mit nach Hause. Mit der rigorosen Durchsetzung der Schulpflicht gab es dabei natürlich vermehrte  Konflikte.

 

Ob aus der Scheffknecht-Familie auch Kinder im Schwabenland waren, wissen wir nicht. Aber denkbar ist es schon. Allerdings gab es neben Johann Georg nur noch zwei Brüder, die dafür eventuell in Frage gekommen wären.

 

 

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Lustenau gilt heute als eine reiche Gemeinde. Daß dem nicht immer so war, geht aus einem Schreiben der Gemeinde an das „Löbl. Gräflich von Waldburg-Zeilsche Landgericht“vom 29.April 1823 hervor. Die Sorge einer Überbevölkerung lastete schwer auf den Verantwortlichen der Gemeinde. Konnten sie den übermäßigen Bevölkerungszuwachs eindämmen? Der Gemeindevorstand sah sich in diesem Schreiben genötigt, alte Rechte vom Gräfl. Landgericht wieder zu erbitten. Die Verehelichung armer Leute sollte eingeschränkt, die Zeugung unehelicher Kinder und begangene Ehebrüche sollten bestraft werden........

Einige Auszüge aus diesem Schreiben des Vorstandes Josef Bösch sollen ein Sittenbild aus vergangenen Tagen etwas aufleuchten lassen. Unser Ur-Ahn Johann-Georg Scheffknecht stand zu dieser Zeit im 10.Lebensjahr:

 

Die Gemeinde Lustenau, durchgehend am Rheinstrom gelegen, besteht aus sieben zusammenhängenden Dörfern und enthält gemäß eines gerichtsherrschaftlichen Situationsplanes 5/12 Quadratmeilen an Flächeninhalt. (Dies entspricht etwa 22,18 km²). Davon gehören den Schweizer Gemeinden Widnau,Schmitter und Mondstein 14oo Jauchert

(1 Juchart=12 Viertel Land=1080 Wiener Quadratklafter=38.84388 Ar)

Lustenau ist ein gemeiner (gewöhnlicher)Bauernort, wo der Unterhalt nur auf den Feldbau zu berechnen ist, weil hier keine permanente Industrialgewerbe bestehen ......

....trifft es jeder der 457 Familien .....

2497 Seelen auf 5/12 Quadratmeilen........

Eine unbeschränkte Bevölkerungszunahme in Lustenau muß daher nach der angeführten Darstellung früher oder später auch die Armut der noch mit einem reinen Vermögen sich aufrechterhaltenden Familien herbeiführen, weil der Boden zum Unterhalt nicht ausreicht und keine unversiegbare Quelle anderer Erwerbszweige in eine sichere Rechnung zu nehmen ist. Es würden mithin nur erwerbslose Karrenzieher oder zigeunerartige Menschen erzeugt werden können, welche bei eigener Unvermögenheit durch Beihilfe der Besseren zum Teil oder ganz erhalten werden müssen. Am Ende aber müßten auch diese Besseren dem Druck der öffentlichen Lasten unterliegen, wenn sie nicht beizeiten eine Auswanderung vorziehen würden. ......

...keine Verehelichung zu gestatten, wenn die Brautleute nicht über den Besitz einer notwendigen Wohung ausweisen können......

So wie sich aus der bisherign Darstellung ergibt ........eine nicht außer Acht zu lassende Quelle derzeitigen die Aufmerksamkeit der geistlichen und weltlichen Behörden auf sich ziehenden Sittenverderbnis in Lustenau liege.

Als Hauptquelle dieses Sittenverderbnisses glaubt man angeben zu können:

   die gänzliche Straflosigkeit der Erzeugung unehelicher Kinder und

  die Straflosigkeit des Ehebruchs.

In der Gemeinde Lustenau wurden in den letzten 10 Jahren (1813 – 1823) sehr viele uneheliche Kinder geboren. Es befinden sich in der Gemeinde dergleichen liederliche Weibspersonen, die 4 bis 5 uneheliche Kinder zur Welt gebracht und mehrere ganz verdorbene Burschen, die in kurzer Zeit bis zu drei uneheliche Kinder erzeugt haben. Auch gibt es unter uns Ehemänner, von denen es allbekannt ist, daß sie schon mehrere Ehebrüche begangen haben.“

 

Diese Geschichte geht noch weiter und werden noch viele Details dargestellt.

Im Heimatbuch VI „Lustenau und seine Geschichte“ kann alles nachgelesen werden.

 

Jedenfalls mündet das Ganze in das Verlangen der Gemeinde Lustenau, daß

*Heiratsbewilligungen nur an solche zu erteilen sind, die einen Grundbesitz oder sonstiges ausreichendes Vermögen nachweisen können

            *“eine Weibsperson“ aus einer anderen Gemeinde nur aufgenommen werden soll, wenn sie mindestens 3oo fl (Gulden)Vermögen besitzt

            *Keinem ein Hausbau oder ein Hauskauf bewilligt wird, der nicht ein Drittel aus eigenem Vermögen zu zahlen vermag

            *Unehelicher Beischlaf soll das erstemal mäßig,in wiederholten Fällen schärfer und ein Mädchen verführen streng bestraft werden.

            *Der Ehebruch wird ebenfalls von amtswegen untersucht und nach den jeweiligen Verhältnissen mit einer Geld, Arrest- oder körperlichen Strafe geandet.

 

Der Schlußsatz des in Auszügen dargestellten Gesuches an die löbliche Obrigkeit möchte ich mit zwei kleinen Ausschnitten darstellen:

 

            „Die gehorsamst gefertigte geistliche und weltliche Vorstehung der Gemeinde Lustenau wagt daher die Bitte: Das löbliche Landgericht wolle diese gewiß begründete Darstellung der Lage der Gemeinde Lustenau gutächtlich höheren Orts einbegleiten......

...durch das eingerissene Sittenverderbnis und durch die den Wohlstand untergrabende Überbevölkerung so sehr bedroht ist, zu retten,.........

Im Vertrauen auf die weise huldvolle k.k.Regierung gewärtigt die ehrfurchtsvollst gefertigte Vorstehung, daß für die in so gefährlicher Lage sich befindliche Gemeinde Lustenau die nötigen nach den höheren Ansichten zweckmäßigsten Maßregelen getroffen und angewendet werden und sieht daher diesen mit froher Zuversicht entgegen.

 

                                   Lustenau, 29ten April 1823   Johann Vogel, Gemeindeausschuss

                                                                                  Josef Bösch, Vorsteher“

Interessanterweise ist dieses Bittgesuch von Pfarrer Rosenlächer als Vertreter der geistlichen Behörde nicht unterfertigt worden. Die Forderungen waren ihm denn doch zu rigoros und nicht mehr in die Zeit passend.

Eine Antwort auf dieses Gesuch wurde jedoch nicht gefunden. 45 Jahre später kamen die ersten Stickmaschinen nach Lustenau und redete niemand mehr von Überbevölkerung.

 

*  * * *

Heute zieht es die Jugend in die Diskotheken. Vor 170 Jahren zog es die Lustenauer Burschen und damit wahrscheinlich auch die Mädchen vor allem in die benachbarte Schweiz. Der Schweizerberg mit seinen kleinen Wirtshäusern war an Sonntagen ein beliebtes Ausflugsziel. „Bernecker“ und „Monsteiner“ war damals sicher noch preiswerter als heute. Kein Wunder, daß eben oft zu tief ins Glas geschaut wurde und aus dem fröhlichen Singen gar oft ein wüster Lärm wurde.

Die Obrigkeiten sahen dieses „Auslaufen in die Schweiz“  nie gerne. Die Pfarrherren Rosenlächer und später Brändle kämpften dagegen, allerdings ohne großen Erfolg.

Wie die weltliche Obrigkeit reagiert, zeigt ein Erlaß des Gräfl. Waldburg Zeil. Landgerichtes vom 8. Mai 1823 an die Ortsvorstehung von Lustenau:

Johann Bösch, Christians Sohne, und Johann Hollenstein, Zimmermanns wurden wegen ihrem jüngsten Besaufen in der Schweiz, Fluchen und Lärmen, weil sie noch nie bestraft waren, mit zweitägigem Arrest auf ihre Kosten bestraft, für die Zukunft aber ernstlich bedroht und gewarnt: Wenn ihre Eltern Staats- oder Gemeindesteuern schuldig sind, diese streng innert 14 Tagen einzutreiben, weil selbe ihre Kinder an Sonn- und Feiertagen nicht zum Nachmittagsgottesdienst anhalten, sondern in der Schweiz eigentlich fremdes Geld verschwelgen lassen, somit Gott nicht geben, was Gottes ist, und dem Kaiser nicht geben, was des Kaisers ist.“

Auch eine Möglichkeit, rückständige Steuern einzutreiben. Großen Erfolg dürften solche Edikte kaum gehabt haben, denn auch in späteren Jahrzehnten wird dieses „Auslaufen“ in die Schweiz immer wieder von der Kanzel aus angeprangert.

In diesen späteren Jahren wird der junge Johann-Georg Scheffknecht sicherlich auch hin und wieder bei solchem „Auslaufen in die Schweiz“ dabei gewesen sein.

 

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Daß Lustenauer Saatvesen (Dinkel) in großen Mengen ins Schwabenland exportiert wurde, dürfte doch allgemein bekannt sein. Weniger bekannt aber ist ein anderer Lustenauer Exportartikel, der allerdings heute in Verruf geraten ist. Dass die Hanfpflanze den Rohstoff für ein Rauschgift (Marihuana) darstellt, haben unsere Vorväter sicher nicht geahnt. Der Hanfanbau scheint aber in früher Zeit eine große Bedeutung für Lustenau gehabt zu haben. Der Hanf diente damals allerdings als Faserlieferant für Seile und Dichtungsmaterial.

So sprach ein Josef-Anton König, genannt „Hanfkönig“, 1826 bei der Gemeindevorstehung vor und brachte an, er sei wegen einer polizeilichen Vergehung vom Landgericht zu 14 Tagen Arrest verurteilt worden. Da er aber mit Hanfhandel sehr beschäftigt sei, da er aber durch den Hanfhandel nicht nur sich, sondern auch der Gemeinde bedeutende Vorteile beibringen könne, so bitte er die Vorstehung, sie wolle ihm beim löblichen Landgericht erwirken, dass ihm seine Arreststrafe in eine Geldstrafe umgewandelt werden möge.

Dieses Dokument zeigt deutlich, dass der Hanfanbau und der Hanfhandel in früheren Zeiten in Lustenau ein bedeutender Wirtschaftszweig waren.

 

 

1824

Rosenlächer-Kirchenchronik: „In diesem Jahr wurden 114 geboren, gestorben sind 17 Erwachsene und 4o Kinder. Brautpaare 12“

 

1826

Vorübergehend bestanden schon in früheren Zeiten Fortbildungsschulen. Die erste errichtete 1826  J. Vetter, bekannt unter dem Namen „Kollekter“, weil er lange Zeit die Lottokollektur besorgte. Er war kein geprüfter Lehrer, hatte sich aber als Autodidakt eine allgemeine Bildung erworben. Seine Schule wurde von solchen besucht, die der Sonntagsschule entwachsen waren. Sie hielt sich aber leider nur drei Jahre.

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NEGRELLI-Karte 1825/1826

Johann-Georg SCHEFFKNECHT   geb. 26.3.1813
Bei Erstellung dieses  „Lustenauer Ortsplanes“ ist Johann-Georg 13 Jahre alt

 

1827

Nach Plänen von Franz Josef Ritter von Gerstner wird die erste Pferdeeisenbahn von der Moldau an die Donau gebaut. Die erste öffentliche Teilstrecke auf dem europäischen Festlande wird am 7. Septemer 1827   Budweis <> Trojerhof eröffnet.

 

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Im Wissen um die Heilkraft des Rheinwassers haben sicher schon sehr früh vor allem Leute ärmerer Kreise ein Bad im Rhein genommen. Nicht immer zur Freude der Obrigkeiten. So hat sich  1827 das hochwürdige General-Vikariat beim Kreisamt beschwert  „gegen das Baden im Rhein und die Unverschämtheit, dass Kinder und Erwachsene öfters nackend bis an die Straße und zu Reisenden kommen.“

Das gräfliche Landgericht Hohenems verlangte von der Ortsvorstehung einen Bericht. Vorsteher Josef Fitz äußerte sich am 8.Juni 1827 wie folgt:

Der Herr Dekan (Rosenlächer) mache vorsichtshalber alle Jahre auf das unverschämte Baden aufmerksam. Soviel der Vorstehung bekannt sei, bestünden in Lustenau keine eigenen Badeplätze. Soviel man aber wisse, würde von einigen Erwachsenen im Staldenbach nächtlicherweise gebadet. Man könnte an dem obbenannten Bach an verschiedenen Orten Badeplätze anweisen, nur sollte das Baden nicht am hellen Tage, sondern abends und unter einiger Aufsicht geschehen. Der Vorstehung sei nicht bekannt, daß und von wem die öffentliche Sittlichkeit verletzt worden wäre.“

Mit seinen 14 Jahren könnte es sehr wohl sein, dass Johann-Georg mit seinen älteren Brüdern in einem der vielen Rheinarme auch gebadet hat. Jedenfalls muss er den Rhein, bzw. die Wasser des Rheins nicht gefürchtet haben. Später sollte sich das dann auch bei seiner Aufgabe als Strommeister bestätigen.

 

1829

Nach einer am 1.8. 1829 von dem Nummeranten Johann Vogel aufgestellten Statistik war die Zahl der Weber in Lustenau inzwischen auf 213 angewachsen. Davon wohnten „116 im Rheindorf, im Gstalden 23, im Holz 21, im Grindel 15, am Wiesenrain 2o, im Weiler 12 und am Haag 6“.

Die Weberei war also in diesen Jahren eine außerordentlich wichtige Verdienstquelle.

 

 

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In diesem Jahre beschwerte sich ein größere Anzahl von Haus- und Familienvätern beim Landgericht über   „....das in unserer Gemeinde an Sonn- und gebothenen Feyertagen von jungem ledigen Volk so übertriebenen Auslaufen in die Schweiz.“ Es würden dadurch die Sonntagsgottesdienste vernachlässigt und versäumt. “Die tagtäglich mehr einreißende Zügellosigkeit nimmt gränzenlos überhand, wodurch Gottes unseres besten Monarchen Gesetze mit Füßen getreten werden.“ Exzesse und nächtliche Ruhestörungen scheinen damals an der Tagesordnung gewesen zu sein. Die Fährleute wurden jedenfalls angewiesen, nach der Polizeistunde niemand mehr über den Rhein zu lassen.

 

1830

Anfangs Jahr hat es im Winter eine wochenlange außergewöhnliche Kälte gegeben. Eine sogenannte „See-Gfrörne“ trat ein. Es konnte nach Berichten mit Ross und Wagen und Glockengeläute über den zugefrorenen Bodensee gefahren werden.

Einer der kältesten Winter aller Zeiten. Monate hindurch stand das Thermometer fast jeden Morgen unter 2o Grad. Vom Lauteracher Ried herüber soll man den Knall der vom Frost zersprengten Obstbäume gehört haben.

Der See war bis Konstanz zugefroren.  Im dem vorhergehenden nassen Sommer hatte man fast keinen Torf gegraben. Es herrschte bitterer Mangel an Brennmaterialien und die Leute mußten in ihren Häusern fast erfrieren.

 

 

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Am 18. Oktober dieses Jahres heiratet die älteste Schwester von Johann Georg, die 26 jährige Maria-Anna mit Johann Hämmerle „Aloisis“ (27 Jahre) Johann Georg war sicherlich mit seinen 17 Jahren noch zu jung, um eventuell Trauzeuge bei seiner Schwester gewesen zu sein.

 

 

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In diesem Jahr gibt es  auch eine Entscheidung auf höchster politischer Ebene, die unsere Heimatgemeinde Lustenau betrifft. In diesem Jahre kommt Lustenau, als eine der letzten Gemeinden des Landes, zum Staate Österreich und damit zur Habsburgermonarchie.Am 22. März fand in der Kanzlei des Patrimonalgerichtes Lustenau in Hohenems die feierliche Übergabe der Amtsgeschäfte und der Akten an den Dornbirner Landgerichtsverwalter statt. Damit hatte sich Lustenau aus einer über 1000-jährigen Tradition gelöst. Seither sind die Geschicke Lustenaus untrennbar mit Vorarlberg und Österreich verbunden.

Vorsteher Josef Fitz gelobte der neuen Herrschaft Treue und Gehorsam. Josef Fitz bat dann aber im nächsten Jahr 1831 infolge immer stärker werdender Opposition gegen ihn um Enthebung von dem „lästigen Vorsteheramt“. Der Adlerwirt Ignaz Hämmerle wurde sein Nachfolger bis 1834.

 

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1830-1832

Kirchenneubau in Lustenau

Die seit  1672 bestehende Pfarrkirche war zu klein geworden. Nach jahrelangen Diskussionen kam es dann zu einem Neubau. Besonders erwähnenswert ist, daß der Plan von Ing. Negrelli, dem späteren Planer des Suezkanals entworfen wurde. Dabei wurde der alte Kirchturm mit Zwiebel-Aufsatz nicht abgebrochen, sondern die neue Kirche zu diesem Turm dazu gebaut. Der wesentliche Betreiber war natürlich wieder Pfarrer Rosenlächer. So ging auch dieser Kirchenbau in die Geschichte als  „Negrelli-Rosenlächer-Kirche“ ein. Es handelte sich um eine dreischiffige Kirche, die durch Säulen getragen wurde. Es gibt auch noch etwas bemerkenswertes zu berichten:  Nach damaligen Brauch wurde der Bauauftrag versteigert. Die Versteigerung lief aber nicht, wer bietet mehr, sondern wer bietet weniger. So kam es im Gasthof „Löwen“ am 18.1.1830 zur Vergabe der Arbeiten an Anton Gmeinder, Zoller an der Achbrücke zu Bregenz um einen Betrag von 9935 Gulden. Hand-, Spann- und Fuhrfronen wurden von der Gemeinde ohne Entgelt besorgt. Trotzdem bleibt offen, wie damals ein so gewaltiger Kirchenbau finanziert wurde ?  Aus dem Kirchenvermögen konnten jedenfalls nur 200 Gulden zugeschossen werden. Ein sehr reicher Altamann, Josef Bösch, hatte fünf Jahre vorher auf seinem Sterbebett einen Betrag von 2000 Gulden für einen Kirchenneubau vermacht. Der Rest mußte dann noch von der Gemeinde und dem Patron (Gräfl. Patronanz Hohenems) beigesteuert werden.

 

Es muß damals eine gewaltige Kraftanstrengung gewesen sein, für die ca. 3000 Einwohner Lustenaus eine so große Kirche zu bauen, die in ihren Außenmaßen auch noch im Jahre 2002

 Bestand hat. Auch die sehr kurze Bauzeit, inkl. des Abbruchs der alten Kirche  ist bemerkenswert.

Am 31. Mai 1830 erfolgte die Ecksteinlegung durch Pfarrer und Dekan Rosenlächer. Den   1.Gottesdienst feierte die Pfarrgemeinde bereits 5 Monate später am 31.Oktober desselben Jahres. Es wurde wohl ein profisorischer Gottesdienst in einer Rohbaukirche abgehalten.

Die Inneneinrichtung muß damals aber noch sehr notdürftig gewesen sein. Erst im Jahre 1831 lieferte Maler Zipper aus Götzis zwei neue Seitenaltäre und die Kanzel. 1831 weihte der Pfarrer den neuangelegten Gottesacker ein. Dieser damals neu angelegte Friedhof entspricht im wesentlichen dem heutigen Pfarrfriedhof St. Peter und Paul.

Aus Mangel an Geld wurde zunächst der alte Hochaltar in der neuen Kirche wieder aufgerichtet und durch den Lustenauer Maler Anton Hämmerle repariert. Im Jahre 1833 stiftete (heute würde man sagen, sponserte ) Pfarrer Rosenlächer ein neues großes Altarblatt (Bild). Der vielbeschäftigte Maler Joh. Kaspar Weiß von Rettenberg i. Allgäu malte diese Kreuzigung. Noch heute ist dieses Bild nach einer großen Restaurierung erhalten geblieben. Es hat einen schönen neuen Platz in der „Kreuzkapelle“ der Pfarrkirche St. Peter und Paul gefunden.

Im Heimatbuch Band I. ist die Baugeschichte in allen Details geschildert und besonders aus heutiger Sicht außerordentlich interessant. Auch die genauen Baupläne der alten Kirche von 1672 und der neuen Negrelli-Rosenlächerkirche von 1830 sind noch vollständig erhalten und im Heimatbuch Band I dargestellt.

Diese Negrelli-Kirche steht nach radikalen Umbauten von 1872-1875  und in den Jahren

1951-1954 sowie nach neuestem Umbau 1990-1991 heute noch auf und in den Mauern von 1830. Der heutige Turm mit Spitzhelm entstand durch einen Umbau in den Jahren 1959-1960.

 

In diesen zwei Jahren Bauzeit wird unser Johann-Georg in seinem jugendlichen Alter von 17 bis 19 Jahren sicherlich wohl oft den Bauleuten auf die Finger geschaut haben. Sein Interesse fürs Bauen muß gerade an dieser Groß-Baustelle und in seinem Alter enorm gewesen sein. Es ist sehr wohl möglich, dass hier die Grundsteine für sein späteres Berufsleben, als Geometer und Tiefbauunterneh, gelegt wurden.

 

1830

Kaiserwuhr Um das Jahr 1830 hat das allerhöchste Ärar die Wuhrung am Rhein von Bangs bis Gaissau übernommen, wodurch der Gemeind eine große Last abgenommen worden ist, denn, statt dass früher die Gemeinde Holzr und Steine zahlen musste, kann jetzt jeder Arbeiter täglich doch 24 Kreuzer verdienen.“ So schreibt Rosenlächer in der Kirchenchronik. Diese Wuhrungen wurden also vom Staat ( = Ärar) ab diesem Zeitpunt finanziert. Heute noch stehen große Teile dieser Wuhmauer, aus festen Steinen gefügt, auf Lustenauer Gemeindegebiet am Alten Rhein. Weil sozusagen der Kaiser diese Rheinwuhrung finanzierte, wurde im Lustenauer Volksmund künftig immer vom Kaiserwuhr gesprochen.

 

1831

Seine kürzlich mit Johann Hämmerle „Aloisis“ verheiratete Schwester Maria-Anna bringt am 8. August 1831 einen Sohn auf die Welt, der Ludwig getauft wird. Dies wird das einzige Kind des Ehepaares Scheffknecht-Hämmerle bleiben, da Maria-Anna bereits ein Jahr später mit 28 Jahren stirbt.

Ludwig heiratet dann später mit einer Aloisia Vogel aus H.No.4o8  und hat auch Nachkommen.

 

1832

Johann-Georg Scheffknecht steht nun im 19. Lebensjahr. Am 18. September dieses Jahres stirbt seine jung verheiratete Schwester Maria-Anna Hämmerle, geb.Scheffknecht im Alter von 28 Jahren. Ihr Gatte und nunmehrige Witwer Johann Hämmerle „Aloisis“ steht nun mit einem einjährigen Sohn allein da.

 

Aber bereits im November dieses Jahres findet er wieder eine sehr jugendliche Gattin und heiratet die 19-jährige Anna-Maria-Riedmann (* 2.2.1813 + 14.10.1870).

Die Hochzeit findet am 19. November statt. Die jugendliche Braut mußte nun die mütterliche Obsorge für den kleinen Ludwig übernehmen, dem ja die Mutter kürzlich verstorben ist. 

In der Ehe des Johann Hämmerle „Aloisis“ (*26.1.1803 + 6.1.1858) und der Anna-Maria Riedmann werden dann in den nächsten 20 Jahren 11 Kinder geboren. Allerdings sterben davon 6 bereits als Kleinkinder. Fünf Kinder aber heiraten alle und haben auch weitere Nachkommen.

Schwager Johann lebt in dieser Ehe noch 26 Jahre mit Anna-Maria und stirbt am 6.1.1858.

 

 

* * * *

Nur einen Monat später, am 15. Oktober stirbt auch die ledige Schwester Maria-Josefa im Alter von nur 23 Jahren.

Welche Krankheiten mögen damals diese jugendlichen Frauen zum frühen Sterben geführt haben?

Darüber gibt es keine Aufzeichnungen. Es können sicherlich auch Krankheiten gewesen sein, über die man heute in einigen Tagen hinweg geht. Ein Blinddarm, eine Blutvergiftung u.ä. konnten in jener Zeit den absoluten Tod bedeuten.

 

 

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Am Gallustag  den 16. Okt. 1832 erfolgte die feierliche Weihe der Kirche durch Weihbischof Joh.Nepomuk von Tschiderer von Feldkirch, der als Bischof von Trient im Rufe der Heiligkeit 186o starb.

 

1833

In den letzten Lebensjahren des Pfarrer Rosenlächer gab es ein ständiges Kommen und Gehen bei seinen Frühmessern. Nachdem Hans Jakob Brändle im Jahre 1826 nach 7 Jahren in Lustenau seine Frühmesspfründe verließ, kamen als Frühmesser ein Josef Fitz (1826-1828)), ein Jakob ? (1829)) und ein Lorenz ? (1830-1833).

Es müssen dies einige ganz besondere „Typen“ gewesen sein, sind doch in den Pfarrbüchern bei zweien nicht einmal die vollständigen Namen festgehalten worden.

Dann endlich im Jahre 1833 gab es eine gute Lösung. Johann Baptist Rein wurde Frühmesser in Lustenau und blieb dies auch während der kommenden 19 Jahre.

 

 

* * * *

Alle drei  Jahre fanden die militärischen Stellungen der 20-24 jährigen Burschen statt. Das war früher unter dem Namen „Spielrollerleben“ bekannt. Die Rekrutierungspraxis der k.k.Armee verlangte für das Rekrutenkontingent Tirol und Vorarlberg 2400 Wehrmänner.

Jeder wehrfähige junge Mann musste damals ein Los ziehen. Über die Stellung entschied die Losreihe bzw. Losnummer. Die niedrigsten Nummern mussten dann auch tatsächlich zum Militär und zwar auf eine Dienstzeit von acht Jahren!! Wer also beim „Spielen“  Glück hatte, war lediglich Landsturmreservist und hatte lediglich mit der Einberufung zu Waffenübungen zu rechnen. Erst das Wehrgesetz im Jahre 1868 organisierte auch das Ergänzungs- und Rekrutierungswesen neu. Mit der Einführung der allgemeinenWehrpflicht betrug die einheitliche Dienstpflicht nach 1868 drei Jahre. Auch Johann-Georg mit seinen 2o Jahren wird mit anderen Lustenauer Burschen mit einem „Zinzliwago“ nach Dornbirn zur Musterung gefahren sein. Das sogenannte „Spiilroller-Läobo“ wird sicherlich eine spannende Sache gewesen sein, denn eine mögliche Einberufung für acht Jahre zum Militär bedeutete eine völlige Lebensveränderung. Man muss allerdings dazu sagen, dass es in Lustenau immer sehr wenige getroffen hat.

Bis zum Jahre 1882 mußten die Rekruten, die das Los getroffen hatte, zu Fuß über den Arlberg nach Innsbruck einrücken. Dazu benötigten sie gewöhnlich 4 bis 5 Tage. Die jungen Burschen sollen es aber sehr gemütlich gehabt haben; ein alter Lustenauer behauptet sogar, es wären die schönsten Tage seines Lebens gewesen.

 

1834

Am Montag den 3o. Juni dieses Jahres heiratet die Schwester Anna-Maria mit 29 Jahren den Thomas  Bösch „Munsars“, er im 32. Lebensjahre steht. Dieses Paar hat in Ihrer Ehe dann später 6 Kinder, wovon 3 wiederum Nachkommen haben werden. Johann-Georg stand mit seinen 21 Jahren im besten Mannesalter und wird wohl bei dieser Hochzeitsfeier manchem Mädchen schöne Augen gemacht haben. Er muß schon in jungen Jahren ein „stattliches Mannsbild“ gewesen sein, zeigen doch Bilder von Johann-Georg in  wesentlich späteren Jahren einen noblen und vornehmen Mann.

 

Der Vulgoname der „Munsar“ hat einen historischen Hintergrund, da in der alten Agrargemeinde Lustenau eigene Mäusefänger angestellt waren. Die Lustenauer aber sagen zur Maus seit altersher eben „Muns“. Im Jahre 1830 zahlte die Gemeinde den „Munsern“ für jeden Mäuseschwanz 2 Kreuzer. Es gab also schon damals eine Art Landwirtschaftsförderung durch die öffentliche Hand. Ein Paul Vetter lieferte jedenfalls in diesem Jahre (1830) 1623 Schwänze ab und erhielt 54 Gulden 6 Kreuzer ausbezahlt. Franz Josef Bösch kassierte für 1861 Schwänze 62 Gulden 2 Kreuzer. Ein Jahr darauf (1831) muss es trotz der Fangergebnisse von 1830 eine wahre Explosion der Mäusepopulation gegeben haben. Vetter lieferte 7143 (!!) Stück und Bösch  3208 Stück ab. Die Gemeindekasse hatte dafür 345 Gulden zu berappen. Die Gemeinderevision stellte fest, dass die Mäusezahl über die Maßen gestiegen sei. Man wolle zwar den aufgestellten Mäusefängern keinen Betrug vorwerfen, beantragte aber trotzdem die Entlassung. Daraufhin wurde beschlossen, bis auf weiteres keine Mäusefänger auf Gemeindekosten mehr anzustellen.  Dieser Beschluss hielt aber nicht lange an, den bereits 1833 bezahlt die Gemeinde auf fünf Mäusefänger 125 Gulden. Die Mäuseplage dürfte demnach wieder auf ein Normalmaß zurückgegangen sein. Ob die zwei alten „Munsar“ wieder mit von der Partie waren, ist nicht vermerkt. Geblieben aber ist die Sippe der „Munsar“.

 

 

* * * *

Die Bürger waren mit dem vor drei Jahren gewählten Vorstand, Ignaz Hämmerle, Adlerwirt, nun auch nicht mehr zufrieden und verlangten eine Vorsteherwahl. Die Überraschung aber war dann perfekt: Von 43o Abstimmenden wählten 222 den Altgemeindevorstand Josef Fitz wieder zum Vorsteher. Dieser wurde dann in den folgenden 4 Wahlgängen (1837,1841,1844 und 1847) immer wieder gewählt. Erst im Jahre 1860 resignierte Josef Fitz.

 

1835

Am 30. Juni muß für die ganze Gemeinde wohl ein trauriger Tag gewesen sein. Pfarrer Rosenlächer, seit 35 Jahren in Lustenau, stirbt im 78. Lebensjahr. Auf einem Versehgang in den Stalden, sicherlich mit Ministrant und Glockenbegleitung wird er im oberen Stalden von einem tödlichen Schlaganfall getroffen. Zur Erinnerung an dieses Geschehen steht noch heute an diesem Platze bei „Burlis“ (Staldenstrasse No.6) ein sehr schönes „Bildstöckli“.

Im kurzen Rückblick hat Pfr. Rosenlächer auch für die einfachen Lustenauer ziemlich einiges im kirchlichen, aber auch im weltlichen Dorf-Leben verändert:

Bevor der gebürtige Konstanzer Rosenlächer im Jahre 1801 nach Lustenau bestellt wurde, war er neun Jahre lang der Erzieher des hohenemsischen Erbprinzen Franz Karl von Waldburg-Zeil auf Schloß Zeil (heutiges Würthemberg). Daher stammten wohl auch seine guten Beziehungen zu den Grafen von Hohenems. Kurz nach seinem Einzug in Lustenau (1801) schaffte er die Mitternachtsmette ab, ließ auf den Karfreitag des Jahres 1802 das „theatermäßige“ und für die ohnehin zu kleine Pfarrkirche zu große Heilige Grab verkleinern und auf den Hochaltar setzen. Aber im Jahre 1801 führte Rosenlächer auch die bis heute beliebten Rorate-Ämter in der Adventzeit ein. Zuvor waren viele Lustenauer nach St.Johann-Höchst ins Rorate gegangen. Diese weiten Wegen wurden natürlich alle zu Fuß bewältigt.  Auf Weihnachten dieses Jahres stellte er eine neue Krippe auf, da die altersschwachen Figuren und Vorstellungen von den Mäusen fast zerstört worden waren, und ersetzte sie durch schöne, die Geburt Jesu und die drei Könige darstellende Gemälde des Wangener Kunstmalers Jakob König.

Aus Zeil schaffte er für Prozessionen zwei neue Kirchenlaternen an, beförderte (förderte) nach und nach den allgemeinen, so schönen und erbaulichen deutschen Kirchengesang und verlegte (1809) die Erstkommunion von Ostern auf den Weißen Sonntag.

 

Dieser Pfarrherr war in seiner Zeit eine die Zukunft Lustenaus wesentlich mitgestaltende und auch prägende Persönlichkeit. Rosenlächer war für die damalige Zeit ein sehr gelehrter Mann, den er schrieb nicht weniger als 8 Bücher, meist religiösen Charakters. Dem Begräbnis wohnten 22 geistliche Herren und eine unabsehbare Menge Volk bei. Zudem gab dem Toten eine Eskadron Erzherzog-Toscana-Dragoner unter Führung eines Rittmeisters das Ehrengeleite. Im Sommer des Jahres 1835 wird wohl beinahe jeder Lustenauer und jede  Lustenauerin auf dem Friedhof von St. Peter und Paul gestanden haben.

 

Schon sieben Jahre war Hans Jakob Brändle (1819 – 1826) Frühmesser in Lustenau. Nach dem Tode Rosenlächers wurde er zum Pfarrer in der rund 3000 Seelengemeinde Lustenau bestellt.

Jakob Brändle war ein Altacher, der dort im Jahre 1791 geboren wurde. Mit 44 Jahren also wurde er nun Pfarrer in Lustenau. Es muß wieder eine gute Wahl gewesen sein. Pfarrer Brändle blieb jedenfalls seinen Lustenauern bis zu seinem Tode im Jahre 1869 treu. Er war damit 34 Jahre Pfarrer in unserer Gemeinde. Lustenau hatte also innert 69 Jahren nur zwei einzige Pfarrherren, Franz-Josef Rosenlächer und Hans-Jakob Brändle.

 

 

* * * *

Nach der anstrengenden und aufregenden Ernte und Herbstarbeit, am Montag den 26. Oktober dieses Jahres, heiratet der Älteste im Hause Scheffknecht, der 32-jährige Bruder Anton  mit der 48-jährigen Witwe Maria-Anna-Sophia Alge. Die Witwe Alge war bereits in I.Ehe mit Hans-Bartholomäus Bösch verheiratet. Dieser ist in diesem Jahre, am 29.Mai 1835 verstorben. Nach nur fünf Monaten Trauerzeit heiratete die Witwe Alge also wieder mit dem ältesten Bruder von Johann-Georg. Die Witwe Alge bringt in diese II.Ehe eine 9 jährige Tochter, Maria-Josefa geb. am 26. Oktober 1826 mit. Diese Tochter wird dann später als Erwachsene auch heiraten und hat auch Nachkommen.

In dieser II.Ehe wird Anton 76 Jahre alt und lebt nach dieser Heirat noch 45 Jahre. Seine angetraute Gattin, die Witwe Maria-Anna-Sophia Alge wird 61 Jahre, und lebt noch 14 Jahre gemeinsam mit Anton Scheffknecht. Aus dieser Ehe sind aber keine Kinder mehr gekommen.

 

 

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Ein in den Akten des V.L.A. erhaltenes Fabrikatenverzeichnis gibt uns einen guten Querschnitt in die Zahl der 1835 in Lustenau in der Weberei und Stickerei beschäftigten Arbeiter.

Weberei: Gebhard Fitz, ein solider, ruhiger, Österreich gut gesinnter Fabrikant, beschäftigte 112, Anton Alge,“Michls“, 22 und der Krämer Anton Alge 31 Arbeiter; Stickerei: Xaver Fitz 213 Arbeiter.

Der Vorsteher Josef Fitz (Samas) war damals einer der größten Bauern im Rheindorf. Sein Haus stand an der Stelle des heutigen Hauses Mar.-Ther.-Str.94 (Dr. Otto Hämmerle)

 

 

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Ursprünglich bestanden die Rieder aus Gesträuch, Tümpeln und Streuegründen. Im Lauf der Zeit wurden die meisten ausgeholzt und zum gemeinsamen Viehtrieb verwendet. Mit der Bevölkerungszunahme wurden sie nach und nach in Ackerland verwandelt. Die Bauern waren aber nicht Besitzer, sondern Erbpächter. Dieses Stück Land ging nach dem Tode der Eltern an

 

den jüngsten Sohn über. Waren in der Familie noch ältere Söhne, so erhielten sie aus dem noch unverteilten Grund einen Teil zugewiesen, sobald sie heirateten. Dies ging nur solange, bis aller Gemeindegrund verteilt war. Es gab nun immer mehr, die keinen Teil mehr bekamen, und ihre Zahl wuchs von Jahr zu Jahr. Damals wurde zum erstenmal die Forderung erhoben, die Gründe als Eigentum an alle Bewohner gleichmäßig zu verteilen. Es entstand eine Partei der „Teiler“, deren Führer Alois Kremmel, Josef Vetter, Glaser und Anton Scheffknecht „Rüttibürler“ waren. Der Vater von Johann-Georg war also ein führender Kopf dieser Teilungsbefürworter. Es dauerte aber noch bis 1835, als es dann endgültig unter Amann Josef Fitz  zur historischen Riedteilung kommt und die Gründe nach folgenden Grundsätzen verteilt wurden:

            1.Teilung nach Kopfzahl, nicht nach Familienzahl

            2.Der Grund wird freies Eigentum der Beteiligten

3.Die Teile werden eingeschätzt, jeder Bürger erhält an Bodenwert, was ihm zukommt, oder den entsprechenden Geldbetrag.

4.Wer einen Teil bisher schon innehatte, kann ihn behalten, muss aber den Mehrwert bar entrichten.

 

 

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Kreishauptmann Ebner berichtete 1835 von Fortschritten, die die Weberei in Lustenau gemacht habe. Die Lustenauer Handweberei muss damals ziemlich bedeutend gewesen sein. In seiner Statistik der Provinz Vorarlberg bemerkte Ebner sieben Jahre später, 1842, der Ackerbau sei hier sehr blühend, aber die Baumwollweberei sei der vorzüglichste Verdienst aus der inländischen Fabrikation. Das beweist, daß für Lustenau schon damals, als die Gemeinde erst 3100 Einwohner zählte, die Hausweberei eine wichtige Erwerbsquelle war. Als aber runde 20-25 Jahre später die mechanische Weberei aufkam, gab es für die Lustenauer Handweber bald keine Beschäftigung mehr.

 

1836

Kreishauptmann Ebner stellt den Gemeinden des Gerichtsbezirkes Dornbirn das Zeugnis aus, daß die Gemeindestraßen hier im besten Zustande von allen Gemeinden Vorarlbergs seien.

Die Straße Götzis-Lustenau-Höchst-Fußach-Hard-Lauterach wurde in den Jahren 1771/72 gebaut. Sie bedeutete einen großen Fortschritt und verdiente den stolzen Namen Post- und Kommerzialstraße. Mit dem Bau der Straße von Götzis nach Lustenau war Vorarlberg im Straßenbau den Nachbarn über dem Rhein voraus. Reisende auf der Schweizer Seite vom  Bodensee kommend setzten damals oft bei Lustenau über, um auf der neuen Straße bequemer und rascher Richtung Feldkirch und Chur voranzukommen.

 

1837

In der Kirchchronik steht: „Im Jahre 1837 erreichte Lustenau die Einwohnerzahl 3000 und zwar 1435 männl. Geschlechts und 1565 weibl. Geschlechts. In diesem Jahre wurdne in Lustenau 20 neue Häuser gebaut und zwar die H.Nr. 448 bis 467.“

 

1838

In der Kirchenchronik von Rosenlächer steht wieder der Jahresbericht wie folgt:

„Es wurden 120 Kinder geboren, 126 Personen starben, davon 80 Kinder; 23 Ehen wurden geschlossen. In diesem Jahr wurden 25 Häuser gebaut.“

 

1839

Im Frühjahr, am 26. März dieses Jahres stirbt Vater Anton-Josef Scheffknecht im Alter von 63 Jahren. Er hinterläßt seine in II.Ehe angetraute Gattin Maria-Josefa Alge, die im 6l. Lebensjahre steht. In dieser zweiten Ehe war Vater Anton-Josef 17 Jahre verheiratet.  Noch drei unverheiratete Kinder, Maria-Kreszentia (32 Jahre), Sinesius (29 Jahre) und Johann-Georg ( 26 Jahre) sind im elterlichen Hause.

 

 

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Im Sommer dieses Jahres kommt es zu einem großen Fährenunglück im Rhein. Dieses Ereignis hat auch einen sehr persönlichen Bezug zur Familie von Johann-Georg Scheffknecht, allerdings erst 33 Jahre später. Doch davon später.

Wie eine Lustenauer Chronik berichtet, ereignete sich am 15. Juli 1839 gegen 5 Uhr nachmittags auf dem Rhein ein Schiffbruch. Damals gab es noch keine Rheinbrücke zwischen dem Bodensee und Liechtenstein, sodaß man den Fluß auf Fähren übersetzen mußte. Eine Fähre auf der Schweizer Seite, mit drei leeren Wagen beladen, bei denen sich 8 bis 9 Pferde, ein Ochs und 16 bis 18 Personen befanden, wollten den Rhein übersetzen und wurden von den Fähren-Führern vom Lande aus gesteuert. Die Pferde und einige Personen befanden sich im vorderen Teil der Fähre, sodaß sie immer mehr Kraft aufwenden mußten, um die Fähre zu halten. Da tauchte der vordere Schiffsteil ins Wasser, die Fähre wurde hinten hochgehoben und kippte um, so daß alles ins Wasser fiel. Wohl eilten auf die gellenden Hilferufe zahlreiche Menschen daher, aber niemand konnte Hilfe bringen. Händeringend mußten sie dem Untergang der Verunglückten zusehen. Das Geschrei der Unglücklichen wurde auch im Rheindorf gehört, so daß die Menschen zum Rhein eilten, um zu sehen was geschehen sei. Der Bauer Johann Bösch, "Krestar",  der 12 Jahre Soldat gewesen war, arbeitete im benachbarten Rheinfeld, hörte den Lärm, lief herbei, machte einen kleinen Kahn los und konnte alle bis auf drei Personen retten. Die Fähren Sieber und Nold waren schon in den Wellen verschwunden und eine Magd, die sich an der Koppelung der beiden Pferde über Wasser zu halten versuchte, ertrank samt den beiden Tieren. Der mutige Retter kam zu hohen Ehren, erhielt eine kaiserliche Auszeichnung  nebst einer bedeutenden Geldsumme, die ihm in Anwesenheit der gesamten Schuljugend und einer großen Volksmenge überreicht wurde.

Und dieser mutige Lebensretter Johann Bösch war der Vater der ersten Gattin des August Scheffknecht, der Maria-Anna Bösch (24.7.1848-14.6.1880)und der  zweiten Gattin des Erwin Scheffknecht, der Anna-Maria Bösch. (*8.4.1851 +13.8.1943) Der Lebensretter Johann Bösch ist damit aber auch der Großvater der Kunstmalerin Stefanie Hollenstein.

 

 

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Aber noch im gleichen Jahr, im September, gibt es im HauseAnton SCHEFFKNECHT  gleich dreimal  Hochzeit.  Damit ziehen dann alle Kinder aus der „Hômat us“. Mutter bzw.Stiefmutter Maria-Katharina steht im Alter von 63 Jahren. Nach nur 2 ½ Jahren Alleinsein stirbt dann auch sie am 25. Oktober 1841.

Öfters hört man doch den Ausspruch...“das hätte es früher nicht gegeben!“ Aber bei genauer Betrachtung hat es auch früher Ereignisse gegeben, die nicht unbedingt in der üblichen Norm lagen. Im Hause Scheffknecht jedenfalls gab es in diesem Jahre innerhalb von rund 6 Monaten, das Begräbnis eines Vaters und die Hochzeiten dreier seiner Kinder.

 

Bereits am Montag den 9. September heiratet die einzige noch im Hause lebende und jüngste der Töchter, Maria-Kreszentia  (32 Jahre) einen „Guger“, den Franz-Josef Vetter. Dieser steht im 35. Lebensjahr. Die Heimat des „Guger“ war das Haus No. 43 im Stalden. Später werden diesem Paar 8 Kinder geboren, wovon 4 Kinder wieder Nachkommen hatten.

 

Nur drei Wochen später am Montag den 3o. Sepember ist im Hause Scheffknecht eine Doppelhochzeit angesagt. Die beiden Jüngsten, Sinesius und der Jüngste Johann-Georg heiraten am gleichen Tage.

Der 29-jährige Sinesius Scheffknecht heiratet mit Anna-Maria Kremmel, die im            23. Lebensjahre steht. Alle Nachkommen nach diesem Sinesius Scheffknecht sind die noch heute so benannten „Sineser“ geworden.Vor über 160 Jahren laufen also die Fäden unserer Verwandtschaft der Scheffknechtler mit der großen Verwandtschaft der heutigen „Sineser“ zusammen. Die „Sineser“ heißen ja auch heute noch zumindest in den männlichen Linien  -Scheffknecht. Unser aller Stammvater Johann-Georg und der Stammvater und Namensgeber der „Sineser“, Sinesius Scheffknecht, sind also zwei Brüder gewesen.

 

Aber auch der 26 jährige Johann-Georg Scheffknecht heiratet an diesem Tage mit der 26 jährigen  „Nannis-Sepperin“ Maria-Magdalena Alge. Unser aller Stammvater begründet mit diesem Schritte unsere gesamte Sippe.  In dieser Ehe hatte dann Johann-Georg drei Söhne. Der Erstgeborene starb bereits als Kleinkind, sein zweiter Erwin lebte nur 33 Jahre und hatte ein tragisches Lebensschicksal. Er hatte nur eine Tochter, die aber mit 1 ¾ Jahren auch gestorben ist. Der dritte Sohn, August wird später in zwei Ehen 6 Kinder mit Nachkommen haben. Wir alle stammen also von Johann-Georg, bzw. seinem Sohn August, bzw. seinen 6 Kindern ab.

 

Nach heutigem Stammbaumstand (2002) gibt es folgende direkte Nachkommen nach

Johann-Georg SCHEFFKNECHT:

            3 Kinder, davon nur August Scheffknecht mit 6 direkten Nachkommen

            6 Enkelkinder

            28    Ur-Enkel

            65    Ur-Ur-Enkel

            114  Ur-Ur-Ur-Enkel

            81    Ur-Ur-Ur-Ur Enkel

            3      Ur-Ur-Ur-Ur-Ur Enkel

Insgesamt gibt es nach heutigem Stand 302 direkte Nachkommen nach Johann-Georg.

Es ist nicht auszudenken, wenn unser Johann-Georg z.B. die geistliche Laufbahn eines Pfarrherrn, oder das beschauliche Leben eines Mönchs z.B. im Kloster Mehrerau eingeschlagen hätte! Uns alle würde es heute einfach nicht geben !!!

 

 

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Im Jahre 1839 wird in Schoppernau im hinteren Bregenzerwald ein Mann namens Franz-Michel Felder geboren. Später wird er dann der heute sehr bekannte sozial-kritische Schriftsteller Franz Michel Felder. Er hinterläßt eine Fülle von Schriften, die im Landesarchiv in einem eigenen Franz-Michel Felder Archiv aufbewahrt werden. Er hat Zeit seines Lebens viele Anfeindungen zu erleben. Er stirbt auch sehr jung mit 3o Jahren bereits im Jahr 1869.

 

 

1840

Bereits 10 Monate nach der Hochzeit wird der erste Sohn Erwin am 5. August geboren. Es gab aber für die beiden jungverheirateten Eheleute nur eine sehr kurze Freude. Bereits 2o Tage später stirbt der kleine Erwin (+ 25.8.1840) –

(Stammbaumblatt U-2) 

 

 

            Lustenau um 1840

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

            Aquarell von Caspar Obach–Original im Schloß Zeil,Leutkirch (Süddeutschland)

            Loretto-Kapelle mit Bildstöckli –Bis heute, im Jahre 2002, erhalten geblieben.

            Im Hintergrund die neue Rosenlächer-Negrellikirche (erbaut 1830-32)

                        Dazwischen lagen große Äcker und Wiesen. Man konnte also von der

                        Lorettokapelle bis zur Pfarrkirche sehen!

                                   Und heute.....?

1841

Seit 2 ½ Jahren ist die Stiefmutter von Johann- Georg, Maria-Josefa allein. Ihr Gatte, der Vater von Johann-Georg ist im März 1839 gestorben und alle Kinder haben zwischenzeitlich geheiratet und eigene Familien begründet. Im Herbst des Jahres, am 25. Oktober stirbt die Mutter, bzw. Stiefmutter Maria-Josefa Alge. Sie steht im 65. Lebensjahr. Sie hatte mit der Heirat des Witwers mit 7 Kindern wohl eine schwere Aufgabe übernommen. Sie muß aber eine sehr tüchtige Frau gewesen sein, sind doch alle Kinder in den Jahren prächtig herangewachsen. Alle diese erwachsenen Stiefkinder heirateten „gstand`ne Luschnouar“; „Aloisiar“, “Munsar“ und an „Gugar“. Während 19 Jahren war sie allen sicherlich eine gute Mutter. Auch die Enkel werden die Großmutter geliebt haben. Allerdings waren es noch sehr kleine Enkel, stirbt die Großmutter Maria-Josefa doch bereits 7 Jahre nach der ersten Hochzeit eines Kindes. Es war dies Tochter Anna-Maria, die mit dem „Munsar“ Thomas Bösch geheiratet hatte.


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Es soll noch darauf verwiesen werden, daß in diesen Jahren, die Frauen bei der Heirat ihre angeborenen Namen oft behalten haben. Eine geborene Alge z.B. blieb ein Leben lang auch dann die Maria-Josefa Alge! Emanzipation vor 150 Jahren ?

Hinweise auf diese Gebräuche gibt es in den Pfarraufzeichnungen. Aber auch die beiden im Jahre 1859 gemalten Original-Ölbilder-Porträts von Johann-Georg und seiner Gattin Magdalena Alge sind Zeugnis für diese Namensbeibehaltungen. Doch darüber dann bei der Beschreibung der Bilder im Jahre 1859.

 

 

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Im Sommer 1841 wurde in der Rheindorfer-Schule das erstemal auch Sommerschule gehalten. Bis dahin wurde nur im Winter unterrichtet. Die Kinder mußten während der anderen Jahreszeit in den bäuerlichen Landwirtschaften mitarbeiten.

 

1842

Im Frühling des Jahres 1842, am 10. April,  wird der zweite Sohn der Eheleute Johann-Georg und Maria-Magdalena geboren. Der Erstgeborene, Erwin getauft, war ja vor 1 ¾ Jahren bereits im Alter von 2o Tagen gestorben.

Wie damals oft üblich wurde nun der zweite Sohn wieder auf den Namen Erwin getauft. Die Tauffeier war sicherlich auch damals ein freudiges Familienfest. In der großen neuen, erst vor 1o  Jahren erbauten Pfarrkirche wird wohl Pfarrer Hans Jakob Brändle (1835 bis 1869 Pfarrer in Lustenau) oder sein Frühmesser Johann Baptist Rein (Frühmesser in Lustenau von 1833 bis 1852) das  Sakrament der Taufe dem kleinen Erwin gespendet haben.

(Stammbaumblatt –U-2)

Wie verlief eigentlich in diesen Jahren „A Luschnouar Töüffi“?

Die Taufe fand üblicherweise unmittelbar nach der Geburt des Kindes statt. In der Regel war der Geburtstag und der Tauftag der Gleiche. „Götti“ (Pate) und „Gotta“ (Patin) holten den Täufling bei der Mutter ab. Die Patin trug das Kind im Taufkissen zur Kirche. Wahrlich ein ziemlicher Fußweg vom Rheindorf in die Pfarrkirche St. Peter und Paul. Vor dem Weggehen fragten sie: „ Was sollen wir bringen?“ worauf Vater und Mutter zur Antwort gaben: „An goutö Chrischt“. In Lustenau war es damals Sitte, dass man bei der Namensgebung die Tauf-paten, die Eltern und die Großeltern „verehrte“. In manchen Fällen gab man dem Kind auch den Namen des Kalenderheiligen, dessen Fest auf den Geburtstag fiel. So kam es auch zu manch ausgefallenen Namen, die wohl oft auch in einem „Übernamen“ fortlebten. (z.B.Batistens, Brosis, Diesers, Donisis usw.) In den allermeisten Fällen erhielt das erstgeborene Kind den Namen des Götti oder der Gotta. Nach der Taufe nahm man den kleinen Erdenbürger mit in ein Gasthaus, wo der Götti für einen guten Taufschmaus aufkommen musste, an dem auch die Hebamme, aber niemals der Vater teilnehmen durfte. Der Taufschmaus, zum dem in den meisten Fällen auch der geistliche Herr eingeladen wurde, bestand aus Kaffee und Gugelhupf. Der erste Gang jeder Mutter nach der Geburt war zum „Us-Seagna“ in die Kirche.

Die Taufpaten übernahmen nebst  den geistlichen Pflichten  auch die eine, den Patenkindern bis zu ihrer Ausschulung an Neujahr und Ostern einen Eierzopf zu schenken.

 

1843

Nüner-Kanal. Rosenlächer schreibt in der Kirchenchronik: Im Jahre 1843 wurde der Canal im Rieth gegraben. Er brachte den Feldern im Rieth großen Vortheil, vorzüglich sind die sogenannten Neuner-Theil ganz entwässert worden und haben im Jahre 1846 eine ausgiebige Ernte ergeben.“

 

1845

Am 7. Juli dieses Jahres wird der dritte Sohn der Eheleute Johann-Georg Scheffknecht und seiner Gattin Maria-Magdalena Alge geboren. Er wird auf den Namen AUGUST getauft. Es ist das einzige Kind des Johann-Georg, das später wieder Nachkommen haben wird.

AUGUST SCHEFFKNECHT ist damit der Stammvater unserer SCHEFFKNECHTLER-Sippe. Mutter Maria-Magdalena ist bei der Geburt im                   31. Lebensjahr, ihr Gatte Johann-Georg und Vater von AUGUST ist ein halbes Jahr älter.

(Stammbaumblatt U-2 und U-3 Seite 1+2)

 

 

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Eines der ältesten Wirtshäuser im Stalden war der „Der Grüne Baum“. Ein respektabel großes Haus, in dem sogar Theater gespielt wurde. In die Jahre gekommen, wurde die Gastwirtschaft später geschlossen, beherbergte später eine Reihe von Mietsparteien. Am      

 

9. Juni 1926 fiel sie einer Feuersbrunst zum Opfer. Im Jahre 1845 war die Schweizer Nachbarschaft recht rebellisch. Die Grenze wurde daher stärker bewacht und es kam Militär nach Vorarlberg.

Pfarrer Brändle, der Nachfolger Rosenlächers, schreibt in seiner Pfarrchronik:

Die Soldaten kommen nun, offenbar von Bregenz her auch nach Lustenau in die Wirtschaft “Zum Grünen Baum“, wo sie nicht das beste Beispiel gaben. Nebst fremden Mädchen kamen auch solche aus dem Stalden dorthin, wo sie sich am Polka-Tanz und was der Teufel alles mit sich führt, weidlich tun. Da die Wirtin, eine gewinnsüchtige Caneille, eine Verwandte des Capo Commune (Bürgermeister) ist, schreitet die Polizei nicht ein.“

Es ist anzunehmen, daß auch im späteren Revolutionsjahr 1848 die in Lustenau einquartierten Soldaten den „Grünen Baum“ frequentierten. Auch eine Abteilung des Regiments „Wellington“ mag viel Unruhe in die Gemeinde gebracht haben. Doch davon etwas später.

 

1846

Die Rückkehr aus der bayrischen Hoheit über Vorarlberg zum Hause Habsburg-Österreich brachte auch eine starke Belebung des Schützenwesens. In diesem Jahre wurde, wie auch im Nachbarort Hohenems, in Lustenau eine Schützengilde gegründet. Während der Regierungszeit von Kaiser Franz-Joseph (1848-1916) wurde das Schützenwesen durch staatliche „Schießstandsordnungen“ besonders gefördert. Aufgrund dieser Verordnungen wurden die örtlichen Schießstände zu staatlichen Institutionen umgestaltet und unter den besonderen Schutz  der Staats- und Landesverwaltung gestellt. Sie waren angehalten die wesentlichen Elemente der Landesverteidigung vorzubereiten und wurden dadurch in ihrer Bedeutung gewaltig aufgewertet.

 

1847

Im Feber 1847 wurde der junge 34-jährige Johann-Georg Scheffknecht zum k.u.k. Stromaufseher bestellt.  Er war damit verantwortlich für die gesamten Wuhr- und Sicherungsarbeiten am Rhein von Koblach bis Gaißau.

Das muß damals eine gewaltige Aufgabe gewesen sein. Dämme im heutigen Sinne gab es nicht.

Es mußte täglich damit gekämpft werden, daß der Rhein an den Ufern nicht wertvolles Ackerland wegriss und vor allem beim Hochwasser über die ganze, oder Teile der Gemeinde hinwegbrauste.

Im Jahre 1827 jedenfalls gibt es den Hinweis, daß das Lustenauer Rheinufer mit 9 km und die der Wasserbauten und Dämme in Lustenau am Rhein mit 7 km angegeben werden.

Es muß etwas an den Scheffknecht gewesen sein, daß sie auch im Kampf gegen den Rhein an vorderster Stelle gestanden sind. Der um 11 Jahre ältere Cousin von Johann-Georg der Werkmeister Ferdi Scheffknecht ( * 23.12.1802  + 1856) war jedenfalls auch schon 15 Jahre zuständiger Strommeister.

Nach einigen Jahrzehnten des Stromaufsehers Johann-Georg, dürfte dann sein Sohn August dieses Amt übernommen haben. In einem Leumundszeugnis vom 29.3.1889 jedenfalls wird August Scheffknecht als k.k.Stromaufseher genannt. In einem weiteren Leumundszeugnis vom 8. August 1900 für August Scheffknecht wird dieser aber nicht mehr als k.k.Stromaufseher genannt. Es dürfte also in den Jahren bis zur Jahrhundertwende, während rund 5o Jahren, ein Scheffknecht, zuerst Vater Johann-Georg und dann später Sohn August Scheffknecht diese außerordentlich verantwortungsvolle Aufgabe für die möglichste Sicherung aller Bürger getragen haben.

 

 

* * * *

Carl Ganahl, Textilunternehmer aus Feldkirch bemüht sich erstmalig um den Bau einer Bahnlinie von Tirol bis zum Bodensee.

 

1848

Am 24. August dieses Jahres stirbt die Schwägerin Maria-Anna-Sophie Scheffknecht geb. Alge nach 13-jähriger kinderloser Ehe mit Bruder Anton im 61. Lebensjahr. Der Bruder und nunmehrige Witwer lebt noch 31 Jahre alleinstehend bis zu seinem Tode im Jahre 1879.

 

 

* * * *

Das Revolutionsjahr 1848 schlug auch in Lustenau hohe Wellen. Vorsteher Fitz, der schon sehr lange an der Macht war, verfiel auch der Versuchung, selbstherrlich zu werden. Nach Aufzeichnungen Pfarrer Brändles war das Volk von Lustenau wütend und rasend auf den  „Maire“ Josef Fitz, den sie den zweiten Napoleon nannten. Die Opposition warf ihm säumige Rechnungslegung, schlappe Polizeiaufsicht und Vetternwirtschaft bei der Vergabe öffentlicher Bauten vor. Die Gegner von Josef Fitz darf man wohl als die Gründer der „Neuen Partei“ in Lustenau ansehen. Die bisher regierenden Liberalen waren die Vertreter der vermögenden und mit ausreichendem Besitz versehenen Bürger. Die „Neue Partei“ entstand durch das Aufbegehren der ärmeren und immer wieder benachteiligten Bürger Lustenaus. Diese „Neue Partei“ entwickelte sich später zur Christlich-Sozialen-Partei.

Die „Alte Partei“ war die liberale Partei, die dann später in die Grossdeutsche Partei führte.

Es muß in diesem Revolutionsjahr ziemlich rauh zugegangen sein, wird sogar von tätlichen Auseinandersetzungen berichtet.

 

 

* * * *

Im fernen Wien tritt ein neuer Kaiser die Regentschaft an. Es ist der erst 18-jährige, dann später so bekannte und berühmte Kaiser-Franz Josef  I.(*18.8.1830 +21.11.1916)   Er bleibt dann 68 Jahre der Österreichisch-Ungarische Kaiser und stirbt während des ersten Weltkrieges im Jahre 1916. Mit dieser enorm langen Regierungszeit wird er zu einer Legende Österreichs.

Seine Gattin, Kaiserin und Königin von Österreich und Ungarn,  war die ebenso bekannte Elisabeth „Sissi“( *24.12.1837 + 10.9.1898 ermordet in Genf), Tochter des bayrischen Herzogs Maximilian.

 

 

* * * *

In diesen Jahren begann die Zeit des Hochalpinismus in den Alpen. Als Schlüsseldatum für Vorarlberg gilt der 8. September 1848. An diesem Tage erreichte der Brunnenmacher Anton Neyer in einer Erstbesteigung den Gipfel der 2643m hohen Zimba, des „Matterhorn Vorarlbergs“.

 

* * * *

In diesem Jahr gab es in weiter Ferne von Lustenau ein militärisches Ereignis von besonderer Tragweite. Der berühmte Feldmarschall Radetzky (1766-1858)  errang 1848 in einer großen Schlacht bei Custozza über die Truppen Karl Alberts von Sardinien-Piemont den Sieg. Ein Jahr später 1849 kam es nochmals zu einer Schlacht bei Novara, die Radetzky wieder mit einem Sieg beenden konnte. Dieser Radetzky muss wohl ein wackerer Kämpfer gewesen sein. So stand er doch bei diesen Schlachten im 82. bzw. 83. Lebensjahr. Er legte aber noch beinahe 10 Lebensjahre zu und starb erst am 5. Jänner 1858 in Mailand. Man kann verstehen, dass er damals als Held gefeiert wurde. Johann Strauß setzte ihm mit dem weltberühmten „Radetzkymarsch“ ein musikalisches Denkmal. Aber auch die Lustenauer wollten nicht nachstehen und benannten eine große Straße nach ihm. Die Radetzkystrasse verbindet heute einen der ältesten Ortsteile Lustenaus, den Stalden mit den Gemeindeteilen am Rhein.

 

 

1849

In diesem Jahre gab es eine Beschwerde einer Reihe von Lustenauer Bürgern über die rücksichtslose Eintreibung von Gemeindesteuern. Die Beschwerde wurde allerdings abgewiesen, mit der Begründung, die Beschwerdeführer seien aufgeheizt und würden eben jener Partei angehören, die überhaupt gegen alles sei.

 

 

* * * *

Nach dem Revolutionsjahr 1848 kam wieder verstärkt Militär nach Vorarlberg. Dabei wurde auch an den Grenzen Verstärkung eingesetzt. In Lustenau waren Teile des  Böhmischen Infanterie-Regiment 42  „Wellington Regiment“ nach Arthur von Wellington als Regimentsinhaber, einquartiert. Soldatenuniformen haben immer einen gewissen Zauber ausgeübt, dazu noch das Fremde und Abenteuerliche. Jedenfalls jammert Pfarrer Brändle:

 

            „Diese vestanden es ausgezeichnet, den Weibspersonen zu schmeicheln, verführten viele Mädchen und ließen eine Anzahl Kinder zurück.“

 

Diese Kinder waren nun die sogenannten „Wellingtoner“. Unsere Gross- und Urgroßeltern sprachen  noch öfters davon, daß jener ein „Wellingtoner“ sei! Insbesondere lange Burschen mit hellroten Haaren und besonderer Musikalität waren die oft auch spöttisch Angesprochenen. Heimatdichter Hannes Grabher merkt in seinem Buche „Brauchtum“ jedenfalls an, daß diese Wellingtoner meist intelligent und vor allem sehr musikalisch gewesen seien. (Böhmen !!)

In den Taufbüchern jener Zeit ist jedenfalls diese „böhmische Einquartierung“ deutlich sichtbar.

Im Jahre 1849 waren von 159 geborenen Kindern 12 als unehelich eingetragen, im Folgejahr 185o aber gab es bei 177 Geburten immerhin 3o uneheliche Kinder. Im Folgejahr 1851 hatte es sich offensichtlich wieder normalisiert, von 148 Geborenen Kindern waren nur mehr 14 „uneheliche Kinder“. Leider gibt es nur bei später durch Heirat legitimierten Kindern Angaben über die Vaterschaft. Wieviele dieser Kinder also tatsächlich von „Wellingtoner“ stammten, ist heute kaum mehr eruierbar.

1850

Am 30. September kam es zu Gründung einer Vorarlberger Handels- und Gewerbekammer.

Dies war für die künftige wirtschaftliche Entwicklung ein wichtiger Schritt. Der erste Präsident wurde der Industrielle und Politiker Carl Ganahl. In diesen Jahren begegnet uns dieser Mann, ein deklarierter Liberaler, noch bei verschiedenen Anlässen. Er war insbesondere auch der Pionier und Streiter für den Bau einer Rheintalbahn von Bludenz, oder zumindest von Feldkirch bis Bregenz.

 

1851

Aus diesem Jahre gibt es noch zwei original erhaltene Abrechnungen für die Arbeit des Stromaufsehers Johann-Georg Scheffknecht. Dazu gibt es auch zweimal die Original-Unterschrift von Johann-Georg als Stromaufseher. Leider sind die beiden natürlich handgeschrienbenen Abrechnungen z.Teil ziemlich schwer zu lesen. Aber es ist trotzdem ein tolles Original-Dokument mit einem Alter von rund 150 Jahren aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts.

 

Die beiden Abrechnungen lauten wie folgt:

(Original-Kopien sind eingefügt)

 

Vorderseite:

„  Elementar  1851           Oktober  851

 

 

                        von Höchst Brugg

 

Auf dem Bruggerwuhrkopf  oberhalb an der Setzung des

Ufers 4° *) Steine verrechnet. Die Blatten an den ......?bei Höchst in

Ordnung gelegt und an der Verlandungstraverse ob dem Melkerlich (?)

gearbeitet.“

 

Anmerkung:

*)   1°    =   2,16m   (Quelle: „Geschichte des Rheins“ Philip Krapf 1901)

 

Rückseite:

Eine namentliche Auflistung mit Abrechnung nach Gulden und Kreuzern und

nach der gängigen Bezeichnung C.M. (Konstanzer Münze).

Die Aufzeichnungen sind heute schwer lesbar.

Jedenfalls aber ist es das einzige original erhaltene handschriftliche Zeugnis mit

einer Unterschrift von „JGScheffknecht Stromauf.“

 

 

Zum Benstwuhr wurde vom Hr. Amann bezahlt  57 xR.M.

zum Gründel(Grindel!)wuhr          ``                            3 3o   ´´

zum Altfahr ........ Jos.Fitz  würde von Erara (=Staatskasse) nur 3 fl. x R.M.

bezahlt da aber diese Steine dringend notwendig wären

und beim Johann Messenstand (??) geliefert werden mußte,

habe ich sie zum Gründelwuhr verrechnet und daher

obigen Betrag verrechnet.

 

            Lustenau d. 18.August 1851

                        JGScheffknecht  Stromauf.  „

 

Diese zwei ORIGINAL-Papiere sind die ältesten bekannten Papiere aus dieser Zeit, die eine Unterschrift von J.G.Scheffknecht tragen.

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kopie Original-Abrechnung Stromaufseher Joh.Georg Scheffknecht vom 31.Oktober 1851

 

  

Kopie: Original-Abrechnung (Rückseite)

Stromaufseher Joh.Georg Scheffknecht
vom 31.Oktober 1851

 

* * * *

Aus dem Jahre 1851 ist uns im Gemeindearchiv ein Speisezettel des ersten Armenhauses in Lustenau überliefert. Wie dürftig und arm diese Menschen leben mussten, zeigen nur drei Beispiele:

 

            „Speisezettel  zum Behufe der Versorgung der Armen in Lustenau

Gesunde Personen sollen täglich 1/3 Pfund Kernbrot  entweder für die Mahlzeiten oder als Marend zugewiesen bekommen.

 

                        z.B.:Sonntag

Morgens ½ Maß Brennsuppe, soll mit Abwechslung entweder von Kern- oder Türkenmehl         gut gekocht werden.

Mittags ½ Maß Fleischsuppe mit gebähtem Brot, Reis oder Gerste. ¼ Pfund Rindfleisch und Zugemüs nach der Jahreszeit

            Abends wieder ½ Maß Fleischsuppe mit Brot und Reis.

 

                        z.B.:Mittwoch

Morgens ½ Maß Brennsuppe – Mittags eine Nudelsuppe und eine Portion im Schmalz gebackener Nudeln – Abends ½ Maß Brennsuppe

 

                        oder z.B. Freitag

Morgens ½ Maß Brennsuppe – Mittags eine Portion von im Wasser aufgelösten Brotschnitten in Schmalz gebraten, eine sogenannte Brot-Brockat und Zugemüs. Abends ½ Maß Erbs-oder Gerstensuppe.“

 

Der komplette Menuplan kann im Heimatbuch IV nachgelesen werden und ist für alle Arten von Fastenkuren sicher ein guter Tipp!!

 

1852

Im Oktober hatte die k.k.Bezirkshauptmannschaft die Gemeinde Lustenau darauf aufmerksam gemacht, daß in den umliegenden Gemeinden immer wieder Lustenauer Kinder beim Betteln aufgegriffen würden. Der sogenannte Gassenbettel habe im vergangenen Jahr wieder außerordentlich überhand genommen. Die Gemeinde möge dafür sorgen, daß diese Unsitte verhindert werde.

Die Gemeindevorstehung stellte in ihrem Antwortschreiben keineswegs in Abrede, daß Kinder aus Lustenau im Bezirk Bregenz betteln gehen. Aber auch in Lustenau selbst habe das Bettelunwesen derart zugenommen, daß der Ausschuss schon vor einiger Zeit verlautbart hätte, daß bei Strafe Bettlern und bettelnden Kindern nichts verabreicht werden dürfe.

In einem Schreiben vom 9. Oktober 1852 schreibt Vorsteher Fitz unter anderem:

 

„Wir haben zwei Gemeindediener und es vergeht kaum ein Tag, daß nicht mehrere besonders junge Bettler aufgegriffen und außer Ort geschafft werden und es sind meist arbeitsfähige Leute. Überdies werden die Gemeinden des Gerichtes Dornbirn namentlich Lustenau und Hohenems mit Scherenschleifern und Kesselflickern, die oft große Familien haben belästigt.

Darüber hinaus hat Lustenau infolge seiner Hafnerhütten eine große Last von Karrenziehern aus Tirol, welche gleichfalls mehrere Kinder mit sich schleppen und von Unterstützung leben.“

Diese fürchterlichen sozialen Zustände dürften aber noch jahrelang gedauert haben. Es mehrten sich offensichtlich die öffentlichen Klagen über umherziehende und bettelnde Kinderscharen. In der Vorarlberger Landeszeitung vom 16.1.1868 wird jedenfalls folgendes berichtet:

Es ist nicht recht erfreulich zu sehen, wie diese Kinder wohl im Frühjahr, wenn kaum der Schnee schmilzt, mit blassen Gesichtern und schlecht bekleidet auf auswärts gezogen sind. Leider ist zu beklagen, dass diese Kinder meist ihre ganze Zehrung und oft noch mehr hin und her in Häusern und auf der Strasse erbetteln müssen. Hierdurch werden sie insbesondere den an der Strasse Wohnenden und den Fußgängern eine wahre Plage.“

 

 

* * * *

Auf die sozialen Verhältnisse der damaligen Zeit wirft auch ein Erlaß an die Seelsorger (Pfarrer Brändle und Frühmesser Rein) und Schulleiter ein bezeichnendes Licht. Diese sollten mit besonderer Strenge auf den fleißigen Besuch der Wiederholungsschule achten besonders in Betreff der in den Fabriken arbeitenden Kinder“. Am 16.5.1852 erließ die BH Vorschriften bezüglich der Kinderarbeit in Fabriken: Kinder durften nur ab dem                   12. Lebensjahr und ohne Nachteil für ihre Gesundheit (?) beschäftigt werden. Wo noch keine Sommerschule eingeführt war, durften Knaben ab dem 1o. und Mädchen ab dem 9.Lebensjahr in Fabriken arbeiten.  Bei wirklich Armen war die Beschäftigung auch möglich wenn sie 4 Jahre die Schule fleissig besucht hatten (!).Wie arm manche Leute damals waren, zeigt eine Beschwerde der Gattin des Alexander Kremmel, daß mehrere ihrer Kinder weder Kleider noch Schuhe haben, um in die Schule und in die Kirche zu kommen.

 

 

* * * *

1852 berichtete die Gendarmerie der Bezirkshauptmannschaft, dass sich im Hause des Josef Hagen No.28 die Feuerstätte in einem höchst feuergefährlichen und ganz polizeiwidrigen Zustand befinde. Die Behörde verlangte von Hagen unverzügliche Reparaturen, andernfalls er mit 20 fl bestraft würde. Der damalige Vorsteher Josef Fitz gab dazu eine Stellungnahme ab, die  ein gutes Bild des damaligen Dorfes gibt. Fitz schreibt wörtlich:

Das Haus des Josef Hagen ist ein sehr altes mit sogenannten Steinschindeln gedecktes Gebäude. Vor 15 Jahren bestanden noch 70 bis 80 solcher Häuser, welche keine Rauchfänge hatten und gleich alten Alphütten dagestanden und benutzt worden sind. Auf Verwendung der Vorstehung brachte sie es dahin, daß infolgedessen und wegen weitgehender Einverleibung in die Tiroler-Brandversicherung bereits alle Rauchfänge in einem kurzen Zeitraum hergestellt wurden.“

Unter dem Begriff Steinschindeldach dürfte wohl ein mit Steinen beschwertes Schindeldach verstanden werden. Um das Jahr 1837 (15 Jahre vorher) dürfte also noch ein großer Teil der damaligen Wohnstätten den Komfort einer Alphütte nicht allzuweit überschritten haben. Auch diese Tatsache zeigt eindrücklich die Armut der damaligen Bewohner dieser vom Rhein so oft heimgesuchten Gemeinde.

 

1853

Welche mutige Aufgaben ein k.k.Stromaufseher zu erledigen hatte, zeigt ein Ereigniss vom 2. Juli dieses Jahres. 

In den Akten des Vorarlberger Landesarchivs ist folgender Bericht eines Ing. Hirn festgehalten:

 

An diesem Tage fuhr der Bezirksingenieur A. Hirn nach seinem eigenen Bericht in den Rheinbauakten des Vorarlberger-Landes-Archivs von Altach-Bauern aus mit dem Stromaufseher Johann-Georg Scheffknecht und dem Wuhrvorarbeiter Josef Scheffknecht in einem kleinen Kahn bei Hochwasser den Rhein hinunter, um die Wirkungen des

 

 

Hochwassers auf die Rheinbauten und die Stromrichtungsänderungen zu beobachten und nötigenfalls das Dringende vorkehren zu können. Bei hohem Rheinstand war es natürlich nicht möglich, zu Fuß zu den wichtigsten Bauobjekten zu gelangen. Die Aussicht von den Binnendämmen war wegen der bewachsenen Rheinauen sehr beschränkt. Es war für die drei Rheinfahrer, besonders für Ing. Hirn, ein majestätischer Anblick, der sicher auch Angst machte, den Bewegungen dieser gewaltigen Wassermasse zu folgen und die Kräfte des Angriffs und des Widerstandes in voller Wirksamkeit zu sehen. Der Stromaufseher (Johann-Georg mit 40 Jahren) führte das Steuerruder, Josef Scheffknecht die zwei Arbeitsruder.

In der Nähe der Lustenauer Rheinfähre angekommen, sagt der Stromaufseher zum Ruderer:  „ Wir müssen ober der Fähre landen, weil das Seil zu niedrig hängt, und man mit dem Schiffchen nicht unter dem Seil hindurchkommen kann.“ Sie landeten also oberhalb der neugebauten Steintraverse, die die Zufahrtstraße zur Fähre bildet, und setzten Ing.Hirn an Land. Dann fuhren die beiden, ihrem Namen alle Ehre machenden Scheffknecht über die Traverse wie über einen Katarakt und nahmen Hirn wieder an Bord. Bei der Ausfahrt in den offenen Strom gerieten sie aber in einen gewaltigen Wasserwirbel am Ende der Traverse, kippten um und fielen ins Wasser.

Da Hirn des Schwimmens unkundig war, machte er sich keine Hoffnung auf Rettung und dachte:

In zwei Minuten bist du in jenem stillen Land und weißt, wie es dort aussieht. Noch ein Gedankenblitz an Weib und Kind, und die Wasserflut zischte ihm in die Ohren und nahm ihm halb die Besinnung. Nachdem es ihn ein paarmal im Wasser umgedreht hatte, kam er wieder an die Oberfläche, sah wieder den Himmel und die weißen Wolken. Eine neue Lebenshoffnung durchzuckte ihn. Er arbeitete kräftig mit den Händen, merkte aber bald daß es ihn wieder in die Tiefe zog, und daß er doch noch zu Grunde gehen müsse, da die Hilfe nicht nahe genug war. Da trieb ihn die Strömung an einen zwei Schuh tief unter dem Wasser verborgenen Pfahl hin. Er klammerte sich an diesen an, reichte aber nur mit dem halben Kopfe über das Wasser hinaus. Jede stärkere Welle schlug ihm bis unter die Nase. So mußte er etwa ein Viertelstunde aushalten. Endlich nahte sich ihm das von Fähren und Gendarmen bemannte Rettungsboot. Schließlich kamen ihm die Retter mit ihrem starken Boote doch so nahe, daß sie ihn am Kragen packen und zu sich hineinziehen konnten.

Dann fuhren sie dem Stromaufseher (Johann-Georg) zu, der sich mit dem ungestürzten Schiffchen an den Pegelpfahl hin gerettet hatte. Josef Scheffknecht kam jedoch leider nicht mehr zum Vorschein, obwohl er ein sehr guter Schwimmer war.

Die wackeren Männer, die den Ingenieur und den Stromaufseher mit großer Kraftanstrengung und Aufopferung retteten, waren die vier Lustenauer Rheinfährleute, ein Gendarm und weitere fünf beherzte Lustenauer, die alle noch heute mit Namen genannt werden könnten.(Vogel, Fitz, Alge, Steinhauser, Bösch und  Jussel)

 

Dieser eigenhändige Bericht des geretteten Ing. Hirn liegt noch heute im Landesarchiv. Die Geschichte ist also von einem der Betroffenen entsprechend den tatsächlichen Ereignissen

niedergeschrieben worden.

Unser Vorfahr k.k. Stromaufseher Johann-Georg Scheffknecht war in diesem Jahre also in höchster Lebensgefahr. Seine beiden kleinen Söhne Erwin (11 Jahre) und August (8 Jahre) werden ihren  mutigen 40-jährigen Vater wohl mit größter Hochachtung bestaunt haben. Und dazu hatten sie auch allen Grund!

 

 

 

 

* * * *

1854

In diesem Jahre wurde in Lustenau Josef Gstach zum Frühmesser bestellt.Er blieb dies auch bis ins Jahr 19o3, also während vollen 49 Jahren. Früher war es offensichtlich nicht immer so, dass ein „Lehrling oder Geselle“ auch einmal „Meister“( = Pfarrer)  werden wollte oder vielleicht auch nicht konnte. Wahrscheinlich war auch das Angebot für Pfarrstellen nicht ziemlich groß. Wie und nach welchen Kriterien aber ein Frühmesser zum Pfarrer bestellt wurde, bleibt uns heute eher unbekannt.

 

 

* * * *

Eine kurze Geschichte aus diesem Jahre gibt beredetes Zeugnis der oft bitteren Armut in der Gemeinde. Es gab ja in der „guten alten Zeit“ keinerlei Versicherungen, sodaß die Heimatgemeinde die gesamt Last der Armenversorgung zu tragen hatte. In diesen Jahren war auch das Betteln von Kindern noch gang und gäbe. Immer wieder wurden solche Bettler aufgegriffen und in ihre Heimatgemeinde abgeschoben. Die Schubkosten mußte immer die Heimatgemeinde bezahlen.

Die Gemeinden waren daher bestrebt die notorischen Bettler unter scharfer Kontrolle zu halten. Die Mittel, die dazu angewendet wurden, waren drakonisch und würden heute gegen alle Menschenrechte verstoßen:

 

Der 6o-jährige Anton Vetter „von armen Eltern geboren, nicht gehörig erzogen, von Jugend auf dem Bettel ergeben, ein gewöhnter Bettler, Most- und Branntweinbruder“ war im Lustenauer Armenhause untergebracht. Er versuchte aber immer wieder auszureißen und wurde z.B. auch in Bregenz aufgegriffen. Mittels Schub kam er dann wieder nach Lustenau, die Gemeinde aber mußte die Schubkosten zahlen. Aus einer Stellungnahme der Lustenauer Vorstehung vom 11. August 1854 geht nun folgendes hervor:

      „...   Da er wiederholt ausgerissen, wurde er mit einem Holzblock an einer Kette (am Fuße !!) belastet, weshalb er auch in Bregenz mit Kette aufgegriffen worden ist. Weil diese Kette nicht mehr zurückkam, wurde er seither freigelassen, hat zeitweise eine geringe Beschäftigung verrichtet, sich jedoch wiederholt entfernt, sodaß er wirklich seit einigen Tagen wieder abwesend ist.

                                                                       Lustenau, am 11. August 1854“

 

Dieser „Klotz am Bein“ ist bis heute ein Begriff geblieben. Jemand der in einer Sache nicht weiterkommt, scheint „einen Klotz am Bein“ zu haben, so noch heute der Lustenauer Volksmund.

Übrigens ist dieser Klotz mit Kette erhalten geblieben und ist heute im Gemeinderarchiv aufbewahrt.

 

* * * *

Am Semmering wird die erste bedeutende Bergbahn der Welt eröffnet. Am 17.7.1854 fuhr die erste Zuggarnitur mit einer speziell konstruierten Lokomotive über diese gigatische Bergstrecke. Bis zu 20.000 Arbeiter waren zeitweilig in diesem Bau-Projekt beschäftigt gewesen.

 

1855

Am 1. Mai dieses Jahres stirbt nach 22 Ehejahren sein Schwager Thomas Bösch „Munsars“ im noch jungen Alter von 53 Jahren. Er hinterläßt die Wittwe Anna-Maria Bösch geb. Scheffknecht, die Schwester von Johann-Georg im Alter von 51 Jahren. Es sind 6 Kinder geboren worden, wovon später drei Kinder wieder Nachkommen haben werden.

Laut einem Vermerk in den Pfarrbüchern „lebte des Ehepaar getrennt!“ (lt. Sippenbuch Lustenaus II nach Prof. Stetter)

 

Johann-Georg steht nun im 43. Lebensjahr, seine Söhne Erwin und August sind im Alter von 14 und 11 Jahren.

 

1856

Im Herbst dieses Jahres entschließen sich Johann-Georg Scheffknecht und seine Gattin Magdalena Alge zum Kauf eines Hauses. Im Jahre 1841 hat ein Anton Kremmel ein stattliches Haus gebaut. Dieses Haus erhielt die Haus-Nummer 521. Zur damaligen Zeit gab es noch keine Straßennamen. Die Häuser wurden mit laufenden Nummern bezeichnet. Später dann wurde dieses gekaufte Haus zur Rheinstrasse No. 15 (Senffabrik Bösch). Jedenfalls ist im Gemeindearchiv festgehalten, daß Johann-Georg Scheffknecht und Gattin Magdalena Alge mit Kaufvertrag vom 27. September 1856 dieses erst 14 Jahre alte Haus (als BP No.228)  erwarben. Auch ist im Archiv vermerkt:    „1841 neu erbaut von Anton Kremmel“

Johann–Georg steht im 43. Lebensjahr, seine Gattin ist um ein Jahr jünger. Seine beiden Söhne sind Erwin mit 14 Jahren und August mit 11 Jahren.

Johann-Georg muß wohl einer der ziemlich vermögenden Lustenauer Bürger gewesen sein. Bei der doch weit verbreiteten Armut in Lustenau konnten sicherlich nur wenige ein so großes fast neues Haus kaufen. Es ist anzunehmen, daß Johann-Georg das Haus ziemlich umgebaut, oder sogar noch vergrößert hat. Jedenfalls dauerte es immerhin noch 4 Jahre, bis die Umbauten abgeschlossen waren. Doch darüber weiter im Jahr 1860.

 

1857

Schon 1857 bildete sich in Lustenau der erste Männergesangverein, der Liederkranz „Konkordia“, der wohl zu den ältesten Gesangvereinen Vorarlbergs überhaupt zählt.  Mehrere Jahre bereits bestanden zwei Gesangsquartette. Das eine leitete Josef Hämmerle (Fangs), Vater und Großvater der bekannten Sängerfamilie, das andere Lehrer Hilar Hämmerle.  Diese beiden schlossen sich im Herbst 1857 zu einem Verein zusammen und bald konnte der erste Chormeister Lehrer Josef Riedmann mit 28 Mitgliedern seine Probenarbeit beginnen. Josef Hämmerle hielt die Sängerschar unter strenger Disziplin, Rauchverbot und Trinkverbot beim Ausrücken!! Der Verein blieb eine reine Männersache, erst 1908 kamen auch Frauen zum Chor.

 

1858

Nur zwei Jahre später, am 6. Jänner stirbt wieder ein Schwager von Johann-Georg, Johann Hämmerle „Aloisis“ im 55.Lebensjahr. Hans Hämmerle lebte seit 26 Jahren als Wittwer allein. Er war mit Johann-Georgs Schwester Maria Anna verheiratet. Nach nur zwei Jahren Ehe starb vor 26 Jahren seine Gattin im jugendlichen Alter von 28 Jahren. Ein Kind, das später auch Nachkommen haben wird, ist in dieser kurzen Ehe geboren worden.

 

 

* * * *

Wie einfach und nach heutigen Verhältnissen wohl auch arm damals die Menschen in Lustenau lebten, zeigt eine Erzählung des Heimatdichters Hannes Grabher:

„Mein Vater (Vater des Hannes Grabher) wurde um das Jahr 1858 gefirmt. Er erzählte,dass er barfuß in Hemd und Hose zur Firmung ging. Nachher durfte er beim „Förmgötti“ zu Mittag essen  und zwar „Törggosuppo“ und „Brôtarra“. Hierauf überreicht ihm dieser als Firmageschenk einen „Törggolôuob“ (einen Laib mit Maisbrot), den er unter den Arm nahm und damit glücklich und zufrieden heimwärts trabte.“

Auch wenn viel Elend und Armut im Dorf das „tägliche Brot“ waren, gab es auch viel Bescheidenheit, Glück und Zufriedenheit.

 

* * * *

In der schweizerischen Nachbarschaft war in den letzten Jahren intensiv am Bau einer Bahnlinie durch das Schweizer-Rheintal gearbeitet worden. Jedenfalls wurde am 1. Juli 1858 die Bahnlinie Rorschach - Rheineck  - Buchs - Chur eröffnet. Sicher werden damals viele Lustenauer diese erste Eisenbahn im Rheintal bestaunt haben. In Vorarlberg vergingen doch noch 14 Jahre bis im österreichischen Rheintal die erste Bahn eröffnet werden konnte.

 

1859

Johann-Georg Scheffknecht läßt von einem leider unbekannten Maler Porträts seiner Person und seiner Gattin Magdalena Alge anfertigen. Beide Bilder sind noch heute im Original vorhanden und im Besitz von Tante Frieda Scheffknecht, Rotkreuzstrasse 5.  Die Porträts sind auf Blech gemalt und auf der Rückseite sind folgende Bezeichnungen in das Blech eingeritzt:

                                Johann Georg Scheffknecht                       Magdalena Alge       

                        Geboren am 26. März 1813                       Geboren am 14. November 1814

           

                        Gezeichnet im Mai 1859                             Gezeichnet im Mai 1859

 

Es gibt von diesen zwei Original-Bildern fotographische Reproduktionen (verkleinert), die in verschiedenen Häusern der Scheffknecht`s seit vielen Jahren einen gebührenden Platz einnehmen.

 

Auf diesem Bild ist Johann-Georg ein sehr nobler Mann im Alter von 46 Jahren. Seine Gattin Magdalena steht beim Malen dieses Bildes ebenfalls im 46. Lebensjahr.

Erste Anmerkung: 

Interessant ist, daß seine Gattin Magdalena mit Alge bezeichnet wird, obwohl sie mit Johann Georg schon 20 Jahre verheiratet war und drei Kinder geboren hat. Es war aber in dieser Zeit durchaus üblich, daß Frauen ihren Geburtsnamen lebenslang  behalten haben. Für unser heutiges Verständnis war Magdalena Alge mit ihren erst 46 Jahren eine ältere Frau. Der Maler aber wird es eben so gemalt haben, wie es sich dargestellt hat.

Zweite Anmerkung:

Johann-Georg muß eine ziemlich bekannte Persönlichkeit  in Lustenau gewesen sein. Außerdem konnten sich damals sicherlich nur eher die reicheren Leute ein Porträtbild malen lassen. Jedenfalls haben wir durch diese Umstände ein genaues Bild unseres Stammvaters und seiner Gattin. Es gibt nur noch sehr wenige Lustenauer, die ein Original-Bild eines Vorfahren und seiner Gattin aus der Mitte des 19. Jahrhunderts haben. Immerhin sind seither 143 Jahre verflossen. Besonders bemerkenswert ist sicherlich, daß die beiden Porträtbilder in Öl in Farbe gemalt sind !

Johann Georg Scheffknecht
Geboren am 26. März 1813
Gezeichnet im Mai 1859
Magdalena Alge
Geboren am 14. November 1814
Gezeichnet im Mai 1859

 

 

* * * *

In den vergangenen über hundert Jahren hat sich in unserer Gesellschaft vieles verändert. Ich glaube doch, vieles zum Guten. Lassen wir uns nicht verleiten, immer nur von der guten, alten Zeit zu sprechen. Sie war meist hart, oft auch grausam.

Zur Illustration diene auch der § 87 der Gewerbeordnung 1859, der festsetzte, dass für „Individuen“ unter vierzehn Jahren die Arbeitszeit täglich zehn Stunden, für solche über vierzehn aber unter sechzehn Jahren zwölf Stunden nicht übersteigen dürfe!!

Der Samstag wurde damals natürlich als voller Arbeitstag gesehen.

 

 

1860

Johann-Georg steht nun im 47. Lebensjahr und hat es offensichtlich zu einigem Vermögen gebracht. Wenn man die verschiedenen Berichte aus jener Zeit liest, muß er meiner Meinung nach ein in der Gemeinde ziemlich vermögender Mann gewesen sein.

Jedenfalls wird in diesem Jahre das vor vier Jahren gekaufte Haus im Rheindorf in der heutigen Rheinstrasse nach wahrscheinlichen Zu- und Umbauten fertig gestellt. Als Abschluss wurde jedenfalls bei der Haustüre ein „Schluss-Stein“ gesetzt.  Dieses Haus ist bis heute erhalten geblieben und bildet heute das Wohnhaus Rheinstrasse No. 15 (Senffabrik Bösch) Die Sandsteinfassung der heutigen Haustüre jedenfalls ist noch aus dem Baujahre 1860. Im Oberteil der Türfassung ist heute noch im Jahre 2001  ein Stein mit folgenden eingemeißelten Buchstaben und Ziffern eingelassen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beim Bau dieses Hauses stehen die Söhne Erwin als Ältester im 18. Lebensjahr und sein jüngerer Bruder August im 15. Lebensjahr.

Noch heute wohnt in diesem Hause Rheinstrasse No.15 ein Ur-Enkel von Johann-Georg Scheffknecht, nämlich August Bösch und Gattin Stefanie.

 

 

WOHNHAUS RHEINSTRASSE No. 15

            früher Haus No. 521

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                 Wohnhaus des Johann-Georg Scheffknecht (links)-Aufnahme ca. 1945-1948

                        Neu erbaut 1841 von Anton Kremmel

                        Gem. Kaufvertrag vom 27. September 1856 Kauf des Hauses

                                               von Johann-Georg Scheffknecht und Magdalena Alge

                        Heute bewohnt von Ur-Enkel August Bösch  (geb. 1909)und Gattin Stefanie

                        Firma SENF-Fabrikation Bösch Lustenau (Rheinstrasse No.15)

 

1859

Der vergangene Winter war ein ausgesucht milder Winter. Im Jänner trieben die Bäume aus, es wurde geackert, im Schweizeberg das Vieh ausgetrieben und die Leute gingen barfuß.

 

 

1860

* * * *Nach insgesamt über 3o Jahren Vorsteher-Amt des Josef Fitz gibt dieser nun ab und resigniert. In die Zeit von  „Amma Fitz“ fiel wohl die folgenschwerste Entscheidung, die in Lustenau je getroffen wurde: Die Riedteilung. Damit fand die vielhundertjährige Allmende Lustenaus ein Ende.  Die heutige  „Amann-Fitz“-Straße ist eine ewige Erinnerung an diesen Mann.

Erstmals wurde nun nach dem neuen Gemeindegesetz gewählt. Die Wähler wurden nach ihrer Steuerleistung in drei Gruppen eingeteilt. Wer keine Steuern zahlte, konnte auch nicht wählen. In die erste Gruppe kamen also die Fabrikanten, die grösseren Gewerbetreibenden, Wirte und Kaufleute. Dann folgten die besseren Hausbesitzer und schlußendlich jene, die nur ein kleines Häuschen oder nur wenig Boden besaßen. Die Domäne der „Alten Partei“ war immer der 1., die Domäne der „Neuen Partei“ der 3.Wahlkörper.  Zum Wahlkampf berichtet Pfarrer Brändle in der Pfarrchronik über diese erste Wahl:

„Zum erstenmal traten sich in Lustenau zwei Parteien gegenüber. Mann nannte sie die Alte Partei und die Neue Partei. Zur Alten Partei gehörten alle jene, welche dem Altvorsteher Fitz und seiner Verwandtschaft anhänglich waren, zur Neuen Partei scharten sich jene, die ganz neuen Boden schaffen und jene abschaffen wollten, die bis jetzt etwas gegolten hatten. Den Sieg trugen schließlich die Alten davon, denn diese kannten sich besser aus und wußten die Neuen in ein schiefes Licht zu setzen, gleichsam als wären es Revolutionäre“.

Der Vorsteher nach dieser Wahl und zugleich der geistige Führer der „Alten“ war der Löwenwirt und Postmeister August Alge. Zu Gemeinderäten wurden von den „Alten“ gewählt:

            Josef Hofer (Hofers Sepp)

            Anton Bösch (Otmars Toni)

            Josef Riedmann (Bartolas Josef)  und

            Georg Scheffknecht (Rüttibüngers Jerg)

Der Hauptvertreter der „Neuen“ war Josef Bösch (Feldschribers)

 

Mit dieser Gemeinde-Wahl war also unser Vorfahr Johann Georg Scheffknecht als Gemeinderat der „Alten Partei“, also der Liberalen, zum Gemeinderat gewählt worden.

 

Dieses Jahr wird für den 47 jährigen Familienvater mit zwei heranwachsenden Söhnen (Erwin 18 Jahre und August 15 Jahre) wohl ziemlich turbulent gewesen sein. Gemeindewahlen, Übernahme von höchsten politischen Ämtern in der Gemeinde und darüber hinaus noch die Fertigstellung seines Wohnhauses in der Rheinstrasse 15.

 

 

1861

Im Jahre 1853 wurde eine Bau- und Brandwehrverordnung für die Landgemeinden in Tirol und Vorarlberg erlassen. Vom Vorsteher August Alge wurde am 29. August 1861  eine Feuerlöschordnung erlassen, um einer entstehenden Feuersgefahr möglichst wirksam entgegentreten zu können:

            *Jeder ist verpflichtet bei Entdeckung einer Feuersgefahr, schnell Feuerruf zu machen und die Spritzenleute und die Vorstehung in Kenntnis zu setzen.

            *Jeder Gemeindeangehörige vom 16. bis zum 6o. Altersjahre ist schuldig, auf dem Brandplatze mit einem Feuerkübel zu erscheinen.

            *Zu besonderen Dienstverrichtungen sind berufen: die Spritzenleute resp. die Spritzenmeister und deren Mannschaft, die Inhaber der Handspritzen  usw.

Es gab also schon eine „Allgemeine Bürger-Feuerwehr-Gruppe“. Eine freiwillige Feuerwehr als Verein folgte aber 30 Jahre später.

Eine Besonderheit der Verordnung waren ausgesetzte Prämien zur „besonderen Aneiferung“ und zwar:

den ersten, zweiten und dritten welche mit den Pferden und einem gefüllten Wasserfass am Brandplatze erscheinen. Diese Prämien bestanden:

            ....dem ersten Paar Pferde zur Spritze in 2 Gulden

            ....dem zweiten Paar Pferde zur Spritze mit 1 Gulden und

            ....dem dritten Paar Pferde zur Spritze mit 5o Kreuzer.

Die heutigen Feuerwehrleute haben es bei Alarm auch heute noch äußerst eilig um zum Spritzenhaus zu kommen, allerdings meistens mit 100 PS! Ob diese rasanten Zufahrten ihre Wurzeln in den Prämien des Vorstehers vor 150 Jahren haben?

 

1864

Wieder waren Gemeinewahlen in Lustenau angesagt. Diesmal gab es einen Sieg der „Neuen“. Der  neue Vorsteher hieß nun Josef Gabriel Bösch, Feldschribers. Sein Vulgoname war der „Geisler; von Beruf war er Hafnermeister. Damals bedeute eine Wachablösung in der Gemeindestube viel mehr als heute, weil mit dem Einzug der neuen Mehrheit sämtliche Angestellten vom Vorsteher bis zum Nachtwächter durch die siegreiche Partei besetzt wurden.

Auf seine Anregung entstand die erste berufliche Vereinigung, der Gewerbeverein. Unter ihm wurde die erste Rheinbrücke erbaut. Er konnte sich allerdings nicht lange des Sieges erfreuen. Josef Bösch geriet 1870 in den Strudel der Kämpfe um das Gysische Schwellwuhr, das sich für die Lustenauer Rieder äußerst schädlich auswirkte. Eine „Selbsthilfeaktion“ des Vorstehers mit einigen rabiaten Lustenauern „ Da helfen nur noch Axt und Sapin“ wurde ihm zum Verhängnis. Der Vorsteher wurde als Anstifter der Aktion von der obrigkeitlichen Statthalterei seines Amtes enthoben. Sein unmittelbarer kurzzeitiger Nachfolger war Johann Vetter, Bäcker.

 

 

* * * *

Schon 1864 hat Lustenau ein Postamt bekommen. Man konnte mit der Postkutsche nach Dornbirn fahren, aber die meisten, die dort zu tun hatten, gingen zu Fuß, um die Fahrtkosten zu sparen. Da die Post nur wenig in Anspruch genommen wurde, kam sie noch bis ca. 1895 mit einem einzigen Briefträger aus. Von 1864 bis 1912,  beinahe 5o Jahre lang, befand sich das Postamt im Gasthaus Löwen. Die „Löwenwirte“ der Familie Alge waren nicht nur einige Zeit Ortsvorteher, sondern auch die Postmeister Lustenaus.

 

1865

Am 29. Dezember stirbt im 58. Lebensjahr seine seit 26 Jahren verheiratete Schwester Maria-Kreszentia Vetter geb. Scheffknecht. Sie hinterlässt den 61-jährigen  Witwer Franz-Josef Vetter „Gugers“ mit 8 Kindern, davon werden später vier auch weitere Nachkommen haben. Der „Guger“ lebt noch 11 Jahre als Witwer und stirbt am 28. Juli 1876. Das 5.Kind, Filibert (geb. 8.3.1845) wird später der Vater des Heimatdichters BENO VETTER. Maria-Kreszentia Vetter geb.Scheffknecht ist damit auch die Großmutter von Beno Vetter.

 

* * * *

Es gab eine Zeit, in der die Verehelichung eine äußerst komplizierte Angelegenheit war. In früheren Zeiten war die einzige Möglichkeit, in den „ehrsamen Stand der Ehe einzutreten“, der Sanktus der politischen Behörde. Da wurden dann nicht nur vermögensrechtliche Dinge, sondern auch das moralische Verhalten der Ehewerber eingehend geprüft. Nachstehend ein Beispiel aus der Zeit des damals 52-jährigen Johann-Georg. Als 1860 gewählter Gemeinderat war er wohl auch maßgeblich an der nachstehenden „Erhebung“ beteiligt:

Am 3. Mai 1865 hatte die Gemeinde den bezirksamtlichen Auftrag erhalten, ein Gutachten über den Leumund und die Vermögens-und Erwerbsverhältnisse eines Josef Bösch abzugeben, der beim Bezirksamt Dornbirn ein Ehegesuch eingereicht hatte. Am 31. Mai 1865 wurde nach entsprechender Erhebung auf einer „Bürgerausschußsitzung“ folgende Äußerung abgegeben:

 

„LEUMUNDSZEUGNIS :

Gedachter Franz Josef Bösch war im allgemeinen schon von jeher ein unfolgsamer und arbeitsscheuer Mensch. Es ist in der ganzen Gemeinde offenkundig, daß nicht nur seine Arbeitsscheu sondern auch seine Bösmauligkeit im Umgang mit anderen Menschen sich häßlich darstellt und ihn niemand gern um sich hätte. Ferner, daß er sich als Kind sowohl als auch Erwachsen, gegen seine Eltern ungehorsam und bösartig betrug, sodaß seine Eltern froh waren, als er sich aus dem elterlichen Haus entfernte.

VERMÖGENSZEUGNIS:

Gedachter Bösch ist gänzlich vermögenslos und besitzt kein größeres Einkommen als den gewöhnlichen Taglohn. Wenn er auch mit seiner anzuhoffenden Braut ein kleines Anwesen angekauft mit ein paar Viertelland dabei, so könnte ihm dies bei gutem Erträgnis kaum für 4 Monate Ernährung verschaffen.

In Anbetracht dessen, daß dieses Hausanwesen um die Hälfte zu hoch angekauft, daß er, wie vorgesagt, nichts an den Kaufpreis zu zahlen vermag, so kann kein längeres Fortbestehen in Aussicht sein, und wenn auch seine Braut noch einige Gulden daransetzt, würden sie das Anwesen doch bald wieder verlieren und damit ist diese vorgeschützte Stütze nur der Untergang und der Ruin seines künftigen Familienlebens und kann bei solchen Leuten geahnt werden, daß sie in kürzester Zeit die Gemeinde auch in besten Zeiten in Anspruch nehmen müssen.

ERWERBSVERHÄLTNISSE:

Bösch beruft sich auf das Stickergewerbe. Die Gemeindevertretung läßt wahr, daß mit diesem Gewerbe ordentliche und sparsame Leute, die hiezu die nötigen Mittel besitzen, bei glücklichem Fortgang noch ein wenig damit verdienen können. Nicht voraussetzen kann man dies aber bei Leuten, die um den politischen Ehekonsens zu erlangen, um ein solches Gewerbe erst einschreiten. Wenn die Gemeindevorstehung gegen die Gewerbeerteilung nichts einwenden konnte, so muß doch erkannt werden, daß er betreff seines Leumundes, seiner Arbeits- und Erwerbslust nicht befähigt ist, dieses Gewerbe länger auszuüben. Bösch schützt weiters seine Erwerbszweige als Weber vor. Dies nimmt der versammelte Ausschuß zur Kenntnis, meint allerdings, daß er nur Weber der niedrigsten Klasse sei. Mit der Angabe seiner Verdienste als Weber, wie er in seinem Gesuche dargetan, täglich 1 fl (Gulden) zu verdienen, ist unwahr und erlogen, indem der beste Weber derzeit nicht mehr imstande ist bei all seinem Fleiß diesen Lohn zu verdienen. Bösch könnte glücklich sein, wenn er täglich 4ox (Kreuzer) ins Verdienen brächte. Bösch hat mit der Leopoldine M. von Riefensberg, wie er angibt, ein uneheliches Kind erzeugt, das natürlich noch nicht eigenberechtigt ist. Mit der Verehelichung der Mutter würde dieses Kind legitimiert und dadurch auch zuständig in der Gemeinde des Vaters. Umso mehr weigert sich der versammelte Ausschuß, dem Bösch den politischen Ehekonsens zu erteilen und könnte diesem nur unter der Bedingung zustimmen, daß Bösch und die L.M. vorerst erreichen, daß das Kind, welches Bösch mit ihr erzeugte, auch nach der Verehelichung in der Zuständigkeit von Riefensberg verbleibt. Sollte aber das Bezirksamt gegen dieses Gutachten den Ehekonsens doch erteilen, so wäre für die L.M. die ortsübliche Bürgereinkaufstaxe zu entrichten.“

 

 

Das Bezirksamt war human. Es stützte sich bei seiner Zustimmung allerdings auf frühere pfarrliche Zeugnisse, die Bösch seinerzeit einen guten Leumund ausgestellt hatten. In Anbetracht, dass Bösch das Gewerbe der Stickstückferggerei  ausübe und seine Braut auch einiges Vermögen mitbringe, beide noch im jugendlichen Alter seien, wurde ihnen der Ehekonsens erteilt.

Für die heutige Zeit ist es aber erschreckend, wie die persönlichsten und intimsten Angelegenheiten in einer Gemeindevertretung öffentlich breitgetreten wurden, in unserem Falle um einem missliebigem Bürger die Ehe zu verweigern.

 

* * * *

In der wirtschaftlichen Entwicklung Lustenaus war 1865 ein entscheidendes Jahr.Schon Jahrzehnte vorher war das Sticken auf einem Stockrahmen für die Frauen und Mädchen Lustenaus ein wichtiger Zusatzverdienst. Es war damals durchaus üblich, daß mit dem Stockrahmen unter dem Arm zu Bekannten und Verwandten auf die Stubat gegangen wurde. Vorarlberg war 1819 in den österr. Zollverband aufgenommen worden. Somit wurde schon ab diesem Datum ein Austausch im Vormerkverkehr mit der Schweiz aufgenommen.

Im Jahre 1865 aber kamen die ersten sehr einfachen Maschinen ins Land. In Lustenau wurde zuerst das System „Cornelius“ eingeführt. Der erste Monteur dieser Maschinen war Schlosser Adolf Hämmerle, Eisenwarenhandlung. Diese „Stickmaschine“ hat sich ziemlich rasch Eingang verschafft und stieg auf die bedeutende Zahl von 350 Maschinen. Die Maschinen wurden im Volksmund die „Parisermaschinen“ genannt.

Durch die spätere Einführung der ersten Hand-Stickmaschinen verloren diese Maschinen aber wieder sehr schnell an Bedeutung.

 

 

1866

In der Gemeinde Lustenau gab es 1866 zwei Schulen:

Erstens

Jene in der Mitte der weitschweifigen Gemeinde für die Ortsteile Holz, Grindel, Wiesenrain, Weiler und Stalden. In diesem Jahr betrug die Anzahl der Schüler 32o, davon waren 185 Buben und 135 Mädchen. Es gab zwei erste und zwei zweite Klassen mit insgesamt 4 Lehrpersonen (2 Lehrer und zwei Gehilfen)

Im Winter wurde täglich 4 Stunden vor- und nachmittags Schule gehalten.

Bei  ½ tägigem „Schulschichtbetrieb“, gab es immerhin pro Lehrer und Klasse 4o Kinder!!

 

 

Zweitens die

„Lokal-Trivialschule“ Rheindorf (Nebenschule) In diese Schule waren eingeschult aus den Ortsteilen Rheindorf 95 Buben und 103 Mädchen und aus dem Hag 5 Knaben und 9 Mädchen. Insgesamt also 2l8 Kinder. Der Unterricht wurde ebenfalls halbjährig im Winter täglich mit 4 Stunden vor- und nachmittags gehalten.

Schon rund 10 Jahre vorher haben die beiden Söhne von Johann-Georg, Erwin und August diese Rheindorfer-Schule auch besucht. Jetzt stehen beide im besten Mannesalter von 21 und 24 Jahren.

1867

Am 24. August wird von der k.k.privilegierten Südbahngesellschaft die Brennerbahn zwischen Innsbruck und Bozen eröffnet.

 

1867

* * * *

Wichtig besonders für die linksrheinischen Bewohner des Reichshofes Lustenau waren die Übergänge über den Rhein. Ob sie zur Kirche, zum Gericht oder auf ihre Äcker und Weiden wollten, immer hieß es den Rhein überschreiten. Bei niedrigem Wasserstand wurden die Furten benützt, die dort angelegt waren, wo der Strom am breitesten, daher das Wasser weder besonders tief, noch reißend war. Aber beschwerlich war so ein Durchgang immer. Es muß ein seltsamer Anblick gewesen sein, wenn das Wasser bis halb in die Räder und an den Bauch der Tiere reichte. Man wird sich heute dabei wohl an einen „Wild-West-Film“ erinnern und kann sich das gut vorstellen. Daher stammt noch der Ausdruck „i d`Schwiz douri“ (hinüber)  und auch „gi Breogoz und gi Lutera douri“, weil auch über die Fußach eine Furt ging. Sicherer und bequemer waren dann später schon die Fahre, die im Gegensatz zu den Furten an der schmalsten und daher tiefsten Stelle errichtet wurden. Ein hochgespanntes Seil gab dem mächtigen floßartigen Fährschiff Sicherheit. Eine bequeme Rampe (Traverse) ermöglichte es, Pferde, Wagen und Rinder mit auf das Schiff zu nehmen.

Bis zum Jahre 1867 gab es zwischen dem Vorarlberger und Schweizer Rheinufer keine Brücke. Die Verbindung wurde durch Fähren hergestellt. Es gab eine Fähre zwischen Monstein/Au auf Schweizer Seite und dem Lustenauer Weiler Rheindorf. Dies war das Lustenauer Hauptfahr. Sie gehörte zu den ältesten Rheinfähren und hatte wohl auch den größten Verkehr. Da vom Rhein fast 8 Kilometer auf Lustenau entfallen, war eine zweite Fähre  beim Oberfahr nötig.

Jahrhundertelang musste alles, ob Mensch, Tier oder Ware, das über den Rhein wollte mit einer der Fähren transportiert werden. Schon seit Jahren gab es Diskussionen über den Bau einer Brücke über den Rhein.

Nun war es endlich soweit. Von den Schweizern war eine neue Brücke am Monstein gebaut worden. (Rheindorferbrücke) Die Brücke war zu Gänze aus Holz gebaut worden. Der Eigentümerund Hauptzahler der Brücke war die Gemeinde Au. Aber auch die Gemeinde Lustenau hatte 20000 Franken zu erlegen. So fuhr als Erste am 3o. Juni 1867 der Gemeinderat über die neue Brücke. In der Rosenlächer-Kirchenchronik heißt es wie folgt:

 

Der Bau der Brücke wurde im März begonnen und am 3o. Juni fuhr Joh.Georg Scheffknecht, Geometer, Stromaufseher und Miturheber des Baues, als erster über diese.“

 

Dann wurde sie wieder geschlossen, bis die Einschirmung vollendet und der Fußgängerweg fertiggestellt war. Am 21. Juli begann dann die offizielle Feier um 11 Uhr unter Böllerschüssen mit der Begrüßung auf der mit Triumphbögen und sinnigen Spruchbändern geschmückten Brücke. Nach einem Mittagessen im „Ochsen“ für die Honoratioren („Oberen“) herrschte am Nachmittag bei Musik und Gesang ein lebhaftes Festtreiben in der „Festhütte“. Natürlich gab es auch Unzufriedene, die die Brücke gerne weiter oben und nicht so nahe bei den Rheindorfern gesehen hätten.

Bereits aber 1875 wurde diese erste Brücke wieder abgebrochen und eine neue, gedeckte, gebaut.

Diese gedeckte, komplett aus Holz erbaute Brücke versah dann den Dienst während 83 Jahren  und fiel einem Großbrand am 10.Juni 1950 zum Opfer.

Die Lustenauer bauten dann aber 1878 die neue Oberfahrbrücke, die ebenfalls bis in Ende der 50er Jahre diente. Heute verbindet eine einzige moderne Betonbrücke, die am                28. Nov.1957 eröffnet wurde, den Rhein.

 

1867-1869

Es muss heute als eine besondere Würdigung der Persönlichkeit von Johann-Georg (54) gesehen werden, dass er im Jahre 1867 in den Vorarlberger Landes-Ausschuss bestellt wurde. Eine direkte Wahl gab es damals noch nicht. Er übte dieses unentgeltliche Ehrenamt zwei Jahre aus. In diesen zwei Jahren war Sebastian v. Froschauer Landeshauptmann. Auch

 

der damalige Bischof und General-Vikar in Vorarlberg, Johann von Amberg in Feldkirch war Mitglied des 20-köpfigen Landtags. Darunter waren auch heute noch bekannte Namen wie Carl Ganahl aus Feldkirch, ein Dr. Anton Jussel aus Feldkirch, ein Dr. Franz Bikl von Bludenz, ein Josef Feuerstein aus Bezau und noch andere Namen.

Bezeichnend ist aber, dass aus Dornbirn nur eine einzige Person, Dr.Benedikt von Martignoni

aufscheint. Dass zu dieser illustren Schar noch ein „biederer“ Lustenauer, eben „Scheffknecht Georg von Lustenau“ wie es im Protokoll heißt,  dazu kam, scheint wohl keine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein.

Die Protokolle dieser Sitzungen liegen noch heute in den Archiven des Landhauses. Eine Einsicht in dieselben zeigte allerdings etwas enttäuschend, dass Johann-Georg nur zweimal als Stimmenzähler zu fungieren hatte. Redebeiträge sind keine überliefert worden.

Seit dem Jahre 1861 und damit seit der Gründung des ersten Vorarlberger Landtages, regierte im Lande die Liberale Partei.

Nachdem Johann-Georg auch im Jahre 1860 als Gemeinderat der „Alten Partei“ (also der Liberalen) in Lustenau gewählt wurde, ist sicher anzunehmen, daß er auch diese Partei im Landtag vertreten hat.

 

 

 

 

 

 

                                              

 

 

 

 

Johann-Georg Scheffknecht, genannt „Rüttiburo Jörg“. Er war Lustenauer Strommeister und führte über 4o Jahre die Aufsicht über die Wuhrungen und Dammbauten am Rhein, war als Tiefbauunternehmer und Geometer beteiligt am Bau der Eisenbahn Bregenz-St. Margrethen.

            Ab 1860 während mehrerer Wahlperioden war er Gemeinderat in Lustenau

und ab 1867-1869 Landtags-Abgeordneter.

 

                                                                       * * * *

Jedenfalls gab es im Jahre 1870 eine politische Zäsur in der Geschichte Vorarlbergs. Erstmals konnte bei den Landtagswahlen 1870 die Katholisch-Konservative Partei eine Mehrheit erringen. Diese Mehrheit, später als „Christlichsoziale“, konnten die Konservativen bis zum Ende der Monarchie halten. Damit war dann wohl auch das Landtagsmandat von Johann-Georg vorbei.

 

                                                                       * * * *

Im Familienblatt von Johann-Georg Scheffknecht ist von Pfarrer Brändle, der in seinen letzten Lebensjahren fast bis zur Unleserlichkeit geschrieben hat – vermutlich war er krank und konnte nur mit Mühe noch schreiben -  ein Vermerk eingetragen, der allerdings sehr schlecht vollständig lesbar ist. Auch mit Hilfe von Prof.Stetter und Dr.Wolfi Scheffknecht konnte keine vollständige Erklärung gefunden werden.

Der Vermerk:

Am 27.April 1867 abgeholt (evtl.ausgestellt?) einen Taufschein für ewig sein (?) anhalt (Antritt ?) an der Kantonsschule St.Gallen gab (?)“

Es handelte sich jedenfalls um eine Taufbescheinigung für die Kantonsschule St.Gallen.

Da zu diesem Zeitpunkte der älteste Sohn Erwin 15 Jahre alt war, könnte für einen Eintritt in diese Schule diese Bestätigung erforderlich gewesen sein. In einem späteren Leumundszeugnis wird dann ja auf eine „mehr als gewöhnliche Schulbildung“ auch hingewiesen. Es könnte natürlich auch Sohn August mit 12 Jahren bereits in die Kantonsschule St.Gallen geschickt worden sein.

Nachforschungen an der Kantonsschule St.Gallen haben über Scheffknecht leider kein Ergebnis gebracht.

 

* * * *

In diesen Jahren fanden aber auch im Landesausschuss (damaliger Landtag) wichtige und buchstäblich weichenstellende Diskussionen über den Bahnbau in Vorarlberg statt. In den Vorjahren gab es die verschiedensten Varianten und Projekte.

 

Jedenfalls war im Jahre 1830 mit der ersten Bahn Manchester-Liverpool das Bahnzeitalter eingeleitet worden.

Heute kann man sagen, dass die allermeisten der heute noch bestehenden Bahnen in Vorarlberg, Österreich, ja in ganz Europa fast alle ausschließlich in der zweiten Hälfte des   20. Jahrhunderts gebaut wurden. Die anfänglichen k.u.k.Staatsbahnen wurden aber durch einen Beschluss von Kaiser Franz Josef I. am 19.10.1854 alle an private Aktiengesellschaften verkauft.

Der österr.Staat brauchte auch damals dringend Geld!

 

1868

Anfangs des Jahres, am 18. Jänner stirbt seine Schwester die Witwe Anna-Maria Bösch geb. Scheffknecht im 63. Lebensjahr. Ihr Gatte Thomas Bösch „Munsars“ ist bereits 12 Jahre früher gestorben. In dieser 22-jährigen Ehe sind 6 Kinder geboren worden, davon werden 3 später wieder Nachkommen haben.

Bei diesem Begräbnis ist Johann-Georg im Alter von 55 Jahren mit seiner Gattin Magdalena sicher bei der trauernden Verwandtschaft dabei gewesen.

Johann-Georg ist bekanntlich der jüngste Sohn der Familie des Anton-Josef Scheffknecht. Gemeinsam wird er an diesem Begräbnis teilgenommen haben mit......

....seiner Gattin Magdalena und seinen zwei noch ledigen Söhnen Erwin und August,

....seinem verwitw. kinderlosen Bruder Anton

....seinem ebenfalls verwitw. Schwager Franz Josef Vetter, dem „Guger“  mit seinen Kindern

....und seinem Bruder Sinesius mit Gattin Anna-Maria-Karolina Kremmel und ihren Kindern.

 

 

* * * *

In diesem Jahre gab es ein außerordentliches Hochwasser; es zählt zu den größten des Jahrhunderts, das besonders verheerend in der Schweiz aufgetreten war. Bei Meiningen brach der Illdamm infolge Rückstauung durch den Rhein. Die unteren österreichischen Gemeinden, insbesondere Lustenau, waren hart bedroht, konnten sich aber der Gefahr erwehren.

Das werden wohl extrem anstrengende Tage für den k.k.Stromaufseher Johann-Georg Scheffknecht gewesen sein. Welchen Einsatz er und seine Wuhrleute erbrachten, kann heute kaum noch erahnt werden.

Alle Dörfer auf der Schweizer Seite des Rheines wurden aber metertief von den Wassermassen des Rheins überschwemmt. Ein Widnauer namens Jakob Spirig rettete 20 Familien vorm Ertrinken.

 

 

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Die Lustenauer wurden in diesem Sommer und Herbst reich gesegnet. Es wurde das fruchtbarste Jahr des Jahrhunderts verzeichnet. Trotz Hagelschlag gab es eine nie dagewesene Mais- und Obsternte. Der Türken trug 2 bis 3 Kolben. Die Krauternte litt anfänglich unter großer Trockenheit, wurde aber nach den Septemberregen noch so ergiebig, daß der Preis für einen Zentner von 3 Gulden auf 3o Kreuzer herunterging.

 

 

* * * *

In der Lustenauer Pfarrkirche wurde in diesem Jahre ein besonderes Fest gefeiert. Nach über 80 Jahren findet in Lustenau wieder eine Primizfeier statt. Der Lustenauer Thomas Hagen feierte als junger Priester in seiner Heimatgemeinde sein erstes hl. Meßopfer. Er war ein Kind aus ärmsten Verhältnissen. Geboren 1836 verließ er mit 12 Jahren die Schule und musste das Weberhandwerk erlernen. Aber nach acht Jahren wurde es ihm möglich in einem halbjährigen Lehrkurs in Bregenz die Vorbereitung zum Volksschullehrer zu machen. Als Lehrer wirkte er in Mittelberg, Hohenems und Lustenau. Aber er wollte höheres erreichen. Mit 23 Jahren, also als Spätberufener zog er ins Gymnasium der Jesuiten in Feldkirch ein. Er war von außergewöhnlicher Intelligenz und mit besonderem Fleiße am Werke. Das Gymnasium absolvierte er immer als Bester zwei Jahre vor der Zeit. Nach Kaplan- u. Pfarrstellen in Dornbirn und Gaißau wurde er 1883 zum Pfarrer in Lustenau bestellt. Mit seltenem Eifer verwaltete nun der einstige Tuchweber sein hohes Amt durch 28 Jahre in seiner Heimatgemeinde Lustenau.

 

* * * *

Im Jahre 1868 brachten die Brüder Hofer die ersten Stickmaschinen Vorarlbergs in Lustenau zur Aufstellung. Die vier Söhne des Sales Hofer, „Saleseler“ lebten in diesen Jahren im gemeinsamen Haushalt im Haus Kapellenstrasse No.7 (Später Mosterei Müller)

Der Unternehmensgeist des Großvaters, Gottfried Hofer, war ihnen eigen. Der Älteste, Josef, erfuhr schon im Jahre 1866 von der neuen Stickmaschine in der Schweiz und bemühte sich das Sticken zu erlernen. Es gelang ihm in Altstätten unterzukommen, wo 10 Stück 3-Yardmaschinen standen. Aber bald kam Josef nach Hause und erklärte, die Stickerei gehe so schlecht, daß bald alle Maschinen still stehen werden. Er wollte die Lehre abbrechen, aber die Familie Hofer beschloss doch, daß Josef die Lehre fertig machte.  Dieser Beschluss war für Lustenau von überaus weittragender Bedeutung.

Bereits im Jahre 1868, der „Älteste“, der 19-jährige Josef Hofer hatte seine Lehre beendet, brachten die Brüder Hofer die ersten beiden Hand-Stickmaschinen in Lustenau zur Aufstellung. Es waren eine 3-Yard und eine 3,5-Yard. Sie hatten aber weder Bohr-noch Stüpfelapparat. Die Inbetriebnahme erfolgte am 28. März 1868.Dieser Tag kann als Geburtstag der Vorarlberger und besonders der Lustenauer Stickereiindustrie bezeichnet werden. Die Leute kamen in Scharen zu den „Höfern“, um dieses Weltwunder zu bestaunen. Josef und Johann betrieben die Maschinen zuerst eigenhändig als Lohnsticker. Aber schon 1870 begann Hofer die Fabrikation von Waren im kleinsten Ausmaß. Bald beschäftigte er eine Anzahl Maschinen, die unterdessen von anderen Lustenauern angeschafft worden waren. Auch die beiden anderen Brüder, Rupert und Gottfried wandten sich der Stickerei zu.

 

 

1869

Am Montag den 8. November, wie es damals durchgehend Brauch war, läuteten im Hause des k.k.Stromaufsehers und Geometers Scheffknecht in der Rheinstrasse 15 zum erstenmal Hochzeitsglocken für eines seiner Kinder. Erwin, der ältere der Scheffknecht Buben, im besten Alter von 27 Jahren, heiratet mit der 24-jährigen Magdalena Hämmerle „Pfiffars“. Es wird sicherlich eine feierliche und noble Hochzeit gegeben haben. Sein jüngerer Bruder August, evtl. der Trauzeuge und unser aller Vorfahr, wird wohl schon zur „Stubat“ zu „Christars“ (Bösch) Maria-Anna gegangen sein. Also wird auch die zukünftige Schwiegertochter bei der Hochzeit mitgefeiert haben.  Nur etwas mehr als zwei Jahre später läuteten dann auch für den jüngeren Scheffknecht, August, die Hochzeitsglocken.

 

 

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Wie wurde früher geheiratet? Es kann sicher davon ausgegangen werden, dass im Jahr 1869 noch nach diesen alten Bräuchen geheiratet wurde:

 

Acht Tage vor der Hochzeit gingen der „Houchzittar“ und dar „Gsell“ (Trauzeuge) mit Rosmarinzweigen geziert zu Verwandten und Bekannten, um aufs Hochzeitsmahl zu laden.

Am Freitag vor dem Hochzeitstag wurden beim Hause der Braut die Möbel, Betten, Wäsche und Küchengeräte, die Aussteuer oder „Brutwago“ auf mehrere Wagen verladen. “S`Brutgschpiel“(Trauzeugin) und der Brautführer, der „G`sell“ saßen auf dem Wagen auf einem weichen Kanapee, das in Mode gekommen war. Mit „Ross und Wagen“ wurde dann die gesamte Fuhre zum künftigen Wohnhaus des Hochzeitspaares gefahren.

Die Freundinnen der Braut richteten dann alles im neuen Heim aufs Beste her. Die Braut durfte dabei aber keinesfalls etwas anrühren.

Am Sonntag vor der Hochzeit versammelten sich die Verwandten und befreundeten Mädchen  der Braut in deren Haus, wobei Sträuße hergerichtet und andere Vorbereitungen für den Hochzeitstag getroffen wurden ( „Meor gond uf d`Strunsat“). Am Abend ging’s dann immer mit Freigetränk und Tanz sehr fröhlich zu. Am Montag früh, damals wurde immer an einem Montag geheiratet, hallten die Böllerschüsse durchs Dorf, den die Burschen der Nachbarschaft sparten das Pulver nicht. Bei der traditionellen „Morgensuppe“ wurde Kaffee und Gugelhupf aufgetragen. Wie in Lustenau Brauch, wurde den Mannen ein Gläschen „Obser“ angeboten, wobei sie mit dem bekannten Spruch: „Manno, niend´s Winwasser!“ zum Trinken aufgefordert wurden. Bevor man das Haus der Braut verließ, betete man gemeinsam ein Vaterunser.

Anschließend zog das Brautpaar in großer Begleitung zur Kirche, wo ein Hochzeitsamt stattfand. Es war zu damaligen Zeit das Übliche, dass die gesamte Hochzeitsgesellschaft zu Fuß zur Kirche ging. Von der  Rheinstrasse 15 war das damals wohl schon ein tüchtiger Morgenspaziergang. Der Bräutigam war schwarz gekleidet, nicht selten trug er sogar einen Gehrock und Zylinder, was ihm natürlich ein besonders vornehmes Aussehen gab. Die Braut trug ebenfalls ein schwarzes Kleid, und, sofern sie noch keine Kinder hatte oder vorher nicht schon einmal verheiratet war, Kranz und Schleier.

Nach der Trauung begaben sich die Hochzeitsgäste in das Haus der Braut. Nachmittags wurden sie von der Musik abgeholt und in das Gasthaus, in welchem das Hochzeitsmahl stattfand, begleitet. Um 2 Uhr begann das Essen. Die meisten Hochzeiten wurden im „Grünen Baum“ im Stalden, im „Ochsen“ in der Rheinstrasse und in der „Sonne“ abgehalten. Der „Ochsen“ stand damals in der Rheinstrasse, wo heute die Stickereifirma Böhi den Firmensitz hat. Die Scheffknecht`s werden wohl bei den Nachbarn eingekehrt sein. Das neuvermählte Paar hatte die Gäste an der Saaltüre zu begrüßen. Beim Hochzeitsmahl wurde eine Dankrede (Abdankung) gehalten. Nachher unternahm der Brautführer für das neuvermählte Paar bei den Anwesenden eine Sammlung, die oft mehrere hundert Gulden eintrug. Die Ausstattung des Brautpaares mit Küchengeschirr und Hausgeräten besorgten, wie dies ja auch noch heute geschieht, die Verwandten („Brutstubat“.)

Noch niemand konnte aber bei dieser Hochzeit die kurz darauf folgende Tragödie erahnen.

 

 

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1869

Ende des Jahres muss die ganze Pfarrgemeinde getrauert haben. 35 Jahre war er Pfarrer in Lustenau: Hans Jakob Brändle. Am 29. Dezember ist er im 78. Lebensjahr gestorben. Geboren war er in Altach im Jahre 1791. Er war der Nachfolger des bekannten Pfarrer Rosenlächer, der im Jahre 1835 in Lustenau verstorben ist. Er war aber früher schon unter Pfarrer Rosenlächer sieben Jahre (1819-1826) Frühmesser in Lustenau. Seine Nachfolger als Frühmesser kamen aber mit den Lustenauern nicht gut zu Rande. Die nächsten sieben Jahre gab es drei verschiedene kurzfristige Frühmesser. Erst Johann Baptist Rein war dann wieder lange Jahre (1833  - 1852) der Frühmesser der Lustenauer. Mit ihren Lustenauer Schäflein werden es beide Pfarrherren, Rosenlächer und Brändle in ihren langen je 34 „Dienst“- Jahren nicht immer einfach gehabt haben. Jedenfalls gibt es aus Rosenlächers Zeiten einige Dokumente, in denen sich Pfr. Rosenlächer bei allen möglichen Stellen über verschiedene Vorkommnisse und Unsitten seiner Lustenauer zum Teil sogar sehr massiv beschweren musste.

 

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In Wien wird am 17.August eine Konzession zum Bau und Betrieb der Vorarlberger Bahnen erteilt.

Federführend in diesem privaten Konsortium ist Carl Ganahl, der damalige 1.Präsident der neugegründeten Handels- und Gewerbekammer. Erstaunlich ist, dass nun bereits im Oktober des gleichen Jahres, also nur 2 Monate später,  mit dem Bau der Bahnlinie von Bludenz bis Bregenz begonnen wurde. Bereits nach 21 Monaten wird die Bahnlinie eröffnet!!! Auch aus heutiger Sicht, sind weniger als zwei Jahre für den kompletten Neubau dieses gesamten Schienenstranges doch außerordentlich beachtlich !!

Im Winter 1870/71 waren auf den verschiedenen Baustellen des Bahnbaues 1306 Arbeiter und 27o Handwerker beschäftigt. Der größte Teil der Bauarbeiten fiel auf das Jahr 1871.

 

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In den vorangehenden Jahren hatten sich in Lustenau viele Handwerke ausgebreitet. Aus einer Steuerliste von 1869 ist ersichtlich, dass es in diesem Jahre 174 Erwerbssteuerpflichtige gab, die insgesamt bereits 670 Gulden Steuer zu zahlen hatten. Für 3 Gulden erhielt man damals 50 kg Türken. 50 kg Kartoffel kosteten 1 Gulden und 4o Kreuzer. Die Brüder Johann und Josef Hofer waren die größten Steuerzahler und zahlten19 Gulden und 64 Kreuzer. Nur noch 10 Bürger zahlten mehr als 5 Gulden und nur die Fabrikanten Stefan und Johann Hofer und der Webwarenfergger Franz Josef Holzer, sowie die Wirte zur Sonne, zur Traube und zum Baum wurden mit 9 Gulden 82 Kreuzer veranlagt.

28 Stückfergger versorgten damals die Frauen und Mädchen, die bei schlechtem Licht am Stockrahmen ihre Augen verdarben, mit Aufträgen aus der Schweiz. Von der einstmals starken Webergesellschaft aus dem Jahre 1807 ist nichts mehr zu hören. Das Aufkommen der mechanischen Webstühle war das Todesurteil der Lustenauer Weber.

 

Das Jahr 1869 war der Beginn einer radikalen Strukturänderung unserer Gemeinde. Als man sah, wie Johann und Josef Hofer mit den Handstickmaschinen verdienten, wollte plötzlich alles Maschinen haben. Obwohl eine Maschine mit Lokal auf ca. 2000 fl bzw. 4000 sfr zu stehen kam, wurden zahlreiche Maschinen auf Bürgschaft gekauft. Der Nachwuchs für das ehrbare Handwerk aber fehlte ganz. Die Lücken wurden aufgefüllt durch zuziehende Handwerker aus den Nachbarländern. Namen wie Aicher, Brunold, Günter, Hautle, Rümmele, Schmid, Rambach, Grahammer, Kopf usw. tauchen seit etwa 1880 auf und sind bald aus dem gewerblichen Leben Lustenaus nicht mehr wegzudenken.

 

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Im Jahre 1869 war die Postbotenfahrt (Ross und Wagen) Dornbirn – Au (Rheintal) eingeführt worden. Diese grenzüberschreitende Linie hatte sich allerdings nicht lange gehalten. Schon 1873 spricht man nur noch von der Linie Dornbirn – Lustenau. Haltestellen dürften die vielen Gaststätten am Wegrand gewesen sein. In beiden Gemeinden erlangte die Industrie immer mehr an Bedeutung, sodass sich die führenden Köpfe dann ernstlich damit befassten, die beiden Orte einander näher zu bringen. Diese Bemühungen endeten dann später im Bau einer Elektrischen Bahn Lustenau-Dornbirn, der EBDL.( Eröffnung 1902) In der Geschichte Vorarlbergs fuhr also die bisher einzige und erste Straßenbahn durch Lustenau und Dornbirn. Dies blieb dann auch so bis zum 31. Oktober 1938. Unter der neuen NS-Herrschaft wurde „modernisiert“, die Bahn abgebrochen und durch einen Busverkehr ersetzt.

 

 

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Bis zum Jahre 1869 war die Sonntagsschule für alle Schulentwachsenen bis zum 16. Jahre obligat. Die „normale Schulzeit“ endet für die meisten Kinder schon mit 13-14 Jahren. In der Sonntagsschule waren Unterrichtsgegenstände Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen und Aufsatz. Der Religionsunterricht wurde in der Christenlehre erteilt, zu deren Besuch alle Sonntagsschüler verpflichtet waren.

 

 

1870

Im schönen Herbst dieses Jahres, am 26. September stirbt die junge Frau des ältesten Sohnes Erwin Scheffknecht.

Nur 10 Monate nach der Hochzeit im November des Vorjahres stirbt Magdalena Scheffknecht, geb. Hämmerle im jugendlichen Alter von 24 Jahren. Welche Trauer muss bei Vater und Mutter Scheffknecht, aber vor allem auch beim Gatten Erwin vorgeherrscht haben. Sicherlich wurden Hunderte von  „warum?“ und „wieso?“ Fragen gestellt.

Aber bei allen Schicksalsschlägen, die unsere Vorfahren immer wieder auch getroffen haben, ist immer wieder ein enorm starkes „ma richt´s ou widr“ auch nach 150 Jahren nachzuspüren.

Unsere SCHEFFKNECHTLER-AHNEN müssen  mutige und tapfere Menschen gewesen sein, eben echte starke LUSTENAUER. Niemand und Nichts konnte sie umwerfen.

 

 

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Im jahrelangen Streit um das „Gysische-Schwellwuhr“ kam es am 28.März 1860 zu einer kleinen Revolution. Durch das durch einen Fussacher Textilfabrikanten im Lustenauer Kanal, allerdings im Gemeindegebiet Hard, eingebaute Schwellwuhr kamen viele Lustenauer Grundstücke zu Schaden. Hohe Grundwasserstände waren die Folge. Die Ernten litten sehr darunter. Vorsteher Josef Bösch de „Geisler“ hatte wiederholt Einsprüche an die k.k.Statthalterei Innsbruck gemacht, jedoch ohne jeden Erfolg. Wer will es den Bauern verargen, dass sie nun zum äußersten Widerstand entschlossen waren? Es gab Protestversammlungen und da soll dem „Geisler“ das unglückliche Wort: „Da helfen nur noch Axt und Sapin“ entschlüpft sein. Jedenfalls kam es am 28.März 1870 zu einer kommissionellen  Verhandlung an Ort und Stelle, zu der der Bezirkshauptmann und einige Experte, sowie die Ortsvorsteher von Fussach, Höchst und Lustenau, sowie Strommeister August Scheffknecht vorgeladen war.

Während diese Kommission im „Löwen“ im Birkenfeld tagte, kam es zu einer Aufwiegelung der Bauern, sodass diese mit einer Rotte von 5o Bauern gegen das verhasste Wuhr zogen und dieses anfingen zu demolieren. Am nächsten Tage aber wurden 12 Bauern verhaftet und schließlich ein einem Prozess in Feldkirch zu ein bis drei Monaten Arrest verurteilt. Schwerer wog aber noch der Ehrverlust und die dadurch bedingte Streichung aus der Wähler-Liste. Die Aktivisten waren aber noch gut davon gekommen. Umso schärfen nahmen die Behörden den Vorsteher Josef Bösch den „Geisler“ aufs Korn. Das Endurteil fällte die Statthalterei Innsbruck dahin lautend, dass Josef Bösch seines Amtes als Vorsteher in Lustenau zu entheben sei. Die Absetzung fiel fast mit der folgenden Gemeindewahl zusammen. Der Umstand, dass einige Wähler mit der Straffälligkeit aus der Liste gestrichen waren, erleichterte es der „Alten“ Partei den zweiten Wahlkörper wieder zurück zu gewinnen.

 

Die Gemeindewahlen erbrachten wieder einen Sieg der „Alten“ und August Alge, „Löwenwirt“ und 1. k.k. Postmeister, konnte nun die kommenden zwölf Jahre die Geschicke der Gemeinde lenken. Die staatspolitischen Ereignisse gingen auch in Lustenau nicht ganz spurlos vorüber. In der Schulpolitik zeigte sich eine immer stärkere Betonung der weltanschaulichen Gegensätze. 

 

 

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Am 27. August dieses Jahres kam es endlich auch zu einem Vertrag zum Bau der Eisenbahnlinie Bregenz/Lauterach nach St. Margrethen.

Beim Eisenbahnbau verdiente ein Arbeiter 70 Kreuzer bis 1 Gulden pro Tag.

 

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Die Entwicklung des Niederrades mit Kettenantrieb um das Hinterrad sorgte in ganz Österreich nach 1870 für einen regelrechten „Radfahrerboom“ in jenen Bevölkerungsschichten, die sich den hohen Anschaffungspreis eines Fahrrades leisten konnten. Es muß aber wohl noch viele Jahre gedauert haben, bis auch in Lustenau

das erste auftauchende Fahrrad wohl mächtig bestaunt werden konnte.

Aus einer Aufzeichnung im Gemeindearchiv ist jedenfalls ersichtlich, daß 1891 (also 21 Jahre später !!) in Lustenau erst drei !!!! Fahrräder vorhanden waren !! Heute sind es wohl einige Tausend!

 

 Ob wohl ein „Scheffknecht`ler“ durch die Gemeinde „radelte“?

Jedenfalls dauerte es noch runde 30 Jahre bis zum 17. Mai 1902 von der k.k.Statthalterei Innsbruck erstmals amtliche „Bestimmungen bezüglich des Fahrens mit dem Fahrrad auf öffentlichen Straßen“ für die „gefürstete Grafschaft Tirol und Vorarlberg“ erlassen wurden.

 

* * * *

Am 1. Juli 1870 wurde in Lustenau ein zweiter Männerchor gegründet. Gründer waren wieder Lehrer Hilar Hämmerle, Viktor Sperger und andere. Bei der Primiz des HH. Hieronymus Grabher am 23. August 1870 trat die „Liederhalle“ zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Lehrer Hilar Hämmerle schwang nun in diesem Verein 10 Jahre den Taktstock. Der Verein entwickelte eine sehr aktive Tätigkeit. Nebst der Verschönerung der Fronleichnamsprozessionen und Gesangbeiträgen bei örtlichen Primizen (1880,1883,1884, 1888, 1891 und 1893) kannte damals die Begeisterung für den Gesang buchstäblich keine Grenzen. Der Gesangverein „Liederhalle“ beteiligte sich an Sängerfahrten nach Friedrichshafen 1872, zum Österreichischen Bundeschießen nach Innsbruck 1885 usw.

Auch dieser Chor blieb bis 1919 ein reiner Männerchor. Erst 1919 entstand mit der Aufnahme von Mädchen und Frauen ein gemischter Chor.

 


 

* * * *

Der Deutsch-Französische Kriege von 1870 brachte der noch jungen Stickerei eine erste Krise. Aber schon nach einem guten Jahr war diese wieder überwunden.

 

 

* * * *

Im Jahre 1870 gibt es in Lustenau noch 20 Töpferwerkstätten. Aber bereits 30 Jahre später gibt es nur noch eine einzige Töpferei. Auch die ursprünglich bedeutende Weberei verschwand. Noch zu Zeiten der Geburt des Vaters Anton Scheffknecht (1776) gab es in Lustenau an die 50 Handwebstühle.

                                                                        * * * *

 

Im Jahresbericht 1870 in der Kirchenchronik steht:

Es wurden 189 Kinder geboren, gestorben sind 170 Personen, davon 99 Kinder.

Getraut wurden 57 Paare.“

Auch im letzten Viertel dieses Jahrhunderts war die Kindersterblichkeit noch enorm hoch.

Heute ist es nicht mehr zu verstehen, dass diese Leute – Mütter, Väter und Geschwister –

solches Kindersterben ertragen konnten.

 

1870 war ein neuer Vorsteher (Bürgermeister) in der Person von August Alge gewählt worden. Alge war dann 12 Jahre Vorsteher bis 1882.

 

1871

Im Jahre 1871 wurde von der Gemeindevorstehung an das löbl. k.k. Bezirksgericht ein Leumundszeugnis für Vater Johann-Georg und seine beiden Söhne Erwin und August  ausgestellt.

Der Grund könnten Parteienstreitereien und Verleumdungen gewesen sein. Im letzten Absatz lässt Vorsteher Alge dies ziemlich deutlich erkennen.

Dieses Leumundszeugnis liegt als Abschrift in einem dafür vorgesehen Buche im Lustenauer Gemeindearchiv vor. Damals gab es ja keine Kopierer. Jedenfalls wurde das Originaldokument an das Gericht geschickt, eine Abschrift aber wurde in das noch vorhandene Buch eingetragen. Dieses Leumundszeugnis lautet wortwörtlich geschrieben wie folgt: (Gemeindearchiv-Buch Leudmundszeugnisse Seite 142 No.233)-Auszug wie folgt:

 

 „ Löbl. k.k. Bezirksgericht

                                                  in

                                                               Dornbirn

 

Über wohldortiges Ersuchschreiben vom 4.d.M.

Zhl. 210 den Leumund des Johann Bösch, Sohn des

Jos. Bösch Altvorsteher, den Joh. Georg, Erwin

& August Scheffknecht betreffend wird hiermit

abgegeben folgender

 

                                               Bericht

 

 

1.) Johann Bösch  ..........

 

2.)Joh.Georg Scheffknecht 57 Jahr (*26.3.1813  + 30.9.1888) alt, ist k.k. Stromaufseher, welchen Berufe er mit Eifer und Umsicht obliegt u. der Ausbildung seiner Söhne Erwin & August volle Obsorge widmete. Das Vertrauen seiner Mitbürger berief ihn seinerzeit auch in die Landesvertretung. Scheffknecht wirkte mit Eifer durch mehrere Wahlperioden hindurch als Gemeinderath & Ausschussmann in der Gemeindevertretung, ist ein Freund der neuen Einrichtungen & war seine Haltung in politisch & moralischer Beziehung derart, dass er sich mit Recht eines sehr guten Leumundes erfreuen kann.

 

Pkt.3.)

 

3.)Erwin Scheffknecht (*10.4.1842  + 12.3.1875 Sohn von Joh.Georg) 29 Jahre alter Wittwer  lebt bei seinen Ältern, versah  durch mehrere Jahre hindurch unter sehr schwierigen Verhältnissen den Gemeindeschreiberdienst & ist jetzt Gemeinderath. Als Gemeinderath nimmt er sich der Gemeindeangelegenheiten warm an, besorgt nebenbei noch sehr viele Schreibgeschäfte & hat der Gemeindevorstand an ihm eine sehr wesentliche Stütze.

Er ist verläßlich, sehr dienstgefällig, stets nüchtern & und ist sein Leumund in Rücksicht der bisher in politisch & moralischer Beziehung an den Tag gelegten Haltung als sehr gut zu bezeichnen.

 

4.) August Scheffknecht (*7.7.1845 + 1.8.1925 Sohn von Joh.Georg)

ist 1845 geboren, ledig ,befindet sich bei seinen Ältern und geht seinem Vater der nebst seinem Stromaufseherdienst sich vielfältig noch um Eisenbahn- & Straßenbau-Unternehmungen beteiliget, bei seinen diesbezüglichen technischen Ausarbeitungen  sehr gut an die Hand & unterstützt ihn hierin wesentlich.

Er  genoß eine mehr als gewöhnliche Schulbildung ist übrigens ein geselliger gutmüthiger Bursche, & und kann sich , da gegen sein bisheriges Betragen & seine Haltung in gar  keinerlei Beziehung etwas Nachteiliges vorliegt eines sehr guten Leumundes erfreuen.

Schließlich darf nicht unerwähnt gelassen werden, dass die bei uns bestandenen, & leider noch nicht ganz verwischten Parteiverhältnisse den Grund dieser Angelegenheit bilden dürfte.

 

Gemeindevorstehung Lustenau,

                             den 10. März 1871

                                                           August Alge Vorsteher

                                                           Josef Hofer Gemdth (Gemeinderat)“

 

 

 

 

1871

Bereits am 19. Oktober 1871 kam es zwischen den beiden Staaten (Schweiz und Österreich)

zu einem „Präliminar-Übereinkommen“, womit die Ausführung der zwei Rheindurchstiche beschlossen wurde. Dabei wurde auch die Ableitung des Koblacher Kanals direkt gegen den See in Aussicht gestellt. In jenen Jahren war ein sehr aktiver und für Lustenau segensreicher Beamter der k. u. k. Hofrat Dr. Ing. Philipp Krapf tätig. Er plante im wesentlichen die großen Binnenwasserbauwerke im unteren Rheintal (Koblacherkanal, Scheibenkanal u.ä.). In Lustenau ist dankenswerter Weise auch eine kurze Straße nach ihm benannt. In  bezeichnender Weise führt diese Philipp-Krapf-Straße direkt zur Rheinbrücke.

Es dauerte aber noch beinahe 30 Jahre, und es mußten noch zwei verheerende Rheinüberschwemmungen (1888 und 1890) über Lustenau kommen, bis endlich die Rheinregulierungen in Angriff genommen wurden. Die  Zentralbürokratien in Bern und Wien waren auch damals oftmals weit von den Anliegen ihrer betroffenen Untertanen entfernt.

Im Jahre 1900 kam es endlich zur Eröffnung des unteren Fußacher-Rheindurchstichs.

 

 

1872

Nun ist es doch auch mit dem Jüngsten soweit. Am Montag den 29. Jänner heiratet Sohn August Scheffknecht im Alter von 27 Jahren „Tschügis Christars“ Maria-Anna Bösch. Seine Braut steht im 24. Lebensalter. Nach dem tragischen Tode der jungen Frau seines Bruders Erwin vor 1 ½ Jahren kommt nun doch wieder Freude in das Haus Scheffknecht in der Rheinstrasse 15.

Vater Johann-Georg Scheffknecht steht im Alter von 59 Jahren, seine Gattin Magdalena ist ein Jahr jünger. (Stammbaumblatt U-2 und U-3)

 

Nur gute 2 Monate später heiratet der verwitw. Sohn und Bruder Erwin ein zweites Mal. Der Witwer Erwin mit seinen 30 Jahren gibt am  8. April der sehr jugendlichen 21-jährigen Braut Anna-Maria Bösch „Christars“das JA-Wort. (Stammbaumblatt U-2) Es ist dies eine Schwester der Frau seines Bruders Erwin. Zwei Brüder haben also zwei Schwester geheiratet.

 

Anna-Maria Bösch,die zweite Gattin des Erwin Scheffknecht, die später durch eine zweite Heirat mit Ferdinand Hollenstein die Mutter der Kunstmalerin Stefanie Hollenstein werden wird, und ihre Schwester Maria-Anna Bösch, die erste Gattin des August Scheffknecht, sind die Töchter des Rheinschiffers Johann Bösch, Christars. Der Vater der Braut ist also der tüchtige Lebensretter aus dem Jahre 1839. Damals wurden von ihm allein mindestens 13 Personen bei einem Fährenunglück das Leben gerettet.

Alles Glück der Welt schien nun doch noch für Erwin Scheffknecht aufzuleuchten. Doch es sollte hart und unerbittlich nur zwei bzw. drei Jahre später kommen. Im Jahre 1875 schlug das Schicksal nochmals und mit doppelter Wucht auf die Familien Scheffknecht ein. Doch dazu unter den Ausführungen zum Jahre 1875.

 

Vorerst gab es am Ende des Jahres noch ein besonders freudiges Ereignis. Am 10. Dezember, schon 8 Monate nach der II.Heirat des älteren Scheffknecht, Erwin, wurde durch seine  nunmehrige II. Ehegattin Anna-Maria Scheffknecht geb.Bösch das erste Enkelkind geboren. Die Tochter wurde auf den Namen der Großmutter Magdalena getauft.

 

Der jüngere Scheffknecht, August und seine Gattin Maria-Anna aber wollten nicht nachstehen. So gab es bereits 9 Tage später wieder eine Geburt im Hause Scheffknecht.

Im Jänner gab sich das Paar August und Maria-Anna das JA-Wort und im Dezember kam der erste Sohn  zur Welt. Am 19.Dezember wird also das erste Kind mit Namen Georg-Johann geboren. (Später verheiratet mit Rosina Isele – Stammbaumblatt A-1)

 

Da wird schon Freude aufgekommen sein im Hause Rheinstrasse 15. Innerhalb nur knappen 14 Tagen  die ersten zwei Enkel.

Es ist zu hoffen, dass die beiden schwangeren Frauen einen schönen Sommer hatten. Beide werden sich darauf gefreut haben, noch in diesem Jahr Nachwuchs zu bekommen. Die beiden Schwiegertöchter von Johann-Georg werden sich sicherlich auch Gedanken darüber gemacht haben, wer nun wohl den ersten Enkel auf die Welt bringen wird.

 

Johann-Georg wird mit 59 Jahren Großvater und seine Gattin Magdalena erstmals Großmutter mit 58 Jahren. Beide zusammen werden in den nächsten Jahren noch 7 Enkel bekommen, alles Kinder von August und Maria-Anna, bzw. seiner späteren zweiten Gattin „Pfiffars“ Sophie Scheffknecht geb. Hämmerle.

 

 

* * * *

Am 1. Juli 1872 wird die neue Bahnlinie Bludenz – Feldkirch – Bregenz – Bayr. Grenze eröffnet  und bereits am 23. November wird auch die Bahnlinie Lauterach (Bregenz) nach St. Margrethen feierlich eröffnet. Bemerkenswert ist, dass in den ersten Jahren in Lustenau noch kein Bahnhof oder eine Haltestelle vorhanden war. Auf der amtlichen Kundmachung zur Eröffnung kommt die Gemeinde Lustenau überhaupt nicht vor! Dies kann wohl auch als Zeichen dafür gelten, wie „unwichtig“ damals die wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinde Lustenau war. Allerdings muss auch dazu gesagt werden, dass die Bahnlinie im nördlichsten Teil der Gemeinde (Hag) vorbeiführte. Von dieser Bahnlinie konnte man damals in freier Sicht die bereits über 200 Jahre alte  Lorettokapelle (erbaut ca. im Jahre 1660) sehen. Dahinter gab es damals wieder große Ackerflächen und im Hintergrund ist auch die 1830 gebaute Rosenlächer-Negrelli Kirche sichtbar. Dazu gibt es eine noch heute erhaltene Aquarell-Zeichnung aus dem Jahre 1840.

 

Lustenau musste noch drei Jahre warten, bis dann endlich auch in Lustenau ein kleiner Bahnhof gebaut wurde.

Nachstehend ein Auszug aus dem Gemeinderatsprotokoll der Gemeinde St. Margrethen (Schweiz) vom 16. November 1872 (also 7 Tage vor der Eröffnung der Bahn Lauterach <> St.Margrethen):

 

„Nachdem die Eröffnung der Flügelbahn Lauterach – St. Margrethen nächstens vor sich geht und die Gemeinde wohl etwelche Festlichkeit zur Eröffnung anordnen darf,  womit sich der Gemeinde- und  Ortsverwaltungsrath jüngsthin einverstanden erklärten, hat die zu näherer Berathung ernannte Commission ein Programm aufgestellt in der Weise, dass das Ankommen des Zuges mit 22 Böllerschüssen  begrüßt, bei Anhalten des Zuges ein Lied abgesungen, von Herrn Amann Künzler eine Begrüßungsrede gehalten, 2 Inschriften an geeigneten Orten angeschlagen und den ankommenden Gästen im Schweizerbund ein Trunk verabreicht werden soll.

Die daherigen Kosten werden im Einverständnis beider Räthe von der Polizei und Ortsgemeindekasse getragen.

Der Gemeinderath ist mit diesem Programm und Ausführung einverstanden.

Es bleibt immerhin noch dahingestellt, ob diese gewiß bescheidene festliche Anordnung von der Vorarlberger Eisenbahnverwaltung nun angenommen werde.“

Nach einer Ausforschung von Hans Scheffknecht wurde diese kleine Eröffnungsfeier in       St. Margrethen abgehalten (Lustenau hatte ja noch keinen Bahnhof !!).

An der bescheidenen Feier haben neben einigen Lustenauern noch teilgenommen:

Vertreter der politischen Gemeinde St. Margrethen

            Vertreter der Ortsbürgergemeinde St. Margrethen

            Vertreter des Bahnhofes St. Margrethen  und

            das Fahrpersonal des Zuges 3026 der um 9,57 Uhr  in St.Margrethen angekommen ist.

Später ist dann noch der Bahnhofvorstand von Bregenz dazu gekommen.

Da die Gemeinde Lustenau zu dieser Zeit noch ein ausgesprochenes Bauerndorf war, wurde dort keine Station eingerichtet, hingegen wurde Hard-Fußach als wichtiger Haltepunkt berücksichtigt, weil hier ein Anschluss zum Bodenseehafen Fußach bestand. Erst 5 Jahre später kam es dann auch zu einer Station in Lustenau.

Die Politische Gemeinde Lustenau wird bei dieser Eröffnungsfeier in St. Margrethen nicht stark, oder überhaupt nicht vertreten gewesen sein.

Dass aber unser Vorfahr Johann-Georg Scheffknecht am Bahnhof St.Margrethen bei dieser Eröffnung gestanden ist, dürfte ziemlich wahrscheinlich sein. Aus Nachforschungen von Hans Scheffknecht geht nämlich folgendes hervor:

Scheffknecht Hans schreibt: „ Der Lustenauer Johann-Georg Scheffknecht, genannt „Rüttiburo Jörg“ war der Erbauer der Bahnstrecke Lauterach (Bregenz) -  St. Margrethen. In den Jahren 1871/72 baute er mit dem schweizerischen Mitarbeiter Johann Zeller, „Zum Schiffli“ in Au diese Bahnstrecke. Die große Materialbewegung war unter den damaligen Verhältnissen sehr schwierig; noch lange sah man an der Strecke Aushubstellen. Die größte Anstrengung war die Verlegung des Geleises in der fast in einem rechten Winkel verlaufenden Kurve in der Nähe der Eisenbahnbrücke, die als eine der schärfsten Kurven im Bahnbereich gilt.“

Ob nun Johann-Georg Scheffknecht tatsächlich der „Erbauer“ der Bahnstrecke war, konnte auch in den verschiedenen Schriften und Büchern zum Bahnbau in der Vorarlberger Landesbibliothek nicht bestätigt werden.

 

Allerdings gibt es im Landesarchiv Vorarlberg eine Kopie eines Zeitungsberichtes, leider nicht mit Datum versehen, der auf einiges Interessantes zusätzlich  hinweist. Der Bericht ist auszugsweise wie folgt:

 

Johann-Georg Scheffknecht war von Beruf Stromaufseher und für die Rheinstrecke von Koblach bis Gaißau zuständig. Außerdem betrieb er mit großem Erfolg ein Tiefbauunternehmen. Die Bahnlinie St.Margrethen <> Bregenz, sowie das erste Baulos der Toggenburgerbahn in der Schweiz und eine Strecke der neuen Straße von Berneck nach Oberegg zählen zu seinen gebauten Projekten. Er hatte auch großen Anteil an den hier örtlichen Bodenvermessungen. Ehrenamtlich bekleidete er die Stelle eines Landtagsabgeordneten Vorarlbergs und fungierte in Lustenau viele Jahre als Gemeinderat. Nebenbei blieb er mit seiner Heimatscholle eng verbunden, nachdem er noch eine ansehnliche Landwirtschaft besaß, für die er allerdings wenig Zeit aufbrachte. Trotz seiner geringen Schulbildung schaffte er es in dieser Zeit zu großem Ansehen und Wohlstand. Durch seine begabten Fähigkeiten und seinen edlen Charakter war er im öffentlichen Leben stark hervorgetreten und eine markante Persönlichkeit unseres Marktes Lustenau. (Dir. Vetter Beno)“

 

1872

Lustenau hatte in diesen Jahrzehnten einen enormen Bevölkerungszuwachs. Noch 1823 wurden ca. 2500 Seelen gezählt. Bereits im Jahr 1870 zählte Lustenau ca. 4000 Einwohner und bis zum Jahre 1910 hatte sich die Einwohnerzahl wiederum verdoppelt auf runde 8000 Einwohner. Aber bereits 6o Jahre später war in Lustenau wieder eine Verdoppelung zu verzeichnen (1970 ca. 16000 Einwohner) Heute zählt Lustenau bekanntlich runde 20.000 Einwohner.

 

 

* * * *

1872-1875 wurde die Negrellikirche einem radikalen Umbau unterzogen, dem auch der Kuppelaufbau des Turmes zum Opfer fiel. Der Turm wurde erhöht und mit einem Spitzhelm versehen.

Unter Pfarrer Feßler wurde die dreischiffige Rosenlächerkirche in eine geräumige Hallenkirche mit flacher Decke umgewandelt. Später, 1907, kam ein Hauptportal dazu und 1928 gab es einen neuen Außenputz.

Die heutige Pfarrkirche St.Peter und Paul entstand in den äußeren Maßen (Länge/Breite) im Jahre 1830/32. Die heutige Höhe der nachmaligen Hallenkirche entstammt dem Umbau von 1870-1872. Radikale Veränderungen waren dann allerdings später in den 195o-er Jahren und neuerdings in den 1990er Jahren durchgeführt worden.

 

1874

Der Februar ist ein sehr trauriger Monat bei der Familie Erwin Scheffknecht  und Anna-Maria Scheffknecht geb.Bösch. Am 10. Februar stirbt die kleine  nur 1 ¼  Jahre alte Enkelin Magdalena. Es ist die kleine Tochter vom Ältesten, Erwin und seiner II.Gattin Anna-Maria-Bösch.

 

 

* * * *

Am 23.Mai, nur drei Monate später, wird der dritte Enkel, Maria-Magdalena als Tochter von August und Maria-Anna geboren.( Später verheiratet mit Johann Holzer „Wendelis“ – Stammbaumblatt A-2)

So nahe zusammen liegen Freud und Leid. Bei der doch hohen Kindersterblichkeit auch noch im letzten Jahrhundert, gab es natürlich im Gegensatz zu heute wesentlich mehr das Sterben von Kindern. Mütter und Väter aber haben solche Schicksalsschläge so getragen, wie wir es heute wahrscheinlich nicht mehr könnten. Trotz allem, scheint immer das Motto gewesen zu sein,

„As goht irgendwi doch witr“.

 

 

* * * *

Im Spätfrühjahr kommt es zu einem Großbrand im Zentrum des damaligen Lustenau. Das traditionsreiche Gasthaus „Sonne“ der Familie Eduard Alge fällt einem Brand zum Opfer.

 

1875

Das kurze Glück des Erwin und seiner noch so jungen Gattin Anna-Maria geb. Bösch war gleich mit einer Tochter gesegnet, die aber schon nach knapp über einem Jahr Lebensalter stirbt (+10.2.1874). Ein erster schwerer Schlag. Aber es kommt nun im Frühjahr des Jahres 1875 zu einem weiteren furchtbaren Schicksalsschlag.

Nach nur drei Ehejahren mit seiner zweiten Gattin Anna-Maria geb. Bösch und nur 13 Monate nach dem Tode der ersten Tochter Magdalena, stirbt Erwin am 12. März im besten Mannesalter von 33 Jahren! Zurück bleibt eine Witwe mit 24 Jahren, der auch schon das Kind weggestorben ist. Für den 62-jährigen Johann-Georg, seine Gattin Magdalena und seinen 30-jährigen Bruder August und dessen Gattin Maria-Anna Bösch „Christars“ muss dieser Tod ein furchtbares Ereignis gewesen sein.

Viele Hoffnungen hatte sicherlich Vater Johann-Georg auf seinen Ältesten gesetzt, zumal er ja ein sehr tüchtiger und beruflich ausgezeichneter Mann war. Nun aber dieser schwere Schlag.

 

Die beiden Enkelkinder und Neffen des Onkel Erwins, der 3-jährige Georg-Johann und die 10-Monate alte Nichte Maria-Magdalena werden sicher nur mit großen unverständlichen Augen, die große Trauer in den Scheffknecht-Familien gesehen haben.

 

Die verwittw.Anna-Maria SCHEFFKNECHT geb. BÖSCH heiratet aber bereits runde acht Monate später wieder. Am 22.November 1875 schließt sie mit dem 30-jährigen Ferdinand Hollenstein eine zweite Ehe. Aus dieser Ehe werden dann 6 Kinder geboren. Es sind dies Johann, Katharina, Anna-Maria, Frieda, Stefanie und Rosa. Die zweitjüngste Tochter wird dann später zur bekanntesten Lustenauer Künstler, der STEFANIE HOLLENSTEIN.

 

 

* * * *

Mit welchem Lebenswillen diese Menschen aber ausgestattet waren, zeigt die weitere Lebensgeschichte. „Das Leben muss einfach weitergehen“.

Noch im gleichen Jahre, nur 8 Monate später, am 22. November des Jahres 1875 heiratet die 24 Jahre junge Witwe in II. Ehe. Am Montag des 22. November führt sie der 3o-jährige Ferdinand Hollenstein ( * 9.4.1845  + 12.2.1924) zum Traualtar. Noch zu Lebzeiten von Johann-Georg und Gattin Magdalena werden aus dieser Ehe 5 Kinder geboren. Das 6. Kind, Rosa, der Eheleute Hollenstein wird im Jahre 1891, 3 Jahre nach Johann-Georgs Tod, geboren.

Das bekannteste und sicher auch berühmteste Kind dieser Familie ist die spätere Kunstmalerin Stefanie Hollenstein ( * 18.7.1886 ). Alle sechs Kinder bleiben ohne Nachkommen und bildeten mit ihrem Vermögen und dem künstlerischen Nachlass ihrer Schwester Stefanie, die Grundlage für die heutige Stefanie Hollenstein Galerie.

So ist die jungverwitw. Schwiegertochter von Johann-Georg Scheffknecht noch zur Mutter der berühmtesten Künstlerin Lustenaus geworden.

Stefanie Hollenstein hat auch ihre Mutter gemalt. So ist uns ein Bild (43 x 34 cm) aus dem Jahre 1916 überliefert, die die Mutter Anna-Maria Hollenstein geb. Bösch verw. Scheffknecht im Alter von 65 Jahren darstellt. Mutter Anna-Maria Bösch und erste Gattin von Erwin Scheffknecht, also auch Schwiegertochter von Johann-Georg starb hochbetagt am 13. August 1943 im Alter von 92 Jahren.

BILD der MUTTER Anna-Maria HOLLENSTEIN
geb.Bösch, verw. Scheffknecht
geb. 8.4.1851, gest.13.8.1943

Im 65. Lebensalter gemalt 1916 von Tochter Stefanie Hollenstein
Öl auf Leinwand 42,8 x 34 cm
Galerie Hollenstein, Pontenstrasse

I. Ehe mit Erwin Scheffknecht, geb. 10.4.1842 gest. 12.3.1875, verheiratet am 8.4.1872 (3 Jahre)

II. Ehe m. Ferdinand Hollenstein, geb. 9.4.1845 gest. 12.2.1924, verheiratet am 22.11.1875

 

 

* * * *

In Lustenau wird endlich am 15. Oktober 1875 die Eröffnung einer eigenen Bahn-Station Lustenau vorerst kundgemacht.Aber es dauerte doch noch ein Jahr. Erst am 4. Oktober 1876 steht endlich in Lustenau mit 4000 Einwohnern der mehr als bescheidene Bahnhof, den man ihr beim Bau der Bahn nach St. Margrethen noch verweigert hatte.

Dieser Bahnhof wurde dann später in Lustenau, „Der Alte Bahnhof“ genannt und stand bis in die 8o-er Jahre als nördlichster Abschluss der Augartenstrasse.

 

 

* * * *

Im Sommer dieses Jahres, am 22. August wird die neu umgebaute Pfarrkirche feierlich von Weihbischof Joh. Amberg eingeweiht.

 

 

* * * *

In der Stickereigeschichte Lustenaus war dieses Jahr wieder von größter Bedeutung. Josef Hofer „Salesis“ gründete in Vereinigung  mit seinem Bruder Johann Hofer und seinem Schwiegervater Johann Bösch,  „Lindenwirt“ die erste Fabrik mit 16 Hand-Stickmaschinen, System Benninger. Das ist das Gründungsjahr der Firma J.J.Hofer & Bösch.

 

 

* * * *

Im Rheindorf, ganz in der Nähe des Wohnhauses Johann-Georg Scheffknechts (heute Rheinstrasse No.15) wurde im Jahr 1875 die einfache Brücke aus dem Jahre 1867 abgebrochen. Eine neue, gedeckte Rhein-Brücke wurde erbaut. Diese Brücke diente dann über runde 8o Jahre und fiel einem Groß-Brand am 10. Juni 1950 zum Opfer.

 

1876

Der dritte Enkel Erwin  bei Sohn August und Maria-Anna wird am 6. Februar geboren.(Später verheiratet mit Anna-Maria Hämmerle – Stammbaumblatt A-3 )

Erwin wird später mein Großvater in der Rotkreuzstrasse 5. Er hat dann später 7 Kinder und bis zum heutigen Tage direkte 125 Nachkommen.

 

 

* * * *

Am 28. Juli stirbt Johann-Georgs  Schwager, der verwitw. “Guger“ Franz Josef Vetter im 72. Lebensjahr. Seine Gattin und Schwester von Johann-Georg ist bereits vor 11 Jahren gestorben. In der Familie Vetter wurden 8 Kinder geboren, davon werden 4 Kinder auch wieder Nachkommen haben. Eines der Kinder, das 5.Kind Filibert wird später der Vater des Heimatdichters BENO VETTER.

Die meisten der erwachsenen Kinder des „Gugers“ haben zu diesem Zeitpunkte schon längst wieder eigene Familien gegründet.

 

 

* * * *

In einer Volksabstimmung vom 16. August 1876 lehnten die Bürger von Lustenau die Einführung einer Vermögenssteuer ab.

Kaum zu glauben ist, dass es in der vielgelästerten Monarchie vor über 120 Jahren schon möglich war, die Bürger über die Einführung einer neuen Steuer abstimmen zu lassen. Heute, da bekanntlich alles Recht vom Volke ausgeht, werden Steuern und Gebühren einfach vorgeschrieben. Bums! Basta! In der „guten alten Zeit“ wurden die Bürger etwas respektvoller behandelt. Für diesen Tag wurden vom Vorsteher August Alge ab 8 Uhr früh sämtliche Steueranten (Es waren 1029 Steueranten, d.h.Abstimmungsberechtigte) mit dem Bemerken eingeladen, dass die Zahl der Nichterscheinenden der Stimmenmehrheit beigezählt werde! Die Abstimmung erfolgte mit Ja und Nein. Es gab eine Wahlkommission, bestehend aus dem Vorstand, zwei Gemeinderäten und dem Gemeindeschreiber. Jeder Abstimmungsberechtigte sprach nun vor der Kommission sein Ja oder sein Nein. Der Gemeindeschreiber setzte dann in die entsprechende Spalte einen Strich. Wahlzettel oder Wahlurnen waren nicht notwendig.

 Die Entscheidung war also ganz in die Hände der Bürgerschaft gelegt. Von der Steuerpflicht befreit wäre übrigens bares Geld im Betrage von 100 fl (Gulden) gewesen. Befreit wären aber auch gewesen die Besoldungen, Dienstbezüge, Pensionen, Gnadengüsse aus den Dienstverhältnissen der „Hof-, Staats- und Gemeindebeamten und -Diener, dann die Militärpersonen und deren Witwen und Waisen und endlich die Seelsorger und öffentlichen Lehrer.“

Das Wahlergebnis war eindeutig: 20 Ja, 450 Nein, und 559 Stimmberechtigte waren nicht erschienen. Diese 559 wurden aber dem Wohlmodus gemäß der Mehrheit zugeschlagen. Das Projekt der Vermögenssteuer wurde also mit 1009 gegen 20 Stimmen vernichtend verworfen. Die Gemeindevertretung hatte einstimmig am 14.Juli 1876 die Einführung der Vermögenssteuer beschlossen. Diese Gemeindevertretung bekam aber mit der Volksabstimmung eine totale Abfuhr. Damals war der eindeutige Wille der Bürger der Schluss-Sieger!

 

 

1877

In diesem Jahre wird nach einem Brand die „Sonne“ bei der Kirche wieder neu aufgebaut und mit einem Saal ausgestattet. Über ein halbes Jahrhundert diente dieses Haus für Konzert- und Theateraufführungen. Es war aber auch immer das Parteilokal der  „Alten Partei“ später großdeutschen Partei. Eine wechselvolle Geschichte des Hauses wurde dann aber am 10. Juni 1958 durch das gleiche Schicksal auch einiger anderer Gasthäuser besiegelt, die Sonne brannte total ab.

 

 

* * * *

In Österreich wird das metrische System (neue Maß- und Gewichtsordnung) eingeführt. Bereits ab 1 Jänner 1876 wurde als Betriebs- und Tarifentfernung statt der Meile die Länge in km angegeben.

Für die Geometer-Familien Johann Georg und August Scheffknecht eine wohl mindestens so schwierige Umstellung, wie unsere Umstellung von Schilling zum EURO.

 

 

* * * *

Im Jahre 1877 kam es zur Gründung des Konsumvereins Lustenau. Es war eine der ersten Gründungen in Vorarlberg. Die Tätigkeit des  „Konsum“ weitete sich sehr stark aus. In Lustenau wurden bis in die 50-er und 60-er Jahre des 20. Jahrhunderts einige Filialen als Lebensmittelverkaufsgeschäfte betrieben. Mit dem Aufkommen der modernen Großmärkte hatte aber auch für den Konsum Lustenau die letzte Stunde geschlagen.

 

 

1876/1877

 

„SITUATIONSPLAN über die zur Entwässerung von Lustenau und der angrenzenden Fußacher Mäder, sowie dem oberen und unteren Schweizerried gehörenden Grundparzellen nebst Angabe der Terrains-Höhenquote u. der Abzugskanäle ob dem oberen Pegel des Bodensees

 

 Gezeichnet und aufgenommen im J. 1876/1877

                                   Lustenau im Mai 1877

                                                           August Scheffknecht

 Eingesehen und richtig befunden

                                                           J.G.Scheffknecht

                                                                       kk. Stromaufseher“

 

Mit dieser Titulierung liegt seit Anfang des Jahres 2002 ein dreiteiliger außerordentlich detailierter Ortsplan von Lustenau im Gemeindearchiv.

Es ist dies der älteste erhaltene Ortsplan und gleichzeitig auch der erste Katasterplan Lustenaus. Es handelt sich um eine Gesamtplanung, die in drei Teilen gezeichnet wurde:

Teil: Litt A   77 x 74 cm    Teil:  Litt B 90 x 95cm und Anhänger (Rheinkurve) 46 x 18cm,

sowie Teil: Litt C mit 68 x 87 cm. Gesamtlänge 2,36 -  Gesambreiten: 75/87/112cm

Der gesamte Plan wurde nach dem neuen gültigen (ab 1.1.1876) metrischen System erstellt.

Bis vor kurzem noch galten die alten Bezeichnungen – Klafter - für Flächen und Längen.

Ein Klafter hatte die Länge von 1,896484 m und ein Quadratklafter hatte eine Fläche von

3,596652m². Für die Geometerfamilien Scheffknecht war dies wohl eine gewaltige Umstellung, unvergleichlich mit der einfachen Umstellung von Schilling auf Euro.

Die Pläne sind auf Papier gezeichnet und auf Leinen aufgezogen. Die einzelnen Flächen wurden sehr sorgfältig und behutsam koloriert. Die Wasserläufe in blau, die Wiesenflächen in grün und die Ackerflächen in braun. So kann ganz genau die damalige Nutzung der Grund-flächen gesehen werden. Die Häuser sind in gelb sehr schön sichtbar und genau platziert.

Es ist natürlich sehr deutlich zu sehen, dass die SCHEFFKNECHT vor allem Wasserbauleute waren. Die vielen eingezeichneten Höhenquoten wurden wohl von August und Johann-Georg mit ihren Helfern in zweijähriger Arbeit ausgemessen. Aber auch die damaligen Straßenverläufe und jedes eingezeichnete Haus sind von besonderer Genauigkeit. Es ist auch deutlich die damals noch vorhandene Struktur Lustenaus (Ein Dorf von Weilern) zu sehen. Zwischen den uralten Parzellen Holz, Stalden, Wiesenrain, Rheindorf und Haag liegen große Acker- und Wiesenflächen. Es ist auch sehr deutlich sichtbar, dass die Parzelle Rheindorf und damit die Heimat unserer Vorfahren, tatsächlich wie ein kleines Dorf am Rhein gelegen war.

Zur Geschichte dieses Planes ist noch aktuell zu berichten:

Dieser Plan wurde nach rund 125 Jahren „neu entdeckt!“ Anfang des Jahres 2002 wurden diese von August und Johann-Georg in zweijähriger Arbeit erstellten Pläne dem Lustenauer Gemeindearchiv übergeben. Die Pläne überdauerten diese 125 Jahre in den Schränken des alten Rathauses (Rathausstr.No.3), sowie auch des neuen Rathauses (Rathausstrasse No.1)

 

Es ist jedenfalls eine große geometrische Leistung von August und Johann-Georg SCHEFFKNECHT ganz Lustenau Parzelle für Parzelle, Strasse für Strasse, Graben für Graben und vor allem auch jedes Haus an seinem Platze zu erfassen und in einem sehr umfangreichen Plane auch maßstäblich genau festzuhalten.

Eine Farb-Fotokopie dieser Pläne steht bereits auch im Lustenauer Rhein-MUSEUM,

„Rhein-Schauen“ ( Schautafeln 2.40 m x 1.20 m )

Wir können wahrlich stolz auf Vater und Sohn SCHEFFKNECHT „Geometers“ sein!!

1878

In diesem Jahr wird die von der Gemeinde Lustenau errichtete Rheinbrücke beim Oberfahr

(Kirchstrasse >Gasth.“Löwen“) feierlich in Betrieb genommen.

Diese Brücke, gesamtheitlich aus Holz erbaut und mit einer vollständigen Überdeckung versehen, diente dem Verkehr über den Rhein bis zur Inbetriebnahme der neuen Betonbrücke am 28. November 1957.

 

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Im Jahre 1878 gründete Katechet Josef Mehele (* 1854 in Bregenz) den gemischten Kirchenchor St. Peter und Paul. Er begann zunächst mit 10 Mädchen. Bereits am Pfingstmontag des kommenden Jahres 1879 konnte der Kirchenchor unter der Leitung von Katechet Mehele die Messe in A vom Tiroler Komponisten Franz Schöpf aufführen.

 

1879

Im Frühjahr, am 13. März wird der vierte Enkel, Johann bei August und Maria-Anna geboren.

Dieser Bub aber wird nur 14 Monate alt werden und stirbt bereits am 25. Mai des folgenden Jahres.

Sein Vater August steht im 34. Lebensjahr, seine Mutter im 31.Lebensjahr.

 

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Im Herbst des Jahres, am 5. September stirbt der schon seit 31 Jahren verwitw. Bruder von Johann-Georg, Anton Scheffknecht im 76. Lebensjahr.  Seine Gattin starb bereits im Jahre 1848, also 31 Jahre früher. Seine verstorbene Gattin war aber auch 16 Jahre älter als er. Schon bei der Hochzeit am 26. Oktober 1835 war die nachmalige Ehegattin  Maria-Anna-Sopia im 48. Lebensjahr. Die Ehe musste schon aus biologischen Gründen  kinderlos bleiben.

 

1880

Am 25.Mai ist für die Scheffknecht´s ein trauriger Tag. Der kleine und jüngste Enkel Johann stirbt im Alter von 14 Monaten. Für die drei kleinen Geschwister, Georg-Johann (8 Jahre), Maria-Magdalena (6 Jahre) und Erwin (4 Jahre) muss es sehr schmerzlich gewesen sein, den Kleinsten im einem sehr lieben Alter von 14 Monaten zu verlieren. Wir können die Trauer der  Geschwister und der Eltern auch heute noch sicher nachempfinden.

 

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Aber es kommt nur 20 Tage später zu einem noch wesentlich dramatischeren Ereignis. Am 14. Juni stirbt die Mutter der drei kleinen Kinder, die Gattin von Sohn August, Maria-Anna Scheffknecht geb. Bösch („Christars“) im Alter von nur 32 Jahren.  War die Trauer über den Tod des Jüngsten zu stark ? War die Mutter der drei Kinder zu schwach um das alles tragen zu können? War es das berüchtigte Kindbettfieber ?

Wir wissen es heute nicht mehr.

Jedenfalls stand nun August Scheffknecht  mit seinen 35 Jahren und drei Kindern, Georg-Johann (8 J), Maria-Magdalena (6 J) und Erwin (4 J) allein da.

Großvater Johann-Georg und Großmutter Magdalena werden sicherlich kräftig zugepackt haben, ja einfach zupacken mußten. Auch wenn beide schon in einem Alter von 67 bzw. 66 Jahren standen. In diesen Zeiten war es aber eine Selbstverständlichkeit, dass insbesondere auch innerhalb der Verwandtschaften ohne langes Fragen und Überlegen dem von Leid oder Unglück Betroffenen geholfen wurde. Heutiges Denken, wie „ was nützt es mir, was zahlt man mir, was bringt es eventuell mir, könnte es mir sogar noch schaden  usw.....“ war diesen Lustenauern im letzten Jahrhundert völlig fremd.

 

 

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Wo viel Schatten ist, da ist dahinter auch immer ein Licht. So hatte offensichtlich August das große Glück bereits kurze Zeit nach dem Tode seiner Gattin wieder eine Lebensgefährtin zu finden. Diese musste natürlich auch bereit sein,  mit dem Witwer August und seinen drei kleinen Kindern ein Eheleben zu gestalten. Nach den überlieferten Daten ist dies wohl auch schön gelungen. In dieser Ehe mit August wird dann „Pfiffars“ Sophie zu den übernommenen drei Kindern, noch drei eigene Kinder zur Welt bringen.  So wachsen dann in der Familie 6 Kinder auf. Alle werden erwachsen und  gründen eigene Familien. Alle Scheffknechtler unserer Sippe stammen also von diesen 6 Kindern ab.

 

Wie es sich damals „gehörte“ wurde am Montag den 6. September des Jahres 1880 geheiratet. Nach nur 2 ½ Monaten als Witwer heiratet also in Zweiter Ehe der 35-jährige August Scheffknecht mit seinen drei kleinen Kindern (8, 6 und 4 Jahre) die junge ledige Sophie Hämmerle „Pfiffars“. Seine junge Braut steht im 3o. Lebensjahr.

Sie muss eine mutige Frau gewesen sein. Es war sicher nicht einfach, einen Witwer mit 3 kleinen Kindern zu heiraten und diesen vom ersten Tage an, eine möglichst gute Mutter zu sein.

Überraschend ist auch die wirklich sehr kurze Witwer-Zeit von nur 2 ½ Monaten. Die Sorge um die Kinder aber musste wohl alle Trauer zurückgestellt haben. Jedenfalls war eine so kurze Tauerzeit im letzten Jahrhundert nicht die Selbstverständlichkeit.

 

 

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Ein Naturereignis der ganz besonderen Art war Anfang Februar 1880 wieder eingetreten; die sogenannte „Bodenseegfrörne“, d.h. der vollständige zugefrorene Bodensee. Anfang Feber wurde dieses  „Eisjubiläum“ auf und rund um den See mit einem riesigen Volksfest gefeiert. Zwischen Lindau und Bregenz fanden regelrechte Wettrennen der schnellsten Schlittschuhläufer statt. In der Vorarlberger Landeszeitung wird berichtet, dass der schnellste Läufer nur 17 Minuten benötigte. Ein besonderes Kuriosum war, dass direkt auf dem See eine Eiszeitung gedruckt wurde. Hinter dem Redaktionspseudonym „Dr. International“ verbarg sich der Bregenzer Buchdrucker Anton Flatz.

 

 

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Der älteste Sport war das Turnen. Im Jahr 1880 gründete eine Anzahl junger Leute den ersten Turnverein. Die Turnübungen wurden in einem Gasthaus, später im  neuerbauten Schulhaus Kirchdorf abgehalten. 1901 entstand die erste Turnhalle an der Jahnstrasse.

 

 

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In der Nachbarschaft von Johann-Georg Scheffknecht im Gasthof „Ochsen“ wird am        11. Jänner Theater gespielt. Es wurde das Trauerspiel in 5 Akten „Julius von Tarent“ gegeben. Die Kassa wurde bereits um 7°° geöffnet und „angefangen“ wurde um 1/2 8 Uhr.

Die Preise waren in drei Kategorien eingeteilt: Erster Platz 3o kr (Kreuzer), Zweiter Platz     2o kr und der Dritte Platz kostete dann 10 kr.

Interessant ist ein im Gemeindearchiv dazu liegender Theaterzettel (Programmzettel) mit dem handschriftlich unten angebrachten Vermerk „..Hernach Tanzmusik“.

Das Trauerspiel musste also nicht ganz so ernst genommen werden. Jedenfalls wurde anschließend noch getanzt!

 

1881

Am 12. Dezember wird aus der II.Ehe des Sohnes August mit Sophie das erste Kind, Tochter  Maria-Anna geboren. (Später verheiratet mit Johann König „Schreiners“ Stammbaumblatt B-1) Zu den drei Enkeln aus erster Ehe kommt nun der erste Enkel aus der zweiten Ehe, das Mädchen Maria-Anna dazu.  Großvater Johann-Georg und Großmutter Magdalena werden sicher ihre Freude damit gehabt haben. Gab es in den vergangenen Jahren doch manchen harten Schicksalsschlag zu tragen. Auch die drei kleinen Scheffknechtler – Kinder, werden mit ihrer neuen kleinen Schwester (Halbschwester) eine große Freude gehabt haben.

 

 

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Die erste außer Haus führende Telefonanlage in der gesamten Donau-Monarchie wird bei der Dornbirner Textilfirma Hämmerle vom Zentralbüro zu den einzelnen Fabrikanstalten errichtet.

Kaiser Franz Josef I. benützt anlässlich seines Besuches in Vorarlberg am 1o. August die neue Nachrichtenübermittlung und führt ein „Ferngespräch“ von der Fabrik im Gütle zum Fabriksbüro im Oberdorf.

 

1882

Nun werden die Bahnen doch wieder „verstaatlicht“. Der Betrieb der Vorarlberg-Bahn wird am 1.Juli von der k.k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb in Wien übernommen.

 

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Der Gesangverein „Liederkranz Konkordia“ feiert den 25-jährigen Bestand des Vereines. Heinrich Bösch als Autodidakt leitete ein Jahrzehnt den Verein. In einem Bericht zu diesem Jubiläum heißt es :

400 Personen haben die Säle ganz überfüllt, und es herrschte bis zum Ende vom Zauber des Gesanges aufs höchste gesteigerte Gemütlichkeit“.

 

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Die BH Feldkirch ersucht im Auftrage des k.k. Ministeriums des Inneren um Erhebung in Feuerwehrangelegenheiten. Vorsteher Fridolin Hämmerles Antwort war kurz und bündig:

In der Gemeinde Lustenau besteht leider keine zusammengehörende Feuerwehr und wird bei Bränden jeder Erscheinende zur Hilfeleistung verwendet. Die Gemeinde besitzt 3 Fahr- und 12 Handspritzen und sieben große Feuerhaken nebst Leitern, welche in den verschiedenen Parzellen platziert sind.“

 

 

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Westseitig des Rheins kam es zu einer Trennung Widnaus von Diepoldsau. So wurde auch Widnau eine eigene Gemeinde. Nur Schmitter blieb mit Diepoldsau vereinigt. Wie die Lustenauer, hatten auch die jenseitigen Bewohner des Reichshofes immer wieder mit dem Rhein zu kämpfen.

 

 

1883

Zwei Jahre später, am 18. Dezember des Jahres 1883 wird der nächste Enkel Anton geboren.

(Später verehelicht mit Libera Loss – Stammbaumblatt  B-2).

Damit bevölkern fünf Enkel bei Großvater Johann-Georg und Großmutter Magdalena die Stube.

1883

 

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In diesen Jahren verschärfte sich auch die ortspolitische Lage in Lustenau zusehends. Es kam unter Kaplan Holthum zur Gründung eines Katholischen Politischen Kasinos. Kpl. Holthum wurde dann im Jahre 1884 von Dr. Eugen Hillmann aus Düsseldorf abgelöst. Dieser übte als Kaplan und konservativ-politischer Bürger in den folgenden Jahren einen maßgebenden Einfluss auf das politische Leben in Lustenau aus. Seitdem erhielten die Anhänger der „Neuen“ den Beinamen „Kasiner“.

 

Diese Jahre brachten in Lustenau starke politische Veränderungen. Manche „Alte“ konnten sich mit dem liberalen Gedankengut ihrer Partei nicht anfreunden und manchen „Neuen“ waren die Kasiner zu klerikal. Harte Auseinandersetzungen prägten diese Zeit.

 

 

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Bis zur allgemeinen Einführung der Feuer-Versicherung in der zweiten Hälfte des          19. Jahrhunderts (ab ca. 1860) war das Abbrennen gleichbedeutend mit Armwerden. Die Familie eines Abbrändlers zog mit einem Gemeindeausweis versehen von Haus zu Haus und von Ort zu Ort (Bettel!!), um bei guten Menschen eine Unterstützung zu erbitten. Gute Nachbarn halfen den Unglücklichen durch Beistellung von Baumaterialen und Fuhrwerken, sowie durch Fronarbeiten so gut es ging beim Wiederaufbau ihres Gutes. Oft dauerte es viele Jahre, bis ein Abbrändler wieder  „ein Dach über dem Kopf“ hatte. Brach trotz aller Vorsicht ein Brand aus, so eilten jung und alt voll Entsetzen dem Brandplatz zu, in der Hand den Feuerkübel, der in keinem Hause fehlen durfte. In einem der zahlreichen Tümpel oder Weiher wurde das Wasser geschöpft, und so gingen die Eimer von Hand zu Hand zur Brandstätte. Jedermann war zur Mithilfe bei den Löscharbeiten und zur Bereitstellung eines Feuerkübels bei Strafe verpflichtet.

Über Anregung des Vorstehers Fridolin Hämmerle kam es nun aber in diesem Jahr doch zur Gründung der „Freiwilligen Feuerwehr Lustenau“. In einer Gemeindevertretungs-Verordnung wird festgelegt, das die „Freiwillige Feuerwehr“ bei Bränden dem Oberkommando des Feuerlöschwesens unterstehe, das Löschgeschäft jedoch selbständig unter dem eigenen Kommando vollziehe. Aus einem Bericht vom 22. September 1882 eines Vorbereitungscomitees ist folgendes zu lesen:

Nach längerer Erwägung wurde beschlossen, eine freiwillige Feuerwehr als selbständigen Verein zu gründen, sowie die gesamte wehrfähige Bürgerschaft in die verschiedenen Löschmannschafts-Abteilungen einzureihen. Behufs Gründung der freiwilligen Feuerwehr wurde beschlossen, am kommenden Dienstag den 25.d. eine Versammlung anzuhalten, zu welcher etwa 20 wackere Männer, worunter auch die Vorstände der Turn-, Veteranen- und Landesschützenvereine eingeladen werden sollen.

Die denkwürdige eigentliche Gründerversammlung fand am 2. Oktober 1882 im Gasthof „Adler“ statt. Bereits bei der Gründung zählte die Wehr mehr als 60 Mitglieder.

Zum ersten Hauptmann wurde Albert Hämmerle „Lükusler“ gewählt.

 

 

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Am 6. August 1883 hatte der Lustenauer Franz Josef Jussel in seiner Heimatgemeinde Primiz.

Der Kirchenchor führte unter der Leitung von Katechet Mehele die „Missa in honorem Santi Antonii“ mit Orgel- und Instrumentalbegleitung von Josef Georg Zangl auf.

 

 

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Im Kirchdorf wird die neue Volksschule eingeweiht. Nach einem Zubau 1913 finden wir diese Schule in der Kaiser-Frz.-Josef-Strasse nach 120 Jahren bis heute als eine wichtige Bildungseinrichtung der Gemeinde Lustenau. Zur feierlichen Eröffnung, so wird berichtet, sang der Gesangverein „Liederhalle“ unter der Leitung von Lehrer Viktor Sperger.

 

 

1884

Am 20. September wird die gesamte Arlbergbahn eröffnet und nimmt bereits am nächsten Tag den gesamten Verkehr auf. Das Herz- und Kernstück ist der zweigleisige (!!!) Arlbergtunnel mit einer Länge von 10250 Meter.

Diese Eisenbahnverbindung unter dem Arlberg war eine ganz besondere Pioniertat. Nur rund 100 Jahre vorher wurde über den Arlberg der erste Fahrweg eingerichtet. Bis zum Jahre 1785, also runde 28 Jahre vor der Geburt von Johann-Georg, gab es über den Arlberg nur Saumwege. Es konnten also keine Fuhrwerke über den Arlberg verkehren.

 

 

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In Lustenau findet am Sonntag 6. Juni 1884 das „III. Sängerfest  des „Vorarlberger Sängerbundes“ statt. Um 5 Uhr morgens verkündeten Böllerschüsse und Musik den Beginn des Festtages. Um 10 Uhr war dann die Generalprobe für die Bundesvereine im Gasthof „Sonne“. Um 11 Uhr (!!) startete der Festumzug mit Musik, Festjungfrauen, Ehrengäste und Festausschuss, Gastvereine und Bundesvereine in „alfabetischer Ordnung“ und die Gesangvereine des Festortes. Um 12 Uhr gab es ein Festessen in der Festhalle, das vom Lustenauer Musikverein „Harmonie“ verschönert wurde. Nach Schluss des offiziellen Teiles war noch Musik und gesellige Unterhaltung angesagt.

Ein Foto von diesem Fest zeigt eine eigens aufgestellte Festhütte, die den Dimensionen späterer Festzelte nicht nachgestanden sein dürfte. Über dem mächtigen Haupteingang prangte jedenfalls der Lustenauer Wappenlöwe mit folgendem mächtigen Spruch:

            Wie unser Löwe führt im Schilde der Ähren Gold in himmelblau

            so fei´re, grosse Sängergilde, ein golden Fest in Lustenau

 

 

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Der Kirchenchor St. Peter  und Paul hatte durch Jahrzehnte hindurch das Glück, von musikalischen Persönlichkeiten außergewöhnlicher Prägung geleitet zu werden. Nach Katechet Josef Mehele folgte als zweiter Chorleiter im Jahre 1884 Lehrer Hilar Hämmerle, geboren 1839 in Lustenau, gestorben 1928 (89 Jahre -beerdigt in AU/Schweiz). Obwohl Autodidakt, zählt Hämmerle zu den außergewöhnlichsten musikalischen Persönlichkeiten Lustenaus. Er spielte die Orgel, schwang geraume Zeit auch den Dirigentenstab und schuf für seinen Chor einfache, den ländlichen Verhältnissen angepasste Kompositionen, von denen sein Ostergesang „Der Heiland ist erstandendie Zeiten überdauert hat und noch heute in den Kirchen Lustenaus ein Höhepunkt der feierlichen Osternachtmesse ist.

Chorleiter Hilar Hämmerle konnte auf einen Kirchenchor St. Peter und Paul mit 20 Mädchen und Frauen und 10 Männern blicken. Die Frauen waren also schon damals in einer beträchtlichen Überzahl.

 

 

 

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Am 15. September wird am Bodensee erstmals der fahrplanmäßige Bodensee-Schifffahrtsverkehr aufgenommen. Die offizielle Eröffnungsfeier fand am 2o. September statt.

 

 

1885

Im Jahr 1885 gründete Katechet Hillmann die Jünglingskongregation. Aus dieser Gründung gingen später Gründungen der Turnerschaft Lustenau und des Fußballsportclubs Austria hervor. Auch die Wurzeln der Lustenauer Theatertradition liegen bei den „Jüngli“. Unsere Eltern bzw. Großeltern sprachen noch oft von den Theaterspielen der „Jüngli-Kongregation“.

Ein Jahr später gründete dann Dekan Hagen die Marianische Jungfrauenkongregation. Als sozusagen weibliches Gegenstück zur „Jünglingskongration“ gab es auch in dieser Vereinigung bis zu Beginn der NS-Herrschaft im Jahre 1938 eine vielfältige Tätigkeit.

 

 

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Im Jahr 1885 stellte die Firma J.J.Hofer & Bösch die ersten Stickerei-Schiffchenmaschinen auf, die mit Dampf betrieben wurden. Sie waren aber noch sehr unvollkommen und nur für Tüllstoffe berechnet. Ihr Betrieb mußte zur Freude der Handsticker wieder aufgelassen werden.

 

1886

Am 6. April dieses Jahres wird bei der Familie August und Sophie Scheffknecht               geb. Hämmerle die Tochter Mathilde geboren.

(Später verheiratet mit Richard Bösch – Stammbaum-Blatt B-3)

Wieder wird es für die Großeltern Johann-Georg und Magdalena ein freudiger Tag gewesen sein. Es war sicherlich ein schönes Erlebnis im damals doch hohen Alter von 73 bzw. 72 Jahren mit der Geburt des 6. Enkels nochmals Großeltern zu werden.

Dies wird das jüngste und letzt-geborene Kind des August und der Sophie Scheffknecht bleiben. Die Familie besteht nun aus 6 Kindern, im Altern von 14, 12, 10, 5 und 2 Jahren, sowie der neugeborenen Mathilde.

Noch zu Lebzeiten von Johann-Georg und Magdalena werden alle sechs Enkelkinder geboren. Mit dem frühverstorbenen kleinen Johann haben also „Rüttiburo Jörgs“ insgesamt 7 Enkelkinder.

Alle diese Enkelkinder sind die Kinder des jüngsten Sohnes August und seiner zwei Frauen,

Maria-Anna Bösch „Christars“ und Sophie Hämmerle „Pfiffars“.

 

 

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Die zum Teil tiefgreifenden Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Kasinern beschworen nicht nur eine politische Kluft in den Gemeinden herauf, sondern sie haben auch das Musikleben vieler Orte betroffen. In Lustenau hatte aber die Gründung eines zweiten Musikvereines nichts mit Dorfpolitik, sondern einzig und allein mit Parteipolitik zu tun. Im September 1885 hielt der Musikverein „Harmonie“ sein 5o-jähriges Jubiläum ab. Bereits damals gíngen wegen der bevorstehenden Gemeindewahlen die politischen Wellen hoch.

Über den Parteienkampf in den Reihen der Musikanten schreibt am 22. Feber 1886 der Schriftführer des Musikvereins: „Es heißt, daß sich schon seit dem Jahre 1848 zwei Parteien gegenüberstanden, die Liberalen und die Konservativen. Bei den Gemeindewahlen hätten die

Konservativen gewonnen und von den Liberalen Schimpfwörter einstecken müssen. Der Streit habe letztlich dazu geführt, dass 14 Mitglieder aus dem konservativen Lager aus dem Musikverein „Harmonie“ ausgetreten seien und am 22. Februar 1886 im Gasthof „Krone“ den Musikverein „Cäcilia“ gegründet hätten.“

Die Musik entwickelte sich enorm und spielte bei ungezählten Anlässen und gab viele Konzerte. Im Jahre 1938 wurde die „Cäcilia“ von den Nationalsozialisten zwangsweise aufgelöst. Die Verfügung bedeutete nichts anderes als die Auflösung des Musikvereins „Cäcilia“ als Kasinerverein. Nach dem Kriege erfolgte dann wieder eine Neugründung unter dem neuen Namen „Musikverein Lustenau“.

Auch der Musikverein „Harmonie“ entwickelte sich zu einer bedeutenden Blasmusik im Lande. Als eine der ersten Blasmusiken konnte die „Harmonie“ bereits 1921 das 100-jährige Jubiläum feiern. Die politischen Umwälzungen und im Gefolge davon der Zweite Weltkrieg brachte auch für den traditionsreichsten Musikverein Lustenaus das Ende der Aktivitäten. Nach dem Krieg kam es zu keiner Neugründung mehr.

 

 

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Als in diesem Jahre wieder Gemeindewahlen bevorstanden, zeigte sich eine andere Erscheinung. Viele der früher recht armen Bürger, die immer schon mit den „Neuen“ sympathisiert hatten, waren durch die Stickerei und die besseren Verdienstmöglichkeiten in den 2. Wahlkörper aufgerückt. Das kam den „Neuen“ zunutze und so wurde der Kasiner und Steinmetzmeister Engelbert Bösch  (Großvater des BSI und Historikers Adolf Bösch+) zum neuen Vorsteher gewählt. Er musste bereits zwei Jahre später eine besondere Bewährungsprobe ablegen. Es kam wieder zu einer der großen Rheinüberschwemmung, die über ganz Lustenau hinwegbrauste.

 

1887

Im Jahre 1887 verfasste der Lustenauer Geometer August Scheffknecht im Auftrage der Gemeinde einen Plan zur Verlegung der damaligen Straße durch das Kapellenfeld. Heute fällt die Großzügigkeit  des damaligen Planes, der allerdings nicht realisiert wurde, besonders auf.

Noch heute liegt im Gemeindearchiv der von August Scheffknecht verfasste

Situationsplan über einen Theil des Kapellenfeld betreffs Verlegung einer Feldstraße auf 167.5m lang“

 

Eine genaue Aufteilung des Grundverbrauchs auf die einzelnen Grundbesitzer wurde von August Scheffknecht ebenfalls exakt berechnet. Die Flächen wurden damals in Quadratklafter gerechnet.

( 1 Quadratklafter = 3.24 Quadratmeter)

Die Planskizze zeigt die damals noch sehr geringe Verbauung. Das Gasthaus „Mohren“ dominierte und an der unteren Kapellenstrasse stand nur das Haus No. 35 (Josef Hagen Both –„Bothhagars“?!)

In der Umgebung der Kapelle wurden noch viele Äcker bewirtschaftet. Die heutige Hofsteigstraße wurde damals als Gemeindestraße ins Streueried bezeichnet.

 

Die gesamt Planung ist unterfertigt mit

            „Lustenau den 1. Juli 1887

                                                           A .Scheffknecht

                                                                                  Geometer“

Wenn wir diese Planung heute sehen, können wir stolz auf das Können unseres Vorfahren August Scheffknecht sein. Im Alter von 42 Jahren stehend, war dies eine reife technische, zeichnerische  und mathematische Leistung.

 

STRASSENPLANER August SCHEFFKNECHT, Geometer:

Neutrassierung der unteren Kapellenstrasse mit Grundumlegungen:

 


MASSTAB   1  :  1000 m

 

Errechnung der genauen Grundbesitzflächen, nach einem Umbau der Kapellenstrasse

Obwohl der Maßstab mit 1 : 1000 m verwendet wurde und die Planung auch so erfolgte, werden die Flächen der einzelnen Grundbesitzer in Quadrat-Klafter angeben.

(1 Quadratklafter =  3,596652 m²)



Familie AUGUST SCHEFFKNECHT (*1845) und Gattin SOPHIE (*1850)  geb.Hämmerle „Pfiffars“

Mit den drei Kindern aus I.Ehe und den drei Kindern aus II.Ehe

 

 

Hintere Reihe: Kinder aus I.Ehe mit Maria-Anna Bösch „Christars“:

Links: Georg-Johann „Erg“ * 19.12.1872                 Mitte: Maria-Magdalena  verh.Holzer * 23.5.1874                      Rechts: Erwin * 6.2.1876

Vordere Reihe:  Vater August Scheffknecht * 7.7.1845 mit seiner II.Gattin Sophie geb.Hämmerle „Pfiffars“* 31.5.1850

Links: Maria-Anna * 12.12.1881 verh.König            Mitte: Mathilde * 6.4.1886 verh.Bösch                                      Rechts: Anton * 18.12.1883

 

VON DIESEN SECHS KINDERN STAMMEN ALLE NACHKOMMEN NACH JOHANN-GEORG SCHEFFKNECHT 

und Gattin MAGDALENA ALGE, bzw. seines einzigen SOHNES mit Nachkommen AUGUST SCHEFFKNECHT

und seinen zwei Ehegattinen MARIA-ANNA geb.BÖSCH „Christars“ und SOPHIE  geb.HÄMMERLE „Pfiffars“ ab.


 

1888

Unser  Vorfahre Johann-Georg Scheffknecht hat genau in der Mitte des 19. Jahrhunderts gelebt.

Seine Lebenszeit von 1813 bis 1888 war insbesondere auch in Lustenau mit vielen Ereignissen und Neuerungen verknüpft. Er lebte in einer sehr spannenden Zeit. Mein Versuch die vielen lokalen Ereignisse in Lustenau in seinen Lebensablauf einzuflechten ist sicher lückenhaft und mangelhaft.

Aber er gibt doch etwas Licht in das Leben und in die Lebensverhältnisse unseres Johann-Georg Scheffknecht und seiner Gattin Magdalena und vor allem auch seiner beiden Söhne Erwin, mit einem kurzen und tragischen Lebenslauf und August, der in zwei Ehen insgesamt 6 Kinder hatte.

Alle diese Kinder heirateten später, das Erste im Jahre 1898 und das Letzte im Jahre 1915.

Von diesen 6 Kindern des August Scheffknecht stammen wir alle ab.

 

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In diesen Jahren entstanden auch verschiedene Theatergruppen in Lustenau. Bereits ein Jahr vorher, anno 1887 wird eine „Staldengesellschaft“ genannt. Die Theatergesellschaft nennt als Spielorte das Gasthaus „Ochsen“, „Sonne“ und „Grüner Baum“. Die Theatergesellschaft war durchaus auf der Höhe der Zeit, sie wagte es Klassiker ebenso aufzuführen, wie Stücke bekannter zeitgenössischer Autoren. So wird 1876 „Der Parasit“ von Friedrich Schiller und  „Der Wildfang“ von August Kotzebue, dem russischen Dramatiker und Theaterdirektor, aufgeführt.  Solche Aufführungen der Laienspieler mußten behördlich genehmigt werden. Die Genehmigung erteilte die k.k. Bezirkshauptmannschaft. Als die Gesellschaft 1884 das Drama „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller aufführte, verlangte die Behörde, daß im Textbuch auf elf Seiten Streichungen vorgenommen werden, so streng war damals noch die Zensur!

Im Februar des Jahrs 1888 wird von der „Marianischen Congregation zu Lustenau“ das Trauerspiel „Zriny“ von Th. Körner in der Krone gespielt. Die Hauptrollen eines Soliman spielte Johann Hagen und den Grafen „Zriny“ spielte ein Albert Holzer. Der erste Platz in der „Krone“ kostete 30 kr (Kreuzer).

 

Rheinnot  (Rheinüberschwemmung) 11. September 1888

„Am 11. September läuteten die Sturmglocken und verkündeten Hochwassergefahr. Bei Meiningen war es an zwei Stellen zu furchtbaren Einbrüchen gekommen. Die Wogen wälzten sich über die fruchtbaren Gründe von Koblach und setzen die tief gelegenen Häuser unter Wasser. Weiter unten vereinigten sie sich mit den oberhalb Mäder ausgetretenen Fluten und verwandelten schlussendlich den tiefen Talgrund  in eine ausgedehnte Wasserwüste.

Lustenau konnte diesem Ansturm kaum entrinnen und trotzdem nahmen die Lustenauer den Kampf auf:

Der am meisten bedrohte Damm, war der Seelachendamm gegen Hohenems. Man versuchte durch Erhöhung des Dammes dem drohenden Verderben Einhalt zu gebieten. Durch der Hände lange Kette flogen Rasen und Wasenschollen. Selbst Frauen und Mädchen arbeiteten mit. Trotz aller Gefahr wichen oder wankten die Lustenauer aber nicht, bis es gegen Abend aber auf einmal hieß:

„ Der Damm schwimmt!“ Vorsteher Engelbert Bösch befahl den schleunigsten Rückzug. Alle eilten heimwärts, die Landstraße hinunter (heutige Hohenemserstrasse). Hochauf wirbelte das schmutzige Wasser in den Straßengraben und immer neue Fluten wälzten sich durch den Damm der Gemeinde zu. Über Nacht verwandelte sich Lustenau in einen einzigen See. Kaplan Hillmann berichtet, dass er am nächsten Tag einen Versehgang bei einer Wöchnerin machte. Er musste von kräftigen Burschen mit einem Schifflein zum Bauernhaus gefahren werden. Er erinnert sich auch, dass eine Frau gestorben war. Man musste den Sarg in der Stube mit einem Seil befestigen, damit er nicht das Fenster zertrümmere und fortschwimme.

Da alle Backöfen in Lustenau unter Wasser standen, musste mit Gondeln Brot aus Hard hergebracht werden. In einem persönlichen massiven Kraftakt gelang es dem damaligen Lustenauer Kaplan Hillmann, zirka 5o junge Lustenauer die im Militärdienst in Bregenz standen,  zum Katastropheneinsatz nach Lustenau „loszueisen“. Dies war aber nur nach einem Nothilfetelegramm durch den Vorarlberger Landtag an den Kriegsminister in Wien möglich. Der befehlende Kommandant in Bregenz meinte, dass das anstehende Manöver wichtiger wäre! Das waren wirklich böse Tage für Lustenau.“(Auszug aus „Erinnerungen an die Rheinüberschwemmung 1888 von Dr.Eugen Hillmann,Ibk.vormals Kaplan i.Lustenau)

 

Im Büchlein „Menschen am Strom – Erinnerungen und Schicksale“ von Beno Vetter im Jahre 1968 geschrieben wird dieses Ereignis sehr anschaulich durch den Augenzeugen Beno Vetter geschildert. Die damalige Not und Angst der Lustenauer lassen sich heute nur mehr erahnen.

Dazu muss man noch wissen, dass diese Rheinüberschwemmung erst nach Wochen den wirklichen Schaden für die Lustenauer aufdeckte. Mehr als eine Woche floß der Rhein metertief durch die Gemeinde. Die Ernte war dahin, und die damals noch meist niedrigen Holzhäuser sowie zahlreiche Stickmaschinen litten schweren Schaden. Die drohende Hungersnot wurde durch staatliche Hilfe und wohltätige Sammlungen zwar gebannt, aber die Gefahr neuer Einbrüche war damit nicht beschworen. Nach dem langsamen Ablaufen des Wassers waren große Flächen der Kultur und Ackerlandes mit Sand und „Letten“ bedeckt. Es bedurfte unendlicher Mühen, diese Äcker wieder in einen halbwegs fruchtbaren Zustand zu bringen.

Wir wissen heute nicht mehr, welchen furchtbaren persönlichen Eindruck auf unseren Johann- Georg Scheffknecht, noch drei Wochen vor seinem Tod, diese Rheinüberschwemmung gemacht hat, war er doch jahrzehntelang der Verantwortliche für die Dammbauten und Wuhrungen zur Verhinderung der Rheinüberschwemmungen. In welchem Zustande, evtl. todkrank, er sich Anfang September befand ist uns völlig unbekannt. Dass aber Lustenau ein einziger See war, wird er in jedem Falle mitbekommen haben und auch sehr betroffen gewesen sein. Noch bevor alles Wasser wieder abgelaufen war, aber stirbt dann Johann-Georg.

 

 

            „RHEINHÖHE“ anno 1890 beim Gasthof Engel

 

 

            Der Rhein war wieder über Lustenau hereingebrochen. Nicht nur feuchte Keller und versandete Gärten und Felder waren die Folge, oft stand das Wasser auch in Küchen und Stuben, da es noch viele ebenerdige „Tatschhäuser“ gab. Zwei Jahre später ( 1890) kam der Rhein wieder, noch gewaltiger und noch verheerender über Lustenau.

 

1888

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Am Sonntag den 3o. September 1888 stirbt nun aber Johann-Georg Scheffknecht. Er steht im 75. Lebensjahr. Seine Gattin Magdalena ist 74 Jahre alt. Sie überlebt ihren Gatten um 6 Jahre und stirbt als Witwe mit 80 Jahren am 14. März 1894.

Am Hochzeitstag, auf den Tag genau nur 1 Jahr vor der Goldenen Hochzeit, beendet nun also unser Vorfahr sein langes und für seine Lustenauer Mitbürger doch auch verdienstvolles Leben.

 

Sein einziger noch lebender Sohn August steht an diesem Tage im 43. Lebensjahr.

Sohn August wird 8o Jahre alt und stirbt am 1. August 1925. Damit überlebt er seinen Vater um 37 Jahre.

Die Schwiegertochter und II.Gattin von August „Pfiffars“ Sophie Scheffknecht, geb. Hämmerle ist beim Tode ihres Schwiegervaters 38 Jahre alt. Nach dessen Tod lebt sie noch 37 Jahre gemeinsam mit Ihrem Gatten August und nach dessen Tode (+ 1.8.1925) nochmals 18 Jahre als alleinstehende Witwe. Sie wird 93 Jahre alt und stirbt hochbetagt am 21. Jänner 1943.

Welch eine gewaltige Zeitspanne im Leben dieser Frau, meiner Ur-Großmutter. In diesen 93 Jahren hat sich die gesamte Welt und besonders auch unser Lustenau gewaltig verändert. In einem einzigen Leben von 1850 bis 1943 unserer Ur-Großmutter konnte und mußte vieles miterlebt werden! Man muss sich einmal vergegenwärtigen, was sich in dieser Zeit alles radikal verändert hat. Neben den ganzen techn. Erfindungen und Entwicklungen, gab es ein ungeahntes Wachstum der Gemeinde Lustenau.

Aber natürlich musste sie auch schreckliche Ereignisse, wie den ersten Weltkrieg im Gesamten und den zweiten Weltkrieg über 2/3 der Zeit erleben.

 

Von der Familie des Johann-Georg Scheffknecht lebt am Todestag nur noch sein Bruder Sinesius und dessen Gattin Anna-Maria-Karolina geb. Kremmel. Diese Schwägerin stirbt aber auch nur ein ½ Jahr später, am 16. Februar 1889.

 

Sein einziger noch lebender Sohn August steht mit seiner zweiten Gattin Sophie,        geb. Hämmerle, und den 6 Kindern, bzw. Enkelkindern am Grabe des Vaters und Großvaters Johann-Georg.

Die Enkel sind im Alter von 16, 14, 13, 7, 5 und 2 Jahren.

 

Aber sicherlich wird auch die in erster Ehe mit dem verstorbenen Sohn Erwin verheiratete Schwiegertochter Anna-Maria Hollenstein verwitw. Scheffknecht, geb. Bösch am Begräbnis teilgenommen haben. Die sehr jung verwitw. Anna-Maria hat ja mit Ferdinand Hollenstein im Jahre 1875 in II.Ehe geheiratet. Zwischenzeitlich sind 5 Kinder herangewachsen, die am Todestag von Johann-Georg im Alter von 12, 9, 8, 5 und 2 Jahren stehen. Die erst jüngst geborene   (* 18.7.1886) Stefanie wurde später zur bekannten Kunstmalerin Stefanie Hollenstein.

 

Nachdem wir das Lebens des Johann-Georg Scheffknecht etwas miterlebt haben, muss Johann-Georg eine sehr bekannte und wohl auch hochverdiente Persönlichkeit in der Gemeinde Lustenau gewesen sein. Im umfangreichen Band I „Heimatbuch Lustenau“ sind nur 5 Bilder von Persönlichkeiten Lustenaus aus dem 19. Jahrhundert enthalten.

Von diesen wenigen Bildern ist immerhin ein Bild dem Stromaufseher

Johann-Georg Scheffknecht   1813 – 1888 gewidmet!!

 

 

* * * *

 

Nach altem Brauche kam beim Tode eines Mitbürgers die ganze Verwandtschaft zusammen um Totenwache zu halten. Bis zum Anfang des 2o.Jahrhunderts geschah dies noch im Trauerhause. Dabei wurde gebetet (Psalter), aber auch getrunken. Oft kam es dabei zu Streitigkeiten und sogar zu tätlichen Auseinandersetzungen. Die Geistlichkeit drang dann stark darauf, dass das Psalterbeten in die Kirche verlegt werde. Viele wollten vom uralten Brauch nicht ablassen, und so wurde dann lange Zeit an beiden Orten gebetet. Im Trauerhause versammelten sich die Leute zum „Wachen“. Bis 10 Uhr wurde ein Psalter (drei Rosenkränze) mit Litanei gebetet. Dann ging der größere Teil weg, nur eine Anzahl nächster Verwandter und Nachbarn blieb da, wurden mit Kaffee, mit „Z`briend, Moscht und Schaps“ bewirtet und dann wurde um Mitternacht nochmals ein Psalter gebetet. Dann begaben sich die Trauergäste heim, die Angehörigen zur Ruhe und ein paar gute Nachbarn oder Nachbarinnen hielten die Totenwache bis am Morgen. Am Begräbnistag kam es zu einem Leichenzug vom Trauerhause zum Friedhof, dabei wurde er von den männlichen Verwandten eröffnet und von den weiblichen geschlossen. Der Tote wurde zum Friedhof getragen. In einem großen Trauerzug wurde also Johann-Georg von der Rheinstrasse zum Friedhof bei der Pfarrkirche St. Peter und Paul getragen.  Erst im Dezember 1899 beschloss die Gemeinde Lustenau unter Vorsteher Eduard Hämmerle, einen „Totenwagen“ anzuschaffen, und zwar einen Einspänner und einen Zweispänner. Die armen Leute wurden dann mit dem „Einspänner“, die vermögenden mit dem „Zweispänner“ auf den Friedhof geführt.

 

Am 1. , 7. und 30.Tag nach der Bestattnis war wieder je ein Seelengottesdienst mit Opfergang für den oder die Verstorbene. Später hielt man dann die vier Ämter an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Für die meisten Erwachsenen wurde an einem der nächsten Samstage oder Sonntage eine Wallfahrt nach Bildstein unternommen. „Ma got zum Bild“, so hieß es im Volksmund. Es kam schon vor, dass an einem solchen Wallfahrtstag über 100 Lustenauer für Ihre Verstorbenen in Bildstein beteten. Natürlich zu Fuß unterwegs, wurde am Hinweg über das Lauteracher Ried ein Psalter und auf dem Rückweg ein Rosenkranz gebetet.

Es dürfte wohl kaum einen Ort im Lande geben, an dem so viel für die Toten gebetet wurde.

 

Die Pflege der Gräber war übrigens in früherer Zeit nicht üblich. Ein einfaches hölzernes Kreuz bezeichnete die Stelle, wo der Verstorbene lag. Der Friedhof glich im Sommer eher einer Wiese.

 

 

1889

Mit Datum 29. März 1889 gibt es im Gemeindearchiv ein Leumundszeugnis über AUGUST Scheffknecht. Darin ist festgehalten, dass der einzige noch lebende Nachkomme, Sohn August, in vielen Bereichen in die Fußstapfen seines Vaters Johann-Georg getreten ist: Er hat die berufliche Tätigkeit eines Geometers und die verantwortungsvolle Aufgabe eines k.k. Stromaufsehers von seinem Vater übernommen.

Die Ausstellung eines Leumundszeugnisses sechs Monate nach dem Tode seines Vaters Johann-Georg, könnte eventuell mit der Abhandlung der Erbschaft in Zusammenhang stehen. Im Gemeinde-Archiv ist darüber leider nichts vermerkt. Die Kopie des Leumundszeugnisses ist handschriftlich in einem besonderen Buche erhalten geblieben (Gemeindearchiv) und lautet wie folgt:

 

 

„ Löbl. k.k. Bezirksgericht

                                              in

                                                             Dornbirn

 

Ueber wohldortigen Auftrag vom 28./3.1889  Z.701 beehrt sich die Gefertigtn nachstehendes mitzutheilen:

            August Scheffknecht Geometer und k.k. Stromaufseher zu Lustenau 43 Jahre alt, verehelicht, Vater von 6 Kindern, beschäftiget sich mit geometrischen Arbeiten, hauptsächlich von Rheinufer u. Dammbauten und versieht die Stelle als k.k.Stromaufseher.

            Derselbe besitzt ein größeres Anwesen mit Ökonomie und ist in finanzieller Beziehung ziemlich gestellt.

            Scheffknecht ist ein in der Gemeinde wirksamer Mann, besitzt die nötigen Kenntnisse und steht in allen bürgerlichen Rechten.

            Sein Charakter ist etwas aufbrausend hitziger Natur, jedoch sein Leumund gut.

 

            Gemeindevorstehung Lustenau vom 29. März 1889

                                                           i.v.  J.König  m/p    Gdmrth.

 

 

Anmerkung:

Die Texte wurden wort-wörtlich abgeschrieben. Manchmal wurde ein Wort damals offensichtlich anders geschrieben als heute. Bemerkenswert ist auch, wie offen und klar, keineswegs etwa beschönigend, ein Leumundszeugnis damals ausgestellt wurde.

Die Abkürzung m/p bei der Unterzeichnung bedeutet  „Manu propria = eigenhändig.

 

 

 

* * * *

Erst ein Jahr nach dem Tode unseres Ur-Ahns Johann-Georg wird in Vorarlberg die erste elektrisch betriebene Kraftanlage gebaut. In Kennelbach ist die große Schindler-Textilfabrik mit Spinnereimaschinen entstanden. Bisher mussten alle Maschinen mit Wasserkraft oder mit einer Dampfmaschine angetrieben werden. In diesem Betrieb wurde die erste große Elektro-Kraftanlage mit 175 PS gebaut. Der Elektro-Motor war erst kürzlich von Charles E.L.Brown erfunden worden. Er war dann der Gründer der uns allen noch bekannten Großfirma BBC.

 

1889

Am 16. Februar, nur ½ Jahr nach dem Tode von Johann-Georg stirbt im 73. Lebensjahr auch seine letzte noch lebende Schwägerin Anna-Maria-Karolina Scheffknecht geb.Kremmel. Ihr Gatte, Sinesius (Stammvater der „Sineser“) überlebt seine Gattin noch um 6 Jahre.

 

 

* * * *

Damals, weit weg vom Dorf Lustenau, wird in Paris eine Weltausstellung eröffnet. Das besondere daran ist, dass zu diesem Anlasse ein Turm mit 324 m Höhe aus Stahlprofilen gebaut wurde. Der Planer und Erbauer war ein Gustave Eiffel. Dieses damals sicher weltweit sensationelle Bauwerk wurde dann zum Wahrzeichen von Paris. Der Eiffelturm und Paris sind heute ein untrennbares Markenzeichen. Die Lustenauer werden allerdings davon nicht allzu viel erfahren haben. Einige Fotos und Berichte in den Zeitungen wird’s schon gegeben haben.

 

 

1889

Ein Jahr nach der furchtbaren Rheinüberschwemmung von 1888, die in Lustenau große Not verursacht hatte, drei Jahre nach der Gründung der ersten Raiffeisenkasse Österreichs, entstand die Lustenauer Raiffeisenkasse als erste in Vorarlberg. Was diese Gründung bedeutete, zeigen am besten ihre Folgen. In den nächsten 10 Jahren folgten in Vorarlberg weitere 60 Raiffeisenkassen-Neugründungen.

 

1890

Bereits am 20. August kündigte sich ein Katastrophenjahr an. An diesem Tage ging ein schwerer Hagel über das ganze Rheintal nieder. Von Lustenau aus sah zwei Stunden später der Fallenberg noch wie verschneit aus.

 

Nach nur zwei Jahren (am 11.9.1889) einer verheerenden Rheinüberschwemmung über Lustenau kam es am 30. August 1890 wieder zu einer noch größeren Rheinnot. Die Höhe des Hochwassers kann man heute noch erahnen. Waren doch durch diese Überschwemmungen in den Jahren 1890 auch die Bahnlinie nach St. Margrethen schwer betroffen. So musste vom 1. bis 27. September 1890 der Bahnbetrieb wegen großen Schäden am Bahnkörper vollkommen eingestellt werden.  Bis ein Hochwasser die Höhe dieser Gleisanlagen erreichte, musste Lustenau wohl zur halben Höhe im Wasser versunken sein!

In einem Bericht dazu schreibt Dr. Ing. Krapf im Jahre 1901:

 

Am 3o. August kam es bei Altach-Hohenems zu einem großartigen Rheineinbruch, wodurch die Gegend Altach-Bauern und Lustenau in einen fließenden See verwandelt wurde.

 

Vom Mai an gab es fast jeden Monat Hochwassergefahr. Schon am Patrozinium, 29. Juni, drohte das Verhängnis wieder über Lustenau hereinzubrechen. Am Abend riefen die Sturmglocken zur Wehr. Bis tief in die Nacht dauerte der aufreibende Kampf an den Dämmen, besonders auf der Strecke zwischen Ober-und Unterfahr. Diesmal blieben die Lustenauer noch siegreich. Aber genau zwei Monate später gingen wieder Wolkenbrüche über das Bündnerland nieder. Telegramme aus Chur meldeten unerhört hohen Wasserstand. Die Laufzeit des Rheines von Chur bis Lustenau betrug damals ca. 10 Stunden. Niemand ging diesmal an die Seelache, alle waren überzeugt, dass sich das Unglück diesmal nicht aufhalten lasse. Fieberhaft begann man, die Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen. Bauern eilten trotz des strömenden Regens ins Feld, um noch rasch Kartoffeln zu holen. Die Ställe wurden geräumt, das Vieh in der Tenne auf hohe Podien gebunden oder in Nachbarorte gebracht. Die Dachräume der damals noch zahlreichen niedrigen Häuser wurden zu Notwohnungen eingerichtet. Die furchtbare Nacht brach herein. Am meisten litt wieder der Damm zwischen beiden Brücken Not. Ein Einbruch dort bedeutete Vernichtung von zahlreichen Häusern und Lebensgefahr für viele Lustenauer. In Todesgefahr deckten die Männer die im Damm entstandenen Löcher mit ihren Leibern zu, während andere Steine und Sandsäcke herbeibrachten. Für sie klang es wie eine Erlösung, als um 3 Uhr nachts die Nachricht kam, dass in Altach der Damm gebrochen sei. Rasch sank nun das Wasser innerhalb der Dämme, aber 3 Meter hoch ergoss es sich nun die Seelache herunter. Um 5.3o Uhr war auch der Seelachendamm durchbrochen. Noch eine Stunde und Lustenau bot wieder das jammervolle Bild 1888, nur dass die Fluten noch höher gingen. Drei volle Wochen dauerte es, bis die Dammlücken geschlossen und der Rhein wieder in sein altes Bett geleitet werden konnte. Und welchen Anblick bot die arme Gemeinde: Wohin man schaute verwüstete, halbverfaulte Häuser, zerrissene Straßen und tief übermurte Felder und Wiesen.“

 

 

Nicht zuletzt aber die großen Schäden des Hochwassers an der k.k. Staatsbahn veranlassten die zuständige Direktion sich mit der Durchstichfrage intensiv zu beschäftigen und eine günstige Stimmung für das Regulierungswerk zu machen.

 

 

* * * *

Bis zum Jahr 1890 wurden neben eigener  Stickerei-Ware noch immer Aufträge der            St. Galler Fabrikanten ausgeführt. Dieses Jahr aber brachte die größte bis dahin erlebte Stickereikrise.

Hunderte von Maschinen in Vorarlberg mußten stillstehen, während die Schweizer ihre eigenen Stickmaschinen fast voll beschäftigten. Da entschloß sich die Firma Hofer zum Export überzugehen. Um das nötige Betriebskapital aufzubringen wurden noch andere Teilhaber herangezogen und das Geschäft führte darum später den Namen Hofer, Bösch & Co. Im Volksmund aber hieß es zu allen Zeiten die „Höfer“. Das Unternehmen gelang. In Wien wurde eine Verkaufsfiliale errichtet und es kamen bald so viele Aufträge, daß in der gerade damals so schweren Krisenzeit eine große Anzahl Sticker beschäftigt werden konnte.

1897 brachten Hofer, Bösch & Co. dann die ersten 6-Yard-Schifflimaschinen in Vorarlberg zur Aufstellung, denen  1903 eine Anzahl 6 ¾ Yards folgten. 1912 wurde die große Automatenfabrik „New York“ erbaut. Das war wohl der Höhepunkt dieser Firmengeschichte. Nebst den eigenen zahlreichen Stickmaschinen und Automaten beschäftigte sie noch Hunderte von Maschinen und für den Vertrieb und Export der Stickerei-Waren allein bis zu 300 Arbeiter und Angestellte.

 

 

1892

Die Überschwemmungen der Jahre 1888 und 1890, die das österreichische Rheintal schwer getroffen haben, halfen nun endlich den letzten Widerstand zu beseitigen, und so gelangte man im Jahre 1892 endlich zum Abschluss eines Staatsvertrages, wonach nicht nur die beiden Durchstiche gebaut, sondern auch die übrigen Strecken des Rheins bis hinauf zur Illmündung auf eine einheitliche Rinnsalbreite gebracht werden sollen. Im November trafen sich in Wien höchste Schweizer Beamte und hohe Beamte aus verschiedenen k.k.Ministerien und fassten den Vertrag endgültig ab.

 

 

1894

Die verwitw. Gattin Magdalena Scheffknecht geb. Alge nach Johann-Georg Scheffknecht stirbt am 14. März im Alter von 80 Jahren.

 

 

1895

Sinesius Scheffknecht stirbt am 27. Oktober 1895 als letzter der Kinder und Schwiegerkinder der großen Familie des Anton Josef Scheffknecht (1776-1839) und seiner ersten Gattin Maria-Katharina geb.Hämmerle (1776-1817).

Er ist der Stammvater aller heutigen „Sineser“. Somit stammen alle „Sineser“ von einem Bruder von Johann-Georg ab. In der „Sineserfamilie“ werden 10 Kinder geboren, davon werden 7 Familien gründen und später Nachkommen haben.

 

 

1900

Das Dorf am Rhein, bedrängt von Not und den Naturkatastrophen der Rheinüberschwemmungen war trotz all dem in den letzten 60 Jahren gewaltig gewachsen. Dies alles entwickelte sich wesentlich in der Lebenszeit von Johann-Georg Scheffknecht.

Einige Zahlen über Einwohner und Häuser mögen dies verdeutlichen.

 

1837                2295 Einwohner

1869                4024 Einwohner          und      600 Häuser

1880                4164 Einwohner          und      708 Häuser

1890                5054 Einwohner          und      868 Häuser

1900                6221 Einwohner          und      996 Häuser

 

Innerhalb von nur 60 Jahren, hat sich die Einwohnerzahl Lustenaus beinahe verdreifacht.

Während des sehr kurzen Zeitraumes von 30 Jahren ist die Zahl der Häuser  um 6o% gestiegen. Noch dazu kommt, dass nicht nur die Zahl der Häuser enorm zunahm, sondern dass auch eine unwahrscheinliche Steigerung der Bauqualität zu verzeichnen war.  In der Zeit der Jugend von Johann-Georg gabe es ausschliesslich Holzhäuser. Um die Jahrhundertwende 1900 wurden bereits die ersten Villen vollkommen aus Stein gemauert in Lustenau gebaut.

(Stickereiwohlstand)

 

1900

Elf Jahre später gibt es nochmals ein Leumundszeugnis über AUGUST SCHEFFKNECHT:

Dieses beinhaltet allerdings einen kräftigen Seitenhieb zum Thema „Gemüth und Trunke“. Auch davon ist eine handschriftliche Kopie im Gemeindearchiv zu finden. Das Leumundszeugnis lautet wie folgt:

 „An das

                   kk. Bezirksgericht

                                                      Dornbirn

 

Über wohldortige Requisition vom 4. August 1900 Zl. U 301/00 beehrt sich die Gefertigt folgendes mitzutheilen:

            August Scheffknecht, Geometer ca. 55 Jahr alt verehelicht, Vater von 6 od. 7 Kindern geboren in Lustenau und dahin zuständig. Derselbe ist der Sohn des verstorbenen kk. Stromaufsehers J.G.Scheffknecht hat eine sehr gute Schulbildung, hat aber ein dabei leicht erregbares Gemüth, dass ihn auch schon zum überflüssigen Trunke verleitete. Übrigens ist Scheffknecht ein strebsamer, fleißiger Mann, ist nach hier amtlichen Wissen noch nie abgestraft worden und genießt somit einen guten Leumund.

            Scheffknecht besitzt auch ein ziemliches Vermögen.

 

                                   Lustenau,am 8. August 1900

                                                                       Eduard Hämmerle            

                                                                             Vorsteher    mp

 

 

Anmerkung:

Die Texte wurden wort-wörtlich abgeschrieben. Manchmal wurde ein Wort damals offensichtlich anders geschrieben als heute. Bemerkenswert ist auch, wie offen und klar, keineswegs etwa beschönigend, ein Leumundszeugnis damals ausgestellt wurde.

Die Abkürzung m/p bei der Unterzeichnung bedeutet  „Manu propria = eigenhändig.

 

 

1901

Aus diesem Jahre habe ich noch ein Leumundszeugnis im Gemeindearchiv  gefunden. Es betrifft den jüngsten Sohn ERWIN ( * 6. Feber 1876 + 8.7.1965) aus der ersten Ehe des August Scheffknecht und der Maria-Anna Bösch. Es lautet wie folgt:

 

Buch i.d.Gemeinde:  -LEUMUNDSZEUGNISSE-

Seite 288   Gr 2833

 „An das

                   k.k.Bezirksgericht

                                                    Dornbirn

In Erledigung des dortigen Auftrages vom 10.d.M. G.Z. Nr.446

wird berichtet wie folgt:

            Erwin Scheffknecht,  geb. am 6. Febr. 1876, Sohn des August und der verstorbenen M.Anna Bösch, Bauer & zuständig nach Lustenau lebt im elterlichen Hause & beschäftigt sich mit der Oekonomie seines Vaters.

            Scheffknecht gilt als fleißiger junger Mann, der sich noch in keiner Weise etwas Abträgliches zu Schulden kommen ließ   dessen Ruf und Leumund sind tadellos. Derselbe besitzt von seiner +Mutter etwas Vermögen und hat aber nach dem Tode des Vaters noch einiges zu erwarten.

 

Lustenau,am 13.1o. 1901

                                                                               Ed. Hämmerle       “

 

Weitere Leumundszeugnisse, die recht interessante Einblicke in berufliche Tätigkeiten und besondere Lebensumstände geben könnten, waren leider von der „SCHEFFKNECHTLER“-Sippe im Gemeindearchiv nicht vorhanden.

 

Nach heutigem Stande älteste noch lebende Nachkommen:

Ur-Enkel nach Johann-Georg Scheffknecht und Magdalena Alge

 

B-3    August Bösch                Rheinstrasse 15       Lustenau               geb.   9.02.1909    93 Jahre

A-3    Emilie Böhler                 Forststrasse 50        Lustenau              geb. 15.12.1913    89 Jahre

B-2    Antonia Schulz               Schützenstr.18a       Dornbirn   geb.   4.06.1916    86 Jahre

B-2    Werner Scheffknecht     In Fängen No.3       Dornbirn              geb. 14.10.1926    76 Jahre

 

Enkel nach August Scheffknecht und Maria-Anna-Bösch „Christars“ sind:

Emilie Böhler, Forstrasse No. 50 – Lustenau

 

Enkel nach August Scheffknecht und Sophie Hämmerle „Pfiffars“

August Bösch, Rheinstrasse 15, Lustenau

Antonia Schulz, Schützenstr. 18a,  Dornbirn

Werner Scheffknecht, In Fängen No.: 3,  Dornbirn

 

Alle diese Daten und Informationen habe ich aus den verschiedensten Quellen bezogen:

„Lustenauer Sippenbuch“ II Prof.Franz Stetter

            Von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Pfarrbücher/Familienblätter-Taufbücher-Sterbebücher der Pfarrei St.Peter und Paul Lustenau

Vorarlberger Landesarchiv Bregenz

Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz

Stadtarchiv Dornbirn

Lustenauer Heimatbücher:

Lustenau und seine Schulen Band I   Herausgabe 1988

Lustenau und seine Geschichte Band II   Musik und Theater in Lustenau Herausgabe1989

Lustenau und seine Geschichte Band III Gemeindearchiv-Kirchengeschichte-

Flurnamen-Herausgabe 1992

Lustenau und seine Geschichte Band IV    Herausgabe 1996

Lustenauer Heimatbuch Band I Herausgabe 1965

Lustenauer Heimatbuch  Band II Stickereiindustrie  Herausgabe1961

Der Reichshof Lustenau von B.Vetter  Herausgabe 1935

„Brauchtum, Sagen und Chronik“ von Hannes Grabher Herausgabe 1956+2002

„Menschen am Strom“ Erinnerungen und Schicksale Beno Vetter Herausgabe 1968

Festschrift 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr  1883 – 1983

Gedenkschrift 100. Wiederkehr – Lustenau – Österreich: Gerichtshoheit

Sonderbeilage „Vorarlberger Volksblatt“ vom 22. März 1930

Beilage zum „Vorarlberger Tagblatt“ März 1930

„Die Kirchen von Lustenau/Vorarlberg“  Herausgabe 1939

Verlag der Kleinen Deutschen Kirchenführer in München

Aufzeichnungen Hans Scheffknecht, Lorettoweg 2o (Ur-Enkel von Johann-Georg)

 

Verfasser: Lebensgeschichte–Biographie und Stammbaum „SCHEFFKNECHT“:

Otmar Holzer, A-6890-Lustenau, Sägerstr. 15a

Ur-Ur-Enkel des Johann-Georg Scheffknecht und der Magdalena Alge „Nannis-Seppars“

Ur-Enkel des August Scheffknecht und der Maria-Anna Bösch „Christars“

Enkel des Erwin Scheffknecht und der Maria-Anna Hämmerle „Rickö-Nanni“

Sohn der Lina Holzer geb. Scheffknecht und des Johann Holzer

 

 

 

 

November 2002